Sommer, Sonne, Sonnenschein, das Coronavirus scheint weit weg zu sein – auch von den Krankenhäuser in Bayern. Die Staatsregierung hat deshalb zum 16. Juni alle im Zuge der Corona-Pandemie ernannten "Ärztlichen Leiter Krankenhauskoordinierung" wieder außer Dienst gestellt. Ihre Aufgabe war es, die Verteilung der Corona-Patientinnen und -Patienten zu koordinieren, um einer Überlastung von Kliniken vorzubeugen. Für die Region Main-Rhön war im Januar 2020 Dr. Michael Mildner zum Corona-Krankenhaus-Koordinator ernannt worden. Nach zweieinhalb Jahren Pandemie zieht er nun Bilanz.
"Wir können alle zufrieden sein, wie es gelaufen ist", lobt Mildner Kommunikation und Kooperation zwischen allen Beteiligten. Besonders bewährt hat sich in seinen Augen die in der Region Main-Rhön eingesetzte Kommunikationsplattform IVENA zwischen den Kliniken und der Rettungsleitstelle Schweinfurt. Über das Online-Tool wurden in Echtzeit alle verfügbaren Bettenkapazitäten auf Normal- und Intensivstationen ausgewiesen.
"Das sollte in ganz Bayern installiert werden", sagt Mildner. Der Rettungszweckverband Schweinfurt habe bereits beschlossen, die Plattform auch außerhalb der Pandemie weiter zu betreiben, damit Patientinnen und Patienten in Notfällen schnell und zielgerichtet den entsprechenden Häusern zugeordnet werden können.
Auch das in der Region zusätzlich installierte "Windmühlen-Programm" soll aufgrund der guten Erfahrungen während der Pandemie nun in ganz Bayern Pflicht werden. Es kommt aus der Katstrophenmedizin und zeigt über eine Art Ampelsystem tagesaktuell die in den Kliniken vorhandenen Raum-, Personal- und Materialkapazitäten an. "So konnten wir immer schnell reagieren."
Teilweise rund um die Uhr gearbeitet
Im Rückblick waren die zurückliegenden zweieinhalb Jahre Pandemie für Mildner ein Auf und Ab. In Erinnerung ist ihm vor allem die Silvesternacht 2020. "Da habe ich zwischen Mitternacht und 2 Uhr Corona-Patienten auf Kliniken verteilt." An manchen Tagen sei er rund um die Uhr gefordert gewesen. Erst in der dritten Welle bekam Mildner mit Dr. Benedikt Stubner, dem Oberarzt der Notaufnahme am Leopoldina-Krankenhaus, einen Stellvertreter zur Unterstützung.
Es gab auch kritische Situationen. Zum Beispiel im Dezember 2021, als die Intensivstationen der Main-Rhön-Kliniken bis zum Anschlag ausgelastet waren und in Bayern plötzlich sieben Corona-Patienten aus Rumänien untergebracht werden mussten. Drei wurden dem Regierungsbezirk Unterfranken zugeteilt, einer davon kam ins Schweinfurter Leopoldina. Mit viel Mühe habe man diesen Platz frei machen können.
"Uns ging's in Bayern damals noch am besten", sagt Mildner. Tatsächlich sei die Region Main-Rhön sehr gut durch die Pandemie gekommen. Kein einziger Patient habe in dieser Zeit in ein anderes Bundesland ausgeflogen werden müssen. Im Gegenteil: "Wir haben vielen ausgeholfen", verweist Mildner auf Patienten, die aus Südbayern aufgenommen wurden. Sogar für Thüringen und Hessen habe man Nachbarschaftshilfe geleistet.
Freiraum haben den Akuthäusern damals das Orthopädische Krankenhaus Werneck und die Reha-Klinik Bad Bocklet verschafft. Sie übernahmen nicht mehr intensivpflichtige Corona-Patienten und entlasteten so die Pflegestationen der Akutkliniken. "Das hat uns sehr geholfen."
Pflegepool Bayern hat sich nicht bewährt
"Wir haben viel gelernt", sagt Mildner. Auch aus negativen Erfahrungen. Zum Beispiel dass der Pflegepool Bayern im Klinikbereich keinen Sinn macht, weil die Herausforderungen zu hoch sind. "Die Einarbeitungszeit dauert länger als die Zeit, die sie gebraucht werden."
Während der Hochzeiten der Pandemie arbeitete das Personal in den Kliniken daher immer am Anschlag. "Und jetzt sind die Leute ausgebrannt." Die Ärztlichen Corona-Koordinatoren fordern laut Mildner deshalb von der Staatsregierung Mittel für Entlastungsprogramme, um die Pflegerinnen und Pfleger wieder zu stärken. Man sei auf offene Ohren gestoßen.
Was man auch gelernt hat: dass Masken auch außerhalb des OP-Bereichs wichtig sind. "Ich selbst hätte vor drei Jahren noch gesagt, das braucht man nicht", verweist Mildner auf den eigenen Lernprozess.
Was die Pandemie noch bewirkt hat: ein Miteinander von Medizin und Industrie. ZF beispielsweise entwickelte ein Verfahren zum Sterilisieren von FFP2-Masken, als in den ersten Pandemiezeiten Maskenmangel herrschte. Und SKF produzierte Gesichtsvisiere für das Josefs-Krankenhaus. Für untauglich hingegen hielt Mildner die von der Staatsregierung organisierten Vliesballen, um daraus Masken zu nähen. "Wir haben Schutzkittel daraus gemacht." Genäht wurden sie im Antonia-Werr-Zentrum.
Mildner plädiert für Impflicht
Wie geht es nun weiter? Mildner ist vorerst als Corona-Krankenhaus-Koordinator außer Dienst. "Wir stehen aber in den Startlöchern, wenn die Zahlen wieder steigen." Im Moment sieht es danach nicht aus. Im Schweinfurter Leopoldina befinden sich zurzeit vier, im St.-Josef-Krankenhaus zwei Corona-Patientinnen und -Patienten. In der gesamten Region Main-Rhön ist die Zahl auf 41 gesunken. Auf den Intensivstationen werden drei Corona-Erkrankte behandelt.
Was Mildner für notwendig hält: Die Impfpflicht. "Es wäre zielführend, wenn es bis Herbst wenigstens für die Risikogruppen eine Impflicht gäbe."