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WAIGOLSHAUSEN
Kubus zwischen Kult und Kritik
Die Stufen zum goldenen Eingang unterstreichen die Erhabenheit des Gotteshauses, das von einem bunten Lichtband durchzogen wird.
Foto: Silvia Eidel | Die Stufen zum goldenen Eingang unterstreichen die Erhabenheit des Gotteshauses, das von einem bunten Lichtband durchzogen wird.
Silvia Eidel
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:57 Uhr

Kaum zu glauben, die Neugierde hält an: Wie sieht es im Innern dieses Kubus' aus, der mit dem gold-glänzenden Eingangs-Halbrund so großstädtisch wirkt, mitten im Dorf? Gut zwei Jahre nach der Einweihung der neu erbauten Sankt Jakobus-Kirche in Waigolshausen ist das Interesse noch immer groß. 130 Kirchenführungen für die unterschiedlichsten Gruppen gab es bislang und auch die Gottesdienste dort sind immer voll.

220 Sitzplätze hat die neue Kirche gegenüber 620 des maroden Vorgängerbaues aus dem Jahr 1961. Als zu groß war dieser angesichts eines Rückgangs an Kirchenbesuchern betrachtet worden. Jetzt hat die Pfarrgemeinde noch 120 Stühle dazugekauft, die bei Festtagen auch gebraucht werden.

„Es ist die wunderschöne Atmosphäre dort“, ist Kirchenpfleger Herbert Hammer überzeugt, die die Menschen anlockt. Die meisten Kritiker seien mittlerweile verstummt, und auch er könne die Ideen des damaligen diözesanen Kunst- und Baureferenten Jürgen Lenssen, umgesetzt von Architekt Benedikt Gerber aus Mühlhausen, nur loben. „Ich bin regelrecht verliebt in diese Kirche.“

Ortsbäuerinnen besichtigen die Kirche

Was so schwärmerisch klingt, macht auch die 40 Landfrauen neugierig, die sich an diesem heißen Wochentag von Hammer durch die Kirche führen lassen. Es sind Ortsbäuerinnen, die auf Einladung der Katholischen Landvolkbewegung das Gotteshaus besichtigen. Neben Hammer gibt es sechs weitere Kirchenführer in Waigolshausen.

„Dr. Lenssen hat uns anfangs eine Führung und eine Handreichung gegeben“, erklärt Monika Pfister, ebenfalls Kirchenführerin und seit 17 Jahren Mitglied im Kirchenvorstand. „Jeder von uns macht aber die Führung so, wie er es für richtig hält, jeder hat einen anderen Schwerpunkt.“ Sie selbst ist vor allem von der Symbolik fasziniert, die am und im Gebäude herrscht, das dem Kirchen- und Pilgerpatron, dem heiligen Jakobus, geweiht ist: Hier könnten alle Menschen, egal ob gläubig oder nicht, eine Botschaft für ihren Lebensweg empfinden.

Die Neugier an der neuen Sehenswürdigkeit im Landkreis rührt auch daher, dass die Kirche die einzige neu gebaute in den letzten 20 Jahren in der Diözese Würzburg ist. Und natürlich ist die auffällige Form ein Anziehungspunkt: nach außen ein bewusster, Ruhe ausstrahlender Pflock, der sich von den übrigen Gebäuden absetzt, nach innen ein Schutz bietender Raum in unruhigen Zeiten.

Drei Millionen Baukosten

„Ja, über das ,Parkhaus‘ wurde damals im Fasching gelästert“, erinnert Hammer die Zuhörerinnen an die anfangs umstrittenen Vorstellungen Lenssens. „Die Schreierei war überhaupt groß, als es hieß, die erst 50 Jahre alte vorherige Kirche abzureißen.“ Denn viele Waigolshäuser hätten diese damals mitgebaut und mitbezahlt. Verständiges Kopfnicken bei den Landfrauen. Sofort kommt die Frage nach den Kosten. Drei Millionen Euro geplante Baukosten, die auch eingehalten wurden, plus eine halbe Million Euro - unerwartet – „für die Knöchli“, so Hammers humorvolle Bezeichnung für die Ausgrabung von 300 Skeletten des ehemaligen Friedhofs. Und eine weitere halbe Million Euro für die Nachgründung des stehen gebliebenen Julius-Echter-Kirchturms.

