Völlige Versenkung in den Augenblick und Peter Casagrandes vor Ort entstandenes Werk „Schweinfurt 2017“ hat das „Duo Reflexion K“ in der Kunsthalle ermöglicht. Eine extreme Energiedichte und gleichzeitig innere Weite entfachten Gerald Eckerts Kompositionen. Sie bewegten sich im Grenzbereich des Klanglichen und bildeten eine spannende Geräuschkulisse. Kein Konzert zum Zurücklehnen, sondern aufregend ungewohnt und dennoch meist meditativ.
So ermöglichte diese Musik die Erfüllung der Bitte von Kuratorin Katharina Christ, die sie in ihrer Begrüßung an die Zuhörer richtete: „Tauchen Sie ein in die Bilder.“ Das Konzert vertiefte die Intention des Kunsthallen-Konzepts, Gegenwartskunst zu zeigen, um den Faktor experimentelle zeitgenössische Musik. Sehr stimmig, trotz reibungsvoller Klangwerke. Sehr symbiotisch zu Peter Casagrandes Hauptwerk, wie der Maler in seinen kurzen Statements zwischen den Stücken mitteilte. Er outete sich übrigens als absoluter Tiepolo-Fan. Vor allem der Himmel der Würzburger Residenz fasziniere ihn, wegen seiner Vielschichtigkeit.
Diese Vielschichtigkeit haben sowohl Casagrandes großformatiger Acryl-Zyklus wie auch Eckerts Kompositionen. Vor Casagrandes sieben mal zehn Meter großem schwarz-weiß Oeuvre hatten Beatrix Wagner (Quer-, Bass- und Piccoloflöte) und Gerald Eckert (Violoncello und Elektronik) ihre Doppelnotenständer aufgebaut. Denn die Kompositionen sind vielseitig – im wahrsten Sinne des Wortes.
Mit dem 15-minütigen Elektronikwerk „Aux mains de l'espace“ eröffnete Eckert das Konzert. Vier Lautsprecherboxen umhüllen Zuhörer und Musiker in Dolbysurround-Technik. Über vier Kanäle steuerte Eckert via Mischpult die obertonreichen Klänge, die er auf Tonband aufgenommen hat. Die Akustik der einstigen Schwimmhalle verstärkte das Klangerlebnis. Oft extrem leise, unglaublich experimentell und überraschend unkonventionell.
„Ich nehme Töne im Grenzbereich auf“, erklärte Eckert mit leuchtendem Gesicht. Den Nachklang gespielter Instrumente, das Entladen eines Schiffscontainers, das Entleeren eines gefüllten Altglascontainers. Sofort begann das Kopfkino: Laserschwert-Kämpfe a la Star Wars, futuristisch und aufregend, wechseln sich mit sphärisch filigranen Eiskristalllandschaften ab.
Und bei allem ist die Fläche der Reflexion das imposante „Schweinfurt 2017“-Gemälde, das durch die Musik zum Leben erwacht.
Requiemgleich die Lautmalereien in „Cer“, das Eckert 2014 für 2-(4)-Kanal-Tonband komponierte. Die dazu gespielten Celloklänge machten innerlich still, stumm, staunend. Manchmal schwirrte der Kopf, wenn Eckert seine technischen Verfahrensweisen erläuterte. In Verblüffung versetzten Beatrix Wagners Atem- und Hauchtechniken in die Mundstücke der Flöten. Orkanartige Böen entfachte sie ebenso wie nahezu spürbare Luftzüge. Ihr virtuoses Können zeigte Wagner in der Zugabe. „Klangräume II“, das einzige richtig laute Werk, war verstörend. Ältere Zuhörer assoziierten Luftschutzkellererlebnisse, das mittlere Alter Clockwork Orange und jüngere Formel-Eins-Rennen. Der rege Austausch der Konzertbesucher am Ende war das größte Lob für die Künstler und Veranstalter. Angelika Silberbach