Das sind die Abende beim Kissinger Sommer, die im Gedächtnis bleiben: lehrreich, voller Überraschung und Witz, farbsatt und schwelgerisch, eine glitzernde Show von Talent und transatlantischer Einvernehmlichkeit.
„US Rhythm & Blues“ war der Abend überschrieben, Klassiker und Entdeckungen der nordamerikanischen E-Musik servierte das Orchestre National de Lyon unter Lawrence Foster. Die Franzosen waren an diesem Abend von einem besonders heroischen Geist beflügelt. Ihren Nationalfeiertag, den 14. Juli, nutzten sie zu einem fulminanten Auftritt.
Lawrence Foster, sozusagen der Amerikaner in Lyon, führte sein Orchester zu Höchstleistungen. Dabei ließ er genügend Raum, damit auch die Solisten des Abends ihre Visitenkarte hinterlassen konnten.
Die Sopranistin Simone Kermes muss niemandem beweisen, in welcher Liga sie spielt. Zwei Mal glitzerte ihr Abendkleid im Scheinwerferlicht. Gershwins „Summertime“ war ein kurzes, verhalten in den Regentenbau gezaubertes Stück, eine wunderbar zurückgenommen gesungene Erinnerung an einen schwülen Sommer. Schön, wie die Kermes feinste Nuancen formt. Bei Leonard Bernsteins „Glitter and be Gay“ im zweiten Programmteil darf sie dann die trotzige, überkandidelte Furie mimen in dieser verwegen polternden Arie, die zwischen Sprechpassagen, Gezeter und Höhenflügen jede Menge Klippen bereithielt, die von Simone Kermes sagenhaft umschifft wurden. Da wollten selbst die Orchestermusiker mit dem Applaus nicht mehr stoppen.
„I got Rhythm“ hieß das Eröffnungsstück von George Gershwin. Sinn für Durchblick inmitten rhythmischer Vertracktheiten bewies dabei Konstantin Shamray, Gewinner des Kissinger KlavierOlymps 2011, dem Foster und seine Lyoner genügend Raum zur Entfaltung gaben.
Weniger mit virtuoser Akrobatik denn mit Beseeltheit im Spiel überzeugte der junge chinesische Violinist Ning Feng in Bernsteins Serenade für Violine und Orchester. Vor allem ab dem Presto der Serenade fanden Orchester und Solist zu einer bezwingenden Gestaltung dieses Stücks, das im Adagio fast einen Mahlerschen Ton hielt.
Als dritter Newcomer war der Percussionist Li Biao mit im Bunde. Die Kissinger-Sommer-Gäste bekamen spannend neue, aber keinesfalls abschreckende Klänge zu hören: den dritten Satz aus dem Konzert für Schlagzeug und Orchester des US-amerikanischen Gegenwartskomponisten Josef Schwantner. Herrlich, wie Streicher und Bläser hier einen orchestralen Spannungsbogen aufbauten, auf dem Biao – erst vierstimmig auf dem Marimbaphon, dann zur Rechten des Dirigenten an den Trommeln – sich virtuos ausbreiten konnte, ehe der effektvolle Satz in eine stürmische Coda mündete. Die Spielfreude war nicht nur Dirigent Foster anzusehen, der dem Kissinger Publikum eine attraktive Seite der Gegenwartsmusik seiner Heimat vorstellte. Von Schwantner hätte man sich fast mehr gewünscht, wurde aber mit Gershwins berühmtem „An American in Paris“ entschädigt. Farbsatt atmeten Orchester und Dirigent dieses Stück zwischen lärmender, großstädtischer Wucht und Intimität in berauschender Einvernehmlichkeit.
Wie bravourös Foster und die Lyoner harmonieren, wurde nochmals im Zugabenstück deutlich, der Ouvertüre zu Bernsteins „Candide“.