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SCHWEINFURT
Körperkunst der Kunstkörper
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 15.12.2014 17:13 Uhr

Wir beginnen mit einer Bitte an die Theaterleitung. Werter Herr Kreppel, bitte sorgen Sie dafür, dass die Grupo Corpo nicht wieder eine achtjährige Pause einlegt, bevor sie ihr dann drittes Gastspiel nach 2006 und 2014 gibt. So eine Lebensfreude, so viel Esprit, so eine Perfektion, so viel Stolz beim Tanzen hat man selten gesehen. Und deswegen: so schnell wie möglich wieder.

Die Company aus dem brasilianischen Belo Horizonte mit 20 Tänzerinnen und Tänzern wurde 1975 von den Brüdern Paulo und Rodrigo Pederneiras gegründet. Paulo ist künstlerischer Leiter, Rodrigo Choreograph, der es in Schweinfurt mit den Stücken Parabelo und Sem Mim versteht, mit einfachen Mitteln und ohne übertriebene Bühnendekoration spannende Bilder entstehen zu lassen. Grupo Corpo, der Name ist Programm, die Gruppe ein eigener Körper, der sich synchron auf der Bühne bewegt. Ein Ansatz, den man aus dem Ballett kennt und der dem Modernen Tanz eher fremd ist. In der von Pederneiras vorgegebenen Striktheit des Tanzes gewürzt mit brasilianischem Esprit ist es aber eine Mischung, die dauerhaft im Kopf bleibt, die nicht nur bei den Auftritten im Schweinfurter Theater die Besucher zu Szenenapplaus animierte, sondern sie noch lange schwärmen lässt.

Einen Brasilianer oder eine Brasilianerin zu finden, die nicht tanzen können, das dürfte schwerfallen. Und dennoch ist es ein Meisterstück, die 20 in Belo Horizonte zusammenzubringen und nicht ein brasilianisch-folkloristisches Klischee aus Samba oder Capoeira zu zeigen, sondern eine stolze Truppe zu formen, die ihre Wurzeln nicht verleugnet, sie aber in beeindruckender Präzision, Eleganz, gar Lässigkeit zu etwas Neuem, Einzigartigem formt.

Besonders beeindruckend vor allem der erste Teil, Sem Mim. Das Meer trägt den Geliebten davon, es bringt ihn zurück, es bringt Leben und Bewegung. Die Bühne in Schwarz, eine metamorphose Kulisse an der Decke verankert – voller Symbolik, als Wolken, als Boot, als Fischernetz. Auf den fein gewebten, hautfarbenen Trikots der Tänzerinnen und Tänzer applizierte Kostümdesignerin Freusa Zechmeister große Blüten bei den Frauen und Tribals bei den Männern, Inschriften und Texturen aus dem Mittelalter, die auch mit dem musikalischen Grundgerüst, dem Liederzyklus von Martin Codax, korrespondierten. Voller Leichtigkeit lässt sich das Ensemble von der Musik tragen, in Bewegung versetzen – und bietet einen ganz besonderen Moment beim Tanz im Fischernetz, als die zwei Liebenden einen Pas de deux hinlegen, der formvollendeter nicht sein könnte. Wer speziell diesen Auftritt jemals vergisst, hat das Wesen des Modernen Tanzes nicht verstanden. Auch wenn Parabelo nach der Pause in mancher Hinsicht ein paar Längen aufweist, bietet diese Parabel auf den Kampf der Brasilianer mit der wilden Natur nicht nur beim explosiven, farbenbunten Finale Unvergessliches, sondern auch bei einem eng umschlungen getanzten Pas de deux, der intensiver nicht hätte sein können.

 
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