Die Weite des neuen Dorfplatzes, die Treppen hinauf zum goldenen Halbrund mit der Marienstele davor unterstreichen die Erhabenheit und die Ruhe des neuen Gotteshauses. „Abends wird die Kirche angestrahlt, da leuchtet die Mutter Gottes nach allen Seiten, einfach nur schön“, findet Monika Pfister.

Als die Landfrauen die Türgriffe des Kircheneingangs in der Gestalt von Pilgerstäben öffnen, werden sie überrascht von der Helligkeit des Innern. Als Oberlicht im Kubus empfängt sie ein buntes Fensterband, das vom Vorraum bis zum Altar führt. Dieser steht als rundes Zentrum – Symbol der Vollendung des Lebens – in einem halbrunden, klaren, auf das Wesentliche beschränkten Kirchenraum. „Das Gefühl des Miteinander ist hier ganz stark“, erläutert der Kirchenpfleger.

Lichtband symbolisiert Jakobus auf seinem Weg

Alle Augen wenden sich nach oben, als Hammer von dem künstlerisch von Jacques Gassmann gestalteten und mehrfach gebrannten Glasband spricht, das Jakobus auf seinem Weg symbolisiert. „Bei der Einweihung konnte ich wegen einer Verletzung nicht mit der Musikkapelle einmarschieren und saß schon drinnen“, erzählt Ortsbäuerin Eugenie Mauder.

„Als die Musiker hereingingen, kam mit ihnen das Licht von hinten nach vorne. Das war so beeindruckend.“

Vorne, hinter dem modernen Volksaltar, wo der Priester den Gläubigen zugewandt spricht, begrenzt ein barocker Hochaltar den Raum. Seit jeher stand er hier, in den Mauern des Turms. Aber in der Kirche der 1960er-Jahre verdeckte ihn die Betonbrüstung der Empore, weil der damalige Altar unüblicherweise nach Westen ausgerichtet war. „Dass der alte Hochaltar wieder sichtbar ist und ins Zentrum rückte, hat viele in Waigolshausen versöhnt“, weiß Monika Pfister. Auch den Landfrauen gefällt das, die Kombination von Alt und Modern wird als stimmig angesehen. Manchem ist aber zu wenig von der früheren Kirche präsent, bekennt Hammer. So würden die neuen Kreuzwegstationen des Japaners Mutsuo Hirano teilweise noch immer nicht akzeptiert. Bei der Besichtigung der Tauf- und Werktagskapelle, die vom Vorraum aus zugänglich ist, äußert denn auch eine Frau ihr Unverständnis darüber, dass die alten Kreuzwegstationen nicht wieder aufgehängt wurden. Der Besuch der Landfrauen in Waigolshausen wird nach der Kirchenführung bei Kaffee und Kuchen im Pfarrheim fortgesetzt.

„Wenn mich Gruppen fragen, wohin sie noch gehen können, schicke ich sie nach Egenhausen ins Bildstockzentrum oder ins Schlosscafé nach Werneck“, erzählt Kirchenführerin Monika Pfister. Auch örtliche Versorger, Sportheim und Bäckerei können von den Besuchern profitieren. Etwa 4000 bis 5000 Gäste haben sich bislang durch die Kirche führen lassen. Nicht alle haben eine Nähe zur Religion, aber viele Besucher finden sich in dieser Kirche wieder.

Angetan von der Stimmigkeit von alt und neu waren die Landfrauen in der neuen Waigolshäuser Kirche.
Foto: Silvia Eidel | Angetan von der Stimmigkeit von alt und neu waren die Landfrauen in der neuen Waigolshäuser Kirche.
Vor dem alten Hochaltar weist ein neues Kreuz auf den Weg nach oben.
Foto: Silvia Eidel | Vor dem alten Hochaltar weist ein neues Kreuz auf den Weg nach oben.
In der Taufkapelle gibt es von Herbert Hammer viele Informationen über den Taufstein aus dem Jahr 1610.
| In der Taufkapelle gibt es von Herbert Hammer viele Informationen über den Taufstein aus dem Jahr 1610.
Ein buntes Lichtband durchzieht die Kirche in Waigolshausen.
Foto: Silvia Eidel | Ein buntes Lichtband durchzieht die Kirche in Waigolshausen.
 
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