"Das ist heute ein lang ersehnter Termin, ein lang gehegter Wunsch geht in Erfüllung." Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) zeigte sich hoch erfreut, als am Donnerstagnachmittag die neue Fraunhofer-Außenstelle Schweinfurt in der Alten Bahnhofstraße in den Räumen eines ehemaligen Autohauses ihre Pforten öffnete. Zehn Jahre zogen ins Land von der Idee bis zur Eröffnung. Wenn es darum gehe, das Profil des Technologiestandortes Schweinfurt zu schärfen und die Region zukunftsfähig zu machen, sei Fraunhofer der ideale Partner. Assistiert von der Fachhochschule Würzburg/Schweinfurt (FHWS), die seit diesem Semester den Studiengang Robotik anbietet, mache sich Schweinfurt auf den Weg zur Forschungshochburg.
Das Fraunhofer-Institut besteht aus vielen Fachbereichen. In Schweinfurt ist es das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), das hier zunächst mit vier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – Ingenieure mit einem Hang zur IT – und einem Techniker Fuß fasst. Das zentrale Thema der Forschungen ist die künstliche Intelligenz (KI) und deren Einsatz für eine nachhaltig optimierte Wertschöpfung (noW), so Professor Fank Döpper, Leiter der Fraunhofer-Projektgruppe Prozessinnovation in Bayreuth und nun auch der Arbeitsgruppe KI-noW in Schweinfurt.
Ziel ist, neueste Erkenntnisse und Ergebnisse angewandter Forschung in die industrielle Praxis zu überführen. Mit Hilfe der vom KI-noW-Team entwickelten durchgängigen Szenarien will man den regionalen Unternehmen aufzeigen, welchen Nutzen der Einsatz künstlicher Intelligenz für das produzierende Gewerbe und auch für den eigenen Betrieb hat. Nächster Schritt ist zu zeigen, wie die Integration der Anwendungen in den laufenden Betrieb gelingen kann.
Künstliche Intelligenz werde so für den Menschen, aufbauend auf eine umfassende und vernetzte Datenbasis, zum "mächtigen Werkzeug" in der modernen Produktion, so Professor Döpper. Schwerpunkte sind dabei die Bereiche Fertigung, Montage und Supportprozesse. In einem extra eingerichteten Showroom in den neuen Räumlichkeiten werden solche Möglichkeiten demonstriert. Schon jetzt ist zum Beispiel ein Prüfstand zu sehen, mit dessen Hilfe der Zustand von Maschinen überwacht werden kann. Döpper sprach vom "Horchen am Stromkabel". Tatsächlich kann so ein intelligentes Kabel mehr als nur die Maschine mit Strom versorgen, sondern auch "Ablesen wie es der Maschine geht". Hört sich eine Spindel komisch an, ist da ein Geräusch, das nicht sein sollte? Das Kabel hört mit und hilft so, Lebensdauer und Nachhaltigkeit des Maschineneinsatzes zu verlängern.
Das Bayerische Wirtschaftsministerium fördert den Aufbau der Arbeitsgruppe im Rahmen der Hightech-Agenda Bayern mit vier Millionen Euro. Die Hightech-Agenda wird so auch für die Region Schweinfurt zur Hilfe im anstehenden Strukturwandel und auf dem Weg zur Industrie 4.0. Das Projekt ist zunächst auf vier Jahre befristet. Professor Döpper geht allerdings fest von einer "Verstetigung der Außenstelle Schweinfurt" aus, denn die Bandbreite der Unternehmen in und um Schweinfurt sei nahezu ideal. "Die enge Vernetzung mit anderen bayerischen Fraunhofer-Einrichtungen, die überregionale Einbindung in das KI-Netzwerk Bayern, sowie die Kooperation auf lokaler Ebene mit der FHWS bieten gemeinsam in enger Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen optimale Voraussetzungen für den Aufbau unserer neuen Arbeitsgruppe", so Frank Döpper. Basierend auf den Aktivitäten des KI-Forscherteams sollen in Schweinfurt neben den laufenden Projekten auch neue umgesetzt werden.
Dass Bedarf da ist für das neue Angebot, wurde im Vorfeld ermittelt. Im Auftrag der Stadt Schweinfurt hatte das Fraunhofer-IPA eine regionale Potenzial-Analyse zu Verbreitung und Einsatz von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz durchgeführt. Großunternehmen, kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), die Industrie- und Handelskammer, Gründerzentrum und FHWS wurden in Interviews und bei Workshops befragt. Das Ergebnis habe gezeigt, dass vor allem bei kleineren und mittleren Unternehmen nur wenig Fachkenntnis in den Bereichen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz zu finden sei und deshalb die praktische Umsetzung in solchen Betrieben bisher nur in geringem Umfang erfolgte.
"Mit der Fraunhofer-Außenstelle eröffnen wir nicht einfach nur ein Forschungslabor, wir eröffnen unserer Stadt und der gesamten Region die Chance, uns in Sachen Industrie 4.0 optimal aufzustellen", so OB Sebastian Remelé bei der Eröffnung. Forschung und Entwicklung seien wichtige Standortfaktoren, die dazu beitragen, Schweinfurt weiter nach vorn zu bringen. Gleichzeitig sei die Eröffnung der Forschungsstätte in schwieriger Zeit ein "Zeichen, dass es weitergeht".