Darauf muss man erst mal kommen: Eine Ausstellung machen mit einem Unwort. „Alternative Fakten“, wer hätte es in diesen Zeiten nicht schon gehört, jene unseligen zwei Worte, die die Pressesprecherein des US-Präsidenten Donald Trump, Kellyanne Conway, vor rund eineinhalb Jahren bei dem Streit, wie viele Menschen nun die Amtseinführung wirklich besuchten, in den Mund nahm. Sie biete nur „alternative Fakten“, hatte sie gesagt und wir alle – so wir nicht Trump-Anhänger sind – haben angesichts der Fernsehbilder mal herzlich gelacht.
Alternative Fakten also, das schreibt sich nun der KulturPackt zu seinem 25. Geburtstag auf die Fahnen der großen Jubiläumsausstellung mit 25 aus dem ganzen Bundesgebiet stammenden Künstlern im Alten Gymnasium, die bis 1. Juli zu sehen ist. Welch genialer Schachzug von KulturPackt-Sprecher Ingo Schäfer, Geschäftsführer Gerhard Günther und Kuratorin Hille Reick. Genau das ist es doch, was Kunst ausmacht. Alternativen bieten, andere Wahrheiten, irritieren, zum Nachdenken anregen. Pablo Picasso hat schon in den 1920er-Jahren gesagt: „Wir wissen alle, dass Kunst nicht Wahrheit ist. Es ist eine Lüge, die uns die Wahrheit begreifen lässt.“
Von Malerei bis Installation
Schön gesagt von einem der größten und bedeutendsten Künstler der Menschheitsgeschichte. Und nicht nur schön, sondern bemerkenswert kuratiert und umgesetzt von den vom KulturPackt aus 63 bundesweit eingereichten Bewerbungen ausgesuchten Künstlerinnen und Künstlern. Die Bandbreite ist groß, die sich im Alten Gymnasium in den verschiedenen Räumen auf allen Stockwerken zeigt. Von der Malerei über die Grafik, von Installation bis zu Konzeptarbeiten.
Wohltuend im übrigen, dass man nicht dem Offensichtlichen erlegen ist und ausschließlich Trump-Bashing betreibt. Die Kunst kann so viel mehr, was auch das eine Trump-Bashing, das es gibt, von Roland Halbritter aus Nüdlingen zeigt. Er hat mit Collagen, in deren Mittelpunkt ein Bild von Kellyanne Conway ist, den ganzen Irrwitz dieser Präsidentschaft aufs Korn genommen – künstlerisch hochwertig, mit Witz und hintergründigem Humor. Auf langen Papierzetteln stehen zum Beispiel vor einer mit Wasser gefüllten Schale mit einem Zettel und der Aufforderung „Waschen Sie Ihre Hände in Unschuld“ vorgebliche Trump- oder Kim-Zitate. Da kommt sogar Schweinfurt vor, das „hat gar keine Schweine“, lässt Halbritter den früheren Immobilien-Tycoon sagen.
Beispielhaft herausgegriffen für die Vielfalt der Ausstellung seien auch Uta Grüns Wandobjekte, ein interessantes Panoptikum, das allerlei Skurrilitäten aufzubieten hat wie ein korrodiertes Hirn (nicht ganz zufällig ist es braun) oder ein introvertiertes Einhorn. Skurril, aber nachdenkenswert ist auch das Labor, das die Münnerstädterin Mia Hochrein für die Suche nach dem URBS eingerichtet hat und ein echter Hingucker Albrecht Fersch's sieben Meter lange im Raum schwebende Installation „Indieröhregucken“, bei der er jede Menge Zeitungspapier zerknüllte und auffädelte und daraus eine Art überdimensionales Sprachrohr formte.
Lob für Engagement und Einsatz
KulturPackt-Sprecher Ingo Schäfer betonte, die Veranstaltungen seien Ausdruck dessen, wofür der KulturPackt stehe. „Seit 25 Jahren bringen wir Leben in die Stadt“, vernetzen, fördern, unterstützen Projekte aller Art für Jedermann. Nicht nur für die Ausstellung und das Programm zu seinem 25. Geburtstag, sondern grundsätzliches und ehrlich gemeintes Lob bekam der KulturPackt bei der gut besuchten Eröffnung von Oberbürgermeister Sebastian Remelé. Er erinnerte an die Ursprünge des Vereins, denn 1993 waren die Zeiten in der Kugellagerstadt alles andere als rosig. 20 Prozent Arbeitslosigkeit, die Kommune hatte Millionen Schulden, die Industrie musste in ihrer größten Krise massenhaft Menschen entlassen. „Damals wurde der KulturPackt von einigen mutigen Männern und Frauen gegründet. Sie setzten ein Zeichen, dass die Stadt eine Zukunft hat.“
Dafür und natürlich für das bereichernde Durchhaltevermögen trotz aller Widrigkeiten über zweieinhalb Jahrzehnte dankte der OB: „Kultur gibt Perspektiven und Zukunft.“ Das habe in den 1990er-Jahren ebenso gegolten wie heute, wo es der Stadt bekanntermaßen besser geht denn je. Neben der großen Kunstausstellung ist im angrenzenden Stadtschreiberhaus im übrigen noch eine kleine Zusammenstellung zu sehen, was der KulturPackt in 25 Jahren alles an Veranstaltungen auf die Beine gestellt hat – von den Kurzfilmtagen über die Nacht der Kultur bis zum Pflasterklang und vieles, vieles mehr.
Ausstellung, Improtheater und Open-Air
Geburtstagsprogramm Bis 17. Juni feiert der KulturPackt 25. Geburtstag: Improtheater, Kurzfilme, Lesung, tolle Bands und eine Kunst-Ausstellung unter dem Titel „Alternative Fakten“ mit 25 Künstlern aus ganz Deutschland zeigen das Potpourri der Kulturangebote, für die der Verein steht.
Gefeiert wird im Alten Gymnasium, im Stadtschreiberhaus und auf dem Martin-Luther-Platz.
Feier 25 Jahre KulturPackt: Freitag, 15. Juni: Impro-Theater „Volle Möhre“, Altes Gymnasium, 20 Uhr, Eintritt 12 Euro (VK 10) Samstag, 16. Juni: Open-Air-Konzert auf dem Martin-Luther-Platz mit Ritmo Candela, Mad Bob Trio und Maik Mondial, 18-23 Uhr, Eintritt frei Sonntag, 17. Juni: Literatur-Matinée mit Wiglaff Droste, Moderation Johanna Bonengel, Altes Gymnasium, 11 Uhr, Eintritt 12 Euro (VK 10). Tickets im Vorverkauf bei der Buchhandlung Collibri. Ausstellung „Alternative Fakten“, 13. Juni - 1. Juli, 25 Künstler aus Deutschland, Altes Gymnasium, Eintritt frei; Mittwoch bis Freitag 14 bis 18 Uhr, Samstag, Sonntag 11 bis 18 Uhr. Finissage: 1. Juli, 15 Uhr. Infos: www.kulturpackt.de