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SCHWEINFURT
Körper-Kaleidoskope: Die DDC mit Breakin' Mozart im Theater
Breakin' Mozart: Jubel im dreimal ausverkauften Theater über das abendfüllende Stück der Schweinfurter Breakdance-Truppe DDC und des Regisseurs Christoph Hagel.
Körper-Kaleidoskope: Die DDC mit Breakin' Mozart im Theater
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 20.03.2018 09:02 Uhr

Das vielleicht größte Verdienst von „Breakin' Mozart“ ist, dass der Zuschauer sehr bald vergisst, dass hier – kulturgeschichtlich gesehen – Welten aufeinandertreffen: Mozart und Breakdance. Musik und Tanz gehen von Anfang an eine beglückend natürliche Verbindung ein. Die Klänge und Rhythmen – mal original vom Klavier, mal elektronisch verfremdet, mal in Jazz-, Rock-, Disco- oder Rockversionen vom Band – werden in den Körpern der Tänzer direkt erlebbar. Das ist verblüffend und einleuchtend zugleich – ein Aha-Effekt, der sich bis zu Schluss nicht abnutzen wird.

Das abendfüllende Stück der Schweinfurter Truppe DDC und des Regisseurs Christoph Hagel wurde 2013 beim Würzburger Mozartfest uraufgeführt, dann folgten über 90 Aufführungen im Berliner Varieté Wintergarten, und nun kehrte „Breakin' Mozart“ in einer dritten Fassung sozusagen nach Hause zurück: nach Schweinfurt, ins dreimal ausverkaufte Theater.

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Die Eingangsszene gibt das Motiv für das ganze Stück vor: Nicht der Mensch ist Herr über die Töne, sondern umgekehrt. Mozart schreibt an der A-Dur-Klaviersonate. Da bemächtigt sich die Schöpfung ihres Schöpfers. Erst macht sich eine Hand selbstständig, dann ein Bein, und schon ist der Körper Spielball der Impulse, die von Christoph Hagels Flügel kommen. Jannis Rupprecht spielt und tanzt den Mozart mit großem komischen Talent, aber auch mit einer Art mystischer Autorität.
 

Ein Knall katapultiert seine Figur ins 21. Jahrhundert, wo sie als erstes einer Streetgang begegnet. Hagel und die DDC verzichten auf die naheliegende Konfrontation. Mozart, der Schöpfer unfassbar wunderbarer Musik, ist in allen Jahrhunderten und Gesellschaften eine gesetzte Größe. Die Parteien beäugen und umschleichen einander zwar mit einiger Vorsicht (was sehr, sehr lustig ist), erkennen aber schnell, dass sie alle gleichermaßen Untertanen der Musik sind.

Spätestens hier zeigt sich, wie sehr das Stück von den vielen Aufführungen profitiert hat: Timing und Synchronizität sind perfekt. Die Figaro-Ouvertüre wie später auch der Schlusssatz der Jupiter-Sinfonie werden zu Körper-Kaleidoskopen, die wunderschön anzusehen sind und darüber hinaus sogar als musikwissenschaftliche Analysen der Partituren taugen würden.

Die Grenzen von Tanz, Akrobatik und Pantonmime lösen sich auf zugunsten des reinen Ausdrucks. Wobei die Geschichte – Liebe und andere Probleme – nicht so sehr als Handlungsrahmen, sondern vielmehr als Reservoir der Emotionen dient. Marcel Geißlers Solo, das in einen Pas de deux mit Tamika Pelzer mündet, ist Breakdance in Zeitlupe, allein das schon eine faszinierende Idee. Noch intensiver wirken die sinnlich-geometrischen Figuren, die Felice Aguilar und Alexander Pollner zeichnen. Das nächste Kunststück: Die Königin der Nacht, makellos gesungen von Darlene Dobisch, als Stalkerin, die dem Nerd Gregory Strischewsky auf die Pelle beziehungsweise die Hosenträger rückt. Hier finden Drama und Komödie gleichzeitig statt, ohne einander in der Wirkung zu beeinträchtigen. Atemberaubend paradox und ebenfalls sehr, sehr lustig. Die vielleicht liebenswerteste Ensemble-Nummer sind die Variationen über „Ah, vous dirais-je, maman“, auch bekannt als „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ – eine anrührend warmherzige Studie über Hoffnung, Enttäuschung und Trost.

Mozarts Musik hat immer das Leben als solches zum Thema – das Streben nach Glück, die Sehnsucht nach Liebe, die Trauer über Verlust. Und den puren Spaß am Sein. Die DDC hat das verstanden und mit Christoph Hagel daraus ein Werk von bleibender Gültigkeit geschaffen. Großer Jubel im Theater.

 
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    ..war ein wunderbarer Abend, für den wir uns bei allen Künstlern sehr herzlich bedanken. Endlich wurde wieder einmal die akademische Unterscheidung zwischen E-Musik und U-Musik aufgelöst. So etwas sollte es öfter geben!
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