Was dann kommt, haben viele leider noch nicht auf dem Schirm.“ In einem Pressegespräch am Dienstag machten Babs Günther vom Schweinfurter Aktionsbündnis gegen Atomkraft, Edo Günther, Vorsitzender der Ortsgruppe vom Bund Naturschutz, und Herbert Barthel, Referent für Energie und Klima beim BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland), noch einmal deutlich, wo die Klippen beim Rückbau des Kernkraftwerks liegen.
Wichtig sei der Unterschied zwischen dem, was juristisch vorgeschrieben und gesetzeskonform ist, und dem, was für die Bevölkerung notwendig wäre. Denn, „was juristisch korrekt ist und der Gesetzeslage entspricht, muss nicht das Beste für die Bevölkerung sein“, so Günther.
E.ON hat sich aus unternehmerischen Erwägungen heraus entschieden, den Abriss der Anlage zu beantragen. Dies wurde vom Umweltministerium – als der zuständigen Aufsichtsbehörde – geprüft. Und verwaltungsrechtlich gibt es dagegen keine Einwände, weshalb die Genehmigung erteilt wird. Die erste Phase ist einer Öffentlichkeitsbeteiligung unterworfen, in der jeder Bürger Einsicht nehmen, seine Einwände vorbringen und notfalls sogar klagen kann. Die Anläufe aller weiteren Phasen werden dann zwischen der Behörde und dem Energiekonzern festgelegt.
Es könne also nur politisch gehandelt werden, betont Günther. Was den dreien Sorge bereitet: Das Zwischenlager ist nicht Gegenstand der Rückbauvereinbarungen. Es sei aber unmittelbar davon betroffen. Abgesehen vom Gefahrenpotenzial, wenn unmittelbar neben dem Lager Abrissarbeiten beginnen, gebe es, sobald das Kernkraftwerk abgebaut ist, keine Möglichkeit mehr, havarierte Castoren zu reparieren.
21 Castoren lagern zurzeit im Brennelemente-Lager. Ihre „Haltbarkeit ist auf 40 Jahre festgelegt“. Die ersten wurden vor genau zehn Jahren angeliefert. Wie lange sie wirklich halten, so der Chemiker Barthel, weiß kein Mensch. Das Material sei enormem Stress ausgesetzt, und die Haltbarkeit ließe sich auch nicht berechnen, das seien in der Naturwissenschaft Erfahrungswerte.
Viele Fachleute seien allerdings skeptisch was die prognostizierte Dauer der Haltbarkeit angehe, betont Barthel. Die Behörden gingen ausschließlich davon aus, dass ein Ventil undicht werden könnte. In ganz Deutschlang gebe es dann nur einen einzigen neuen Castordeckel, den man aufbringen könne. Wie, das sei auch nicht klar. Denn in der Nähe von so viel Radioaktivität könne man nicht einfach etwas aufschweißen.
Im schlimmsten Fall muss der undichte Castor quer durch die Republik bis nach Gorleben transportiert werden, dort ist die einzige „heiße Zelle“ der Bundesrepublik. In einem einzigen Castorbehälter ist übrigens mehr Radioaktivität, als in Tschernobyl insgesamt freigesetzt wurde.
Ein zweiter Bereich, der Barthel und den Günthers Sorgen macht, ist die äußere Sicherheit des Zwischenlagers: Dass Terror und absichtliche Flugzeugabstürze inzwischen durchaus im Bereich des Möglichen liegen und Nachrüstungen nötig sind, sei inzwischen auch bei den Behörden angekommen, bekräftigen die drei. In Grafenrheinfeld soll das 20 Meter hohe Zwischenlager deshalb an beiden Längsseiten eine zehn Meter hohe Mauer bekommen.
Der fehlende Nachweis gegen einen gezielten Absturz zum Beispiel einer Passagiermaschine und gegen den Beschuss mit panzerbrechenden Waffen hätten 2014 zur Aufhebung der Genehmigung für das Zwischenlager in Brunsbüttel geführt. Die vom Oberverwaltungsgericht Schleswig formulierten Anforderungen an die Sicherheitsmaßnahmen für Zwischenlager gelten auch in Bayern, erläutern die drei. Allerdings sind sie, wie im Fall Grafenrheinfeld, erst bei einer notwendigen Verlängerung der Genehmigung des Zwischenlagers zu berücksichtigen. Und die fällt ja erst 2046 an. „Das fragt man sich schon, was eigentlich bis dahin ist“, meint Edo Günther: Die Fachleute hätten das inzwischen begriffen, aber auf politischer Ebene sei es noch nicht angekommen.
Ein weiteres Problem sei der schwach und mittelradioaktive Müll, der beim Rückbau des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld anfällt. Er soll in Schacht Konrad (bei Salzgitter) kommen, der für 300 000 Kubikmeter Material ausgelegt ist und frühestens 2022 befüllt werden kann.
Was aber ursprünglich für den Müll aus dem Abbau von Kernkraftwerken geplant war, müsse nun erst einmal den radioaktiven Müll aus der Asse und aus Morsleben aufnehmen, mahnt Barthel. Gemeinsam mit dem Müll aus den Rückbauten wären das aber schon 600 000 Kubikmeter.
Dazu komme, so Barthel, „dass Schacht Konrad nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik gar nicht genehmigungsfähig wäre. Eine weitere Frage, die alles andere als geklärt sei.
Ein gewisses Sankt-Florians-Prinzip könne man auch dem Umgang mit dem sogenannten freigemessenen Material nicht absprechen. Das sei schwach radioaktives Material, das so lange gereinigt wurde, bis die Strahlungswerte unter dem offiziellen Grenzwert liegen. Dieser Grenzwert, so Babs Günther sei 2001, als der Atomausstieg beschlossen wurde, als Zugeständnis an die Betreiber noch einmal nach oben gesetzt worden. Keine Deponie in Deutschland würde dieses Material nehmen. Dadurch, dass es aber – entgegen aller sonstigen Gepflogenheit – nicht gekennzeichnet werden muss, komme es auf Straßen, könne zum Bau von Kindergärten und anderem benutzt werden.
Laut Barthel könne man da nur den Kopf schütteln. In jedem anderen Industriezweig gebe es Qualitätskontrollen, bei denen die Rückverfolgbarkeit der Materialien bis zu ihrer Herkunft unabdingbar seien. Das Verfahren der Rückverfolgbarkeit sei in der Industrie Standard, im Atomrecht aber gestrichen worden. Juristisch sei das Ganze schwer angreifbar, der Druck müsse aus der Politik und wie beim Atomausstieg auch aus der Bevölkerung kommen, mahnen die drei.