Seit 1073 Tagen abgeschaltet. Die Zahl blinkt auf der Anzeige über dem Eingang für die Mitarbeiter auf. Rund 200 sind es aktuell noch, die Tag für Tag durch die Sicherheitsschleuse ins Kernkraftwerk Grafenrheinfeld (Lkr. Schweinfurt) gehen. Am Ende werden es 60 sein, sagt Leiter Bernd Kaiser.
Das Ende ist auf 2033 gesetzt, dann soll der Rückbau des nuklearen Teils der Anlage abgeschlossen sein, der jetzt angelaufen ist. Am 1. April hat das Bayerische Umweltministerium die Genehmigung dazu erteilt. Die Vorbereitungen laufen schon, seit das KKG im Juni 2015 vom Netz gegangen ist.
101 Seiten ist die Genehmigung dick, die Dokumentation, die der Anlagenbetreiber, heute Preussen-Elektra, vorlegen musste, umfasste 2000. Darin enthalten sind auch die Prozesse, die einzelnen Schritte, wann und wie welche Teile der Anlage abgebaut, gemessen, geprüft, gereinigt und wie sie gegebenenfalls abgelagert werden.
Preussen-Elektra hat Erfahrung mit dem Rückbau: Im niedersächsischen Stade hat man einen Druckwasserreaktor nach dem Grafenrheinfelder Modell schon weit zurückgebaut – allerdings ein kleineres Modell. Der Rückbau des Kraftwerks im ostwestfälischen Würgassen ging 2014 zu Ende. Erfahrungen, die helfen. Man tauscht sich aus, Mitarbeiter aus Stade begleiten die Grafenrheinfelder, sagt Kaiser. Auch für ihn ist der Rückbau beruflich schon lange ein Thema.
Beim Rückbau geht es vor allem um das Reaktorgebäude
Im Kern geht es in Grafenrheinfeld um den „Kontrollbereich“, den nuklearen Teil der Anlage, erklärt Kaiser am Dienstag bei einem Pressetermin. Bis 2033 werde es dauern, ihn auf einen Rohbauzustand zu bringen, damit der Abriss begonnen werden kann. Zwei Jahre später soll nicht mehr viel vom KKG übrig sein, auch die Türme nicht. Die Überlegung, die Kühltürme bereits 2019 zu sprengen, hat man aufgegeben, sagt Kaiser auf Nachfrage. Sicher, es wäre ein Symbol gewesen. Aber ein teures – zu teuer für den Geschmack der Verantwortlichen von Preussen-Elektra, das für den gesamten Rückbau laut Kaiser 1,2 Milliarden Euro in die Hand nimmt.
Drei Millionen Euro hätte die kontrollierte Sprengung der Kühltürme gekostet. Und damit dreimal so viel wie nach 2033. Denn: Der Aufwand wäre auch aus sicherheitstechnischen Gründen weit höher gewesen. Schließlich sind noch fast alle Brennstäbe im Lagerbecken, wo sie gekühlt werden. 597 waren es, als das KKG vom Netz ging. Heute sind es 578. Alle kommen vor Ort ins Zwischenlager Bella. Castor für Castor. Aktuell wird der zweite beladen. Zwölf Tage dauert das Prozedere, erläutert Kaiser.
22 Castoren sind aktuell im Zwischenlager, 32 kommen dazu
Momentan lagern 22 Castoren in Bella, 32 werden dazukommen. Das Zwischenlager wird zum Januar 2019 in die Hand des Bundes übergehen, von der „Gesellschaft zur Zwischenlagerung“ (BGZ)übernommen. Wie die Zwischenlager aller deutschen Kernkraftwerke. Im Januar 2020 übernimmt die BGZ auch die geplante Bereitstellungshalle (BeHa) in Grafenrheinfeld. In sie werden die Teile eingelagert, die nicht mit „vertretbarem Aufwand“ dekontaminiert werden können. 101 Meter groß, 28 Meter breit und 17 Meter hoch soll die BeHa sein. Ihr Standort: neben dem Zwischenlager.
6000 Kubikmeter Lagerungsvolumen wird die Halle haben, sagt Rückbauleiter Stefan Krieger. „Dicht umschlossene radioaktive Stoffe in qualifizierten Behältern“ (aus Metall) sollen hier ab dem zweiten Halbjahr 2020 untergebracht werden. Am 9. Juli ist der geplante Baustart. Ab 2027, so hieß es am Dienstag, läuft dann die „Bereitstellung für den Transport zum Endlager Konrad“.
19.600 Tonnen Material müssen abgebaut werden und durch die Kontrollen
19.600 Tonnen Material müssen aus dem sogenannten Kontrollbereich, der das kugelförmige Reaktorgebäude und zwei Nebengebäude umfasst, demontiert werden. Jede Schraube, jeder Träger, alles wird vorsortiert und auf Strahlung gemessen. Was groß ist, muss auf maximal ein Meter lange Stücke geschnitten und dann beprobt werden.
Teile, die radioaktiv verstrahlt sind, werden entweder gereinigt – zum Beispiel abgewaschen oder sandgestrahlt – oder eingelagert. Stoffe, die nicht belastet sind, werden dem allgemeinen Kreislauf zugeführt. Das heißt, bestätigt Krieger auf Nachfrage: Ein Stück Metall, das nicht kontaminiert ist, kann beim Schrotthändler landen. Das meiste, davon geht man aus, ist oberflächig belastet, durch die Luft zum Beispiel. Das kann entfernt werden, und muss es auch. Eine Mammutaufgabe.
Wie diese aussieht, hat das KKG-Team an einer Anlage im Probelauf durchexerziert. 3,1 Tonnen wog die Pumpenanlage, ein Standby-System, das für Störfälle bereitstand, aber nie eingesetzt wurde, so die Vertreter von Preussen-Elektra. Was man an dieser Anlage geübt hat, soll später so effizient wie möglich laufen. Dafür werden nun Messstationen und Räume eingerichtet, Maschinen aufgebaut. Von der Pumpe mit Antriebsmotor übrigens blieben am Ende an die zwei Kilo schwachradioaktiver Abfall.
Der Rückbau im großen Stil, so Kraftwerksleiter Kaiser, wird erst beginnen können, wenn BeHa gebaut ist. Bis dahin bleibt genug zu tun.