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WERNECK
Keltensiedlung unterm Einkaufsmarkt
Auf historischem Grund, auf dem vor 2600 Jahren bereits die Kelten siedelten, werden am Westrand von Werneck die Gemeindebürger bald ihre Einkäufe erledigen können. Im Zuge der geplanten Erweiterung des Gewerbegebietes Spitzäcker wurde eine Siedlung aus dem 4.
Solche Kegelstumpfgruben aus dem 4. Jahrhundert vor Christus fanden die Archäologen bei ihren Ausgrabungen am Rande von Werneck. Die Gruben dienten den Kelten zunächst zur Vorratshaltung, später wurden sie als Abfallgruben verwendet.       -  Solche Kegelstumpfgruben aus dem 4. Jahrhundert vor Christus fanden die Archäologen bei ihren Ausgrabungen am Rande von Werneck. Die Gruben dienten den Kelten zunächst zur Vorratshaltung, später wurden sie als Abfallgruben verwendet.
Foto: FOTO Ausgrabung Specht | Solche Kegelstumpfgruben aus dem 4. Jahrhundert vor Christus fanden die Archäologen bei ihren Ausgrabungen am Rande von Werneck.
Von unserer Mitarbeiterin Silvia Eidel
 |  aktualisiert: 16.07.2007 03:04 Uhr

Schon beim Straßenbau für die Umgehung von Werneck war im Herbst 2005 mit 39 Grabstellen eines der größten Flachgräberfelder aus der Latnezeit (4. Jahrhundert vor Christus) entdeckt worden. Allerdings war vom Staatlichen Straßenbauamt Schweinfurt der Baubeginn dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege nicht gemeldet worden, so dass etliche Gräber zerstört worden waren.

Dem wollten die Denkmalpfleger jetzt vorbeugen, zumal die Gemeinde Werneck die Aufstellung eines Bebauungsplanes für eine 1,8 Hektar große Erweiterung