Das Erich-Kästner-Kinderdorf in Oberschwarzach rückt dieser Tage wieder in den Mittelpunkt. Von Montag, 9. Oktober, an heißt es: Bühne frei für Kleinkunst. Bis einschließlich Freitag, 13. Oktober, ist bei der Kästner-Woche jeden Abend ab 19 Uhr Kultur angesagt.
Dann wird jeweils im Kästner-Hof im wunderschönen Salon der Wiesenmühle ein Programm mit Musik und Vorträgen bis hin zu Magie und Theater geboten. Kultur ganz im Sinne des bekannten Schriftstellers möchte die Kästner-Woche vermitteln, und das in einer ganz besonderen Atmosphäre, darauf legen die Veranstalter großen Wert. Sie diene auch dem Erhalt von Kästners Erbe, erklärt Eva-Maria Hoffart vom Kinderdorf.
Alle arbeiten zusammen, um die Tage zu stemmen
Um die Kulturtage dort zu stemmen, sind vor allem die drei Kinder-Familienhäuser der Einrichtung in Oberschwarzach und im Ortsteil Düttingsfeld gefragt. "Wir kümmern uns selbst um die Verpflegung der Gäste, dazu brauchen wir keinen Caterer", sagt Gerald Möhrlein vom Leitungsteam.
Bei den Vorbereitungen werden die Kinder und Jugendlichen eingebunden, zum Beispiel beim Aufstellen der Stühle. Unterstützung kommt aus den drei weiteren Einrichtungen des Vereins im Landkreis Kitzingen, das sind die Häuser in Mainbernheim, Markt Einersheim und in Kaltensondheim. Insgesamt leben in den Häusern 40 Jungen und Mädchen im Alter von sieben bis 20 Jahren. Es sind junge Menschen, "die langfristig einen Platz fürs Leben brauchen", wie es in der Selbstbeschreibung heißt.
Kinder sind unter schwierigen Bedingungen aufgewachsen
Ziel ist es, dass die jungen Bewohnerinnen und Bewohner "eine neue Heimat bekommen". Sie sollen hier die Chance zur Entwicklung und Entfaltung erhalten. Laut Möhrlein sind es Kinder, die unter schwierigen Bedingungen aufgewachsen sind.
Wie lange die Heranwachsenden brauchen, bis sie auf eigenen Füßen stehen können, ist unterschiedlich. "Sie können so lange bei uns bleiben, bis sie verselbstständigt sind. Der eine bleibt etwas länger, der andere kürzer", so Möhrlein. Zu den 40 Jugendlichen betreut das Kinderdorf weitere 18 Kinder und Jugendliche tagsüber, die bei ihren Eltern leben, aber einen Förderbedarf haben.
Erschreckend viele Anfragen zur Aufnahme
Der Bedarf an dieser Betreuung sei hoch, gerade in der letzten Zeit erhalte die Einrichtung "erschreckend viele Anfragen zur Aufnahme", berichtete Pädagogin Eva-Maria Hoffart. Einen Grund sieht sie darin, dass viele andere Einrichtungen auch aus Personalmangel schließen mussten. Hinzu komme, dass die Corona-Zeit die Probleme vieler junger Menschen verstärkt habe, was deren Auffälligkeiten im Verhalten betreffe.
Zum Alltag der Heranwachsenden gehört im Kinderdorf auch die Schule. Zwar gibt es in Bimbach eine Förderschule, viele besuchen aber die Bildungseinrichtungen in der Umgebung. Einen Bezug zum Namensgeber ihrer neuen Heimat erhalten die Heranwachsenden gerade in Oberschwarzach.
"Jedes Kind hält in der Schule mindestens einmal ein Referat über Erich Kästner", erläutert Eva-Maria Hoffart. Dann wird vor allem die Bibliothek in der Steinmühle interessant, denn dort ist der berühmte Autor ja greifbar, durch sein Vermächtnis an Büchern, alltäglichen Gegenständen und Möbelstücken. Zu den Referaten erlaube man, so Hoffart, "dass sie mal original Gegenstände in die Schule mitnehmen, seinen Hut, oder seine Schreibmaschine".
Dazu würden bei den jüngeren auch mal Kästner vorgelesen, oder Verfilmungen seiner Werke angeschaut. Klassiker wie "Emil und die Detektive", "Das Doppelte Lottchen", oder "Das Fliegende Klassenzimmer", seien da gefragt.
Seit 1998 findet die Woche im Oktober statt, damals zum 100. Geburtstag des Namensgebers. Ihr Anliegen ist es, in familiärem Ambiente Kleinkunst zu bieten, die auch in der Tradition Erich Kästners steht. Im Vorfeld stellt Andrea Pieczyk das Programm zusammen und die Kontakte zu den Künstlern her. Viele der Auftretenden bleiben freundschaftlich mit der Einrichtung verbunden, darunter bekannte wie Viva Voce, Topsy Küppers oder Rolf Zuckowski.
Eva-Maria Hoffart vom Leitungsteam schätzt die "besondere Atmosphäre", die gerade zu dieser Zeit im Kinderdorf herrsche. Man freue sich über die Gäste, die zur Wertschätzung des Schriftstellers und der Einrichtung beitragen. Wichtig sei die Kulturwoche auch, um den Kontakt zu Freunden und Gönnern zu pflegen und neue zu gewinnen.
Das Kinderdorf in Oberschwarzach mit Außenstellen ist das einzige, das Kästners Namen trägt. Der Schriftsteller gab 1974 auf die Anfrage hin höchst selbst seine Zustimmung, das originale Telegramm hängt in der Steinmühle. Dort befinden sich aus seinem Nachlass die Bibliothek mit rund 10.000 Büchern sowie viele originale Möbel und Gegenstände aus der früheren Wohnung des Schriftstellers. Diese ließ ihnen Kästners Witwe nach ihrem Tod 1991 vermachen.