Das Kletterzentrum wird super angenommen“, sagt Stefan Müller. An den Wochenenden sind 120 Kletterer pro Tag normal, bis zu 60 Sportler an einem Werktag keine Seltenheit, sagt der 40-Jährige, der bis zuletzt für die Kletterjugend des Schweinfurter Alpenvereins im Vorstand der Sektion saß. Seit der Eröffnung der Kletterhalle vor fünf Monaten fungiert er nun als „Betriebsleiter“.
Seit den ersten Überlegungen und der Planung einschließlich Bauausführung sind sieben Jahre vergangen. Im September 2014 war der Pickelstich. Spaten verwendet der Kletterer nun Mal keine. Im März 2015 schon feierte der Verein Richtfest, im September 2015 folgte die Eröffnung auf den Hundertäckern.
Seit 1. Oktober läuft der Betrieb offiziell, was so schnell nur möglich war, weil die Mitglieder über 2000 freiwillige Arbeitsstunden leisteten. 1,2 Millionen Euro hat der größte Verein Schweinfurts dennoch ausgegeben.
Auf viel Ehrenamt setzt die Sektion auch beim Betrieb. Es ist ein selbst gestricktes Modell, das sich bewährt, aber ändern dürfte, wenn der Boom anhält. Müller ist der Chef im Kletterzentrum, das mehr ist als nur Klettern. Er ist angestellt. Derzeit für 15 Stunden pro Woche. Sein bisher einziger Arbeitgeber, die Diakonie, hat seinen Wunsch akzeptiert. Müller arbeitet die zweite Teilzeithälfte weiter als Streetworker in Würzburg. Künftig den DAV-Anteil zu erhöhen, schließt er nicht aus.
Die Geschäftsstelle ist von der angemieteten Linsengasse längst umgezogen in die eigene DAV-Zentale. Sektionsabende und Gruppentreffs finden im Versammlungsraum (70 Sitzplätze) statt. Nur größere Veranstaltungen wie die Jahresversammlung sind weiter in St. Kilian, die DAV-Vortragsreihe weiter im Rückert-Bau „zuhause“.
Die Trainer arbeiten ehrenamtlich
Bei Müller laufen die Fäden im Kletterzentrum zusammen, er ist das Mädchen für alles, sagt aber ganz klar: „Das Konzept ist, die Arbeit auf viele Schultern verteilen.“ Neben ihm sind derzeit acht weitere Akteure geringfügig beschäftigt, an der Rezeption, als Thekenpersonal. Eine davon ist Jugendleiterin Miriam Gehring, die Müller in Sachen Kurse und Einteilung der Trainer unterstützt. Die arbeiten auf ehrenamtlicher Basis. Wegen der großen Nachfrage werden weitere Trainer ausgebildet, bald sind es 14.
Zur Verfügung stehen 1200 Quadratmeter Kletterfläche. Die höchste Höhe sind 14 Meter. Unglaubliche 125 verschiedene Kletterrouten sorgen für Abwechslung. Sie werden immer wieder verändert, „damit die Kletterer hier weiter Spaß haben“, sagt Müller. Anfang der Woche erst war ein zertifizierter Profi-Routenschrauber mit Unterstützung von Sektionskletterern am Werk.
Wer kommt? „Bunt gemischt“, sagt Müller. Ab vier Jahren bis über 80. Frauen und Männer halten sich die Waage. Nicht erwartet hat man die hohe Zahl an Nichtmitgliedern, was angesichts der moderaten Preise dann aber doch nicht verwundert. Einzeleintritt 13 Euro oder Jahreskarte für 265 Euro, das ist ok. Viele kommen in Gruppen oder zu Zweit, der Sicherung wegen.
Gekletter wird eigenverantwortlich
Es werden Anfängerkurse angeboten. Ansonsten ist das Klettern frei, unterliegt jedoch strengen Regeln, die jeder per Unterschrift anerkennen muss. „Das ist hier so wie im Schwimmbad, es gibt nur keinen Bademeister“, sagt Müller und meint das alleinverantwortliche Klettern. Großen Wert legt der Alpenverein auch auf die „Gesprächskultur“.
Das heißt: Fehler oder Fehlverhalten sollen angesprochen werden, zuvorderst von den Trainern, aber auch vom Kletternachbarn, und man erwartet, das dieses „Aufmerksammachen“ auch akzeptiert wird.
Im Bolder-Raum beginnen viele, vor allem Jüngere. Die Routen sind dort je nach Schwierigkeitsgrad angelegt, rot für Anfänger, schwarz für die Könner. Im Übungs- und Kursraum hängen schon Seile in der Wand, an der großen Kletterwand nicht, aber die Routen sind ja farblich vorgegeben.
Alpenverein plant Kletterfläche im Außenbereich
Eine Außen-Kletterfläche ist geplant. Müller hofft, dass 2017 diese 500 Freiluft-Quadratmeter hinzukommen. Heuer geht es nicht wegen einer im Schweinfurter Haus (Ötztal) anstehenden Investition.
Dem Boom trägt der Verein insofern Rechnung,als man die Öffnungszeiten seit Anfang Februar erweitert hat. Ein neuer Flyer mit allen Infos kommt in wenigen Tagen auf den Markt. Viele neue Mitglieder sind hinzugekommen, fast 300 seit der Eröffnung. Bald dürfte die 3000er-Grenze geknackt werden.
Und der Alpenverein sorgt selbst aktiv um Nachwuchs. Mit drei Schulen (Mittelschule Gochsheim, Sattler- und Rathenau-Realschulen Schweinfurt) gibt es eine Kletter-Arbeitsgemeinschaft. Im April finden im Kletterzentrum die Unterfränkischen Meisterschaften im Klettern statt. Auch das zieht.
Fehlt noch was? „Ja“, sagt Müller und weist hier auf die große Resonanz vieler Zaungäste hin. Spaziergänger schauen vorbei, zahlreiche Rentner oder Oma und Opa, die bei Kafffee und Kuchen vom kleinen Café aus teils fasziniert den Kletterern zuschauen.
Müller selbst findet man auch in der Wand, wegen der Aufgabenfülle aber derzeit eher selten. Bald ist wieder Sommer, dann wird der Sportkletterer schon ein wenig Zeit finden für eine Open-Air-Einheit in der Fränkische Schweiz.