Aus der Ferne wirkt das Objekt des Haßfurter Künstlers Hans Doppel auf dem kleinen Hügel durchaus harmlos: drei Baumstümpfe, in die längliche Glaskästen mit Wasser eingefügt sind. Man muss um den mittleren der Stümpfe herumgehen, um das zu sehen, was derzeit die Gemüter erregt: In einem der Glaskästen, konserviert in Spiritus, schwimmt ein totes Kaninchen. Auf das Glas hat jemand mit rotem Filzstift geschrieben: „Das ist eklig“.
„Wer genehmigt sowas überhaupt“, will Anita Diem wissen. Diem ist Vorsitzende des Vereins „Tiere in Not“. Am Dienstag stand bei ihr das Telefon nicht mehr still: Entsetzte Menschen hätten angerufen, Kinder seien davongelaufen, nachdem sie das Kaninchen entdeckt hätten. „,Schockiert' ist noch zu gelinde gesagt“, beschreibt Diem, die das Kunstwerk selbst nicht gesehen hat, ihre Gefühle. „Was soll das noch mit Kunst zu tun haben?“
Ähnlich haben sich wohl auch Anrufer im Bürgerbüro oder bei Erich Schneider, dem Leiter des Kulturamts geäußert. In letzterem Fall vermutete eine Dame, das Kunstwerk sei zerstört worden, indem jemand ein totes Kaninchen in den Glaskasten getan habe.
Dem ist nicht so. Hans Doppel hat das Tier 2001 tot am Straßenrand gefunden und seither immer wieder ausgestellt. Vermutlich ist es überfahren worden. Damit ist zwar der Verdacht vieler Tierschützer entkräftet, das Kaninchen sei eigens für die Skulptur getötet worden, nicht aber deren grundsätzliche Einwände.
Tote Tiere sind indes ein uraltes Thema in der Kunst. In den Stillleben des 16. und 17. Jahrhunderts sind tote Hasen oft Symbol der Vergänglichkeit. „Teilverwitterung“ heißt denn auch die Arbeit von Hans Doppel. Das Tier in der Flüssigkeit weckt außerdem Assoziationen an Damien Hursts berühmten toten Hai in Formalin von 1991. Der sich im übrigen aus konservatorischer Sicht als nicht ganz so unvergänglich erwiesen hat: Das Tier zerfiel und musste ersetzt werden, was eine Diskussion darüber ausgelöst hat, ob es sich nun noch um das originale Kunstwerk handelt.
Das Kaninchen-Kunstwerk entging möglicherweise nur knapp der Zerstörung: In der Nacht auf Dienstag war bei der Polizei eine Anzeige eingegangen, die in eine polizeiliche Aufforderung an die Stadt mündete, „den toten Hasen“ zu beseitigen: „Da nicht bekannt ist, auf welche Weise der Hase aus dem Leben schied und davon auszugehen ist, dass die Staatsanwaltschaft Schweinfurt aufgrund der recht spärlichen Ermittlungsansätze auf eine Sektion verzichtet, wird von der Erstattung einer Strafanzeige gegen einen unbekannten Täter verzichtet“, heißt es darin.
Der Servicebetrieb Bau und Stadtgrün – nicht wissend, dass es um ein Kunstwerk ging – schickte daraufhin zwei Mitarbeiter los. Die wollten gerade das Kaninchen aus dem Kasten holen, als zufällig Hille Reick vorbeikam. Reick ist Mitglied im KulturPackt und mitverantwortlich für das Konzept des Kunst-Karrées, in dessen Rahmen „Teilverwitterung“ aufgestellt worden war. Hille Reick, so berichtet sie, konnte die Arbeiter und ihren Vorgesetzten überzeugen, dass sie es mit einem Kunstwerk zu tun hatten, woraufhin die beiden vom Kaninchen abließen.
Für Uwe Wolters, Leiter des Servicebetriebs Bau und Stadtgrün, ist der Fall erst mal erledigt: „Wenn wir eine Aufforderung der Polizei bekommen, müssen wird natürlich tätig werden. Aber wir werden den Teufel tun, ein Kunstwerk zu entfernen, sonst wären wir ja genauso schlimm wie die Putzfrau, die die Fettecke von Beuys zerstört hat.“