
„Qualitätsbewusst, traditionsbewusst, aber auch mit Forschungsdrang und Neugier auf Gottes wehenden Geist“ – so eine Forderung des Kirchenmusikers Daniel Stickan, der das Orgelspiel auch für moderne Musikformen wie den Jazz öffnen will. Diesem Anspruch wurde Christian Brückner, ebenfalls Kirchenmusiker und virtuoser Orgelspieler mit dem Jubiläumskonzert, das er zur Feier des 50-jährigen Jubiläums der Orgelweihe der Gernacher Orgel gab, voll gerecht.
Unter dem Titel „Emotionen Pur in Moll und Dur – amüsant-brisant-charmant-galant-prägnant-riskant-provokant“ gelang es ihm, ausgehend von traditionell-bekannten Stücken wie „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ von Johann Sebastian Bach (1685-1750), oder nach dem „Laudate Dominum“ von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) durch seine Arrangements und Improvisationen den Weg zu modernen Formen und Rhythmen zu finden. Seine Homepage (www.christoph-brueckner.de) weist den Organisten als vielseitigen Künstler und Komponisten aus, der immer wieder für Orgelkonzerte angefragt wird.
Reich an Variationen
Es gelang dem Künstler, die Ursprünglichkeit der Komposition zu respektieren und sie mit modernen Formen des Musizierens zu verbinden. So beispielsweise in dem Lied „wer nur den lieben Gott lässt walten“: Mit Bässen und langsam, ernsthaft intoniert, wechselte er allmählich in hellere Register und konnte so erlebbar machen, dass das Vertrauen auf Gott von der Schwere des Schicksals wegführen kann zu Gelassenheit, ja Heiterkeit.
Durch gekonnte Variationen gelang es ihm auch, den Weg von dem traditionellen Pfingstchoral „Veni creator Spiritus“ zu der bekannten Komposition von Modest Petrowitsch Mussorgski (1839-1881) „Bilder einer Ausstellung“ zu gestalten, oder einen bunten Melodienreigen zu entfalten, ausgehend von dem „Chor der Gefangenen aus der Oper Nabucco von Giuseppe Verdi (1813-1901) hin zu dem Volkslied „die Tiroler sind lustig“.
Vielfalt der Gernacher Orgel
Auch die Titelmelodie des Films „Dornenvögel“ griff der Künstler auf. Er verstand es, durch den Wechsel der Register die Vielfalt der Gernacher Orgel den Konzertbesuchern ausdrucksvoll zu Gehör zu bringen. Sein Lohn waren die stehenden Ovationen der Zuhörer; den Wunsch nach Zugabe erfüllte er gerne. Dabei griff er den Wunsch einer Zuhörerin aus, ein Stück zu spielen, bei dem man mitsingen könne. Und nicht nur das: die beschwingte Walzermelodie verführte manche Konzertbesucher zum Mitschwingen in den Kirchenbänken.
Den Abschluss bildete das Lied „Möge die Straße uns zusammenführen“ mit der Schlusszeile „und bis wir uns wiedersehen halte Gott dich fest in seiner Hand“, das viele Besucher mitsangen.
Erlös für die Renovierung
Pfarrer Thomas Amrehn und Pfarrgemeinderatsvorsitzende Karin Johe-Nickel überreichten eine Dankesurkunde und ein Weinpräsent. Die Spenden – der Eintritt war frei – und der Reingewinn aus Getränken und Speisen beim geselligen Beisammensein im Kirchenumgriff kommt den anstehenden Renovierungsarbeiten an der Gernacher Kirche zugute: besonders der Riss im Turm über der Eingangstür zur Kirche macht den Verantwortlichen Sorge.
Glanzleistung vor 50 Jahren
Zu Beginn des Konzerts hatte der Seelsorger an die Orgelrenovierung vor 50 Jahren erinnert. Es sei eine Glanzleistung der Gernacher gewesen, die Renovierung der Orgel in Angriff zu nehmen. Die Orgel als Instrument sei nicht nur für die feierliche Gestaltung der Gottesdienste wichtig, sondern auch ein Teil des weltlichen Kulturlebens. Im Programm des Abends werde die Verbindung zwischen geistlich begründeten Kunstwerken und weltlicher Kompositionskunst deutlich.
Ergänzend ist dem Buch von Hugo Hetterich „Gernacher Geschichte und Geschichten“ zu entnehmen, dass die Orgel vermutlich aus dem Speisesaal des Klosters Heidenfeld stammt. Die Zahl 1754, die an der Vorderseite der Orgel zu finden ist, dürfte das Erbauungsjahr der Orgel sein.
Zwölf klingende Register
Während oder nach der Säkularisation (1804) sei die Orgel wohl nach Gernach gekommen. Sie wurde mehrfach renoviert, zuletzt eben im Jahr 1968. Damals wurde das Innenleben der Orgel durch ein neues ersetzt, das Gehäuse und die Frontseite mit den wunderbaren Intarsienarbeiten blieben unverändert, wie auch im Bericht der Main-Post von der damaligen Orgelweihe zu lesen ist: „In das altehrwürde barocke Gehäuse. . . hat die Firma G. Weis aus Zellingen/Main eine gänzlich neue Orgel mit zwölf klingenden Registern, elektrischer Traktur und 900 Pfeifen eingebaut.“
Nach dem Konzert blieben die zahlreichen Besucherinnen und Besucher noch gerne zu Imbiss und Gespräch an einem schönen Sommerabend im Umgriff der Gernacher St. Aegidius-Kirche.