Am 17. Mai beginnt die jährliche Revision des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld (KKG), der vorletzten seiner Geschichte. Das kündigte KKG-Leiter Reinhold Scheuring am Dienstagnachmittag während eines Gesprächs mit Medienvertretern an. Die Arbeiten sind für etwa 20 Tage angesetzt.
Dabei werden auch wie üblich etwa 20 Prozent der Brennelemente ausgetauscht. Offen ließ Scheuring allerdings, ob im Frühjahr der Brennstoff zum letzten Mal erneuert wird. Hintergrund ist die Brennelemente-Steuer: Pro Werk und pro Austausch fallen 150 bis 180 Millionen Euro an, sagte E.ON-Pressesprecherin Petra Uhlmann. Derzeit würden Spezialisten Aufwand und Nutzen eines Austauschs für 2015 berechnen.
Sollte E.ON die Steuer sparen und für das letzte Dreivierteljahr der Produktion keine neuen Brennelemente einsetzen, könnte dies bedeuten, dass das KKG bis zum Betriebsende geringere Mengen Strom herstellt oder bei Volllastbetrieb früher vom Netz geht. Uhlmann nannte solche Überlegungen „Spekulationen“. Scheuring äußerte: „Das ist eine Rechnung mit sehr vielen Variablen.“
Der KKG-Leiter unterstrich die Bedeutung des Kernkraftwerks für die Netzstabilität, das sich mittlerweile als „Systemdienstleister“ versteht. Die Frequenz im Netz müsse immer 50 Herz betragen. 2013 hat das KKG nach Scheurings Worten an 257 Tagen so genannte Regelleistungen erbracht, das heißt: Die Produktion heruntergefahren, um die Netzfrequenz zu erhalten. Dies entspreche einer Strommenge von sechs Volllasttagen, die das Werk nicht erzeugt habe. „Das ist der Nachweis, dass wir unseren Anforderungen gerecht werden“, sagte Scheuring. Als Extrembeispiel nannte Scheuring den 23. Dezember 2013. Da habe man die Produktion von 1350 Megawatt auf 400 Megawatt gedrosselt. An Wochenenden sei ein Rückgang auf etwa 700 Megawatt üblich.
Dennoch liege die Stromerzeugung der bayerischen Kernkraftwerke auf sehr hohem Niveau: „Das ist mittlerweile auch bei der Staatsregierung angekommen“, sagte Scheuring. 48 Prozent des verbrauchten Stroms stamme aus der Kernkraft. Die Grafenrheinfelder Anlage liefere elf Prozent des bayerischen Gesamtverbrauchs.
Mit insgesamt 318 Milliarden Kilowattstunden liegt Grafenrheinfeld laut Scheurings Statistik auf dem zweiten Platz der produktivsten Atommeiler in Deutschland. Gleichzeitig versicherte er, dass in Deutschland die modernste Kernkrafttechnik der Welt eingesetzt werde. „Das realisierte Sicherheitskonzept schließt einen Unfall mit Kernschmelzen, bei denen radioaktive Stoffe unkontrolliert austreten, praktisch aus.“ Dies sei bereits der Status vor der Fukushima-Katastrophe gewesen.
Nach Fukushima habe man weitere Maßnahmen für die Sicherheit ergriffen. So würden in diesem Jahr zwei weitere Notstromaggregate installiert und damit deren Gesamtmenge auf zehn erhöht. Die französischen Anlagen, so Scheuring, verfügten nur über zwei.
Nach dem Abschalten der Anlage plädierte der KKG-Leiter für einen baldigen Rückbau, wenngleich die E.ON-Konzernspitze noch keine Entscheidungen getroffen habe. Scheuring nannte unter anderem als Grund die soziale Verantwortung, um jungen Ingenieuren eine Perspektive für die Nachbetriebsphase zu geben. Sprecherin Uhlmann wies darauf hin, dass der Genehmigungsprozess für den Abriss Jahre dauern werde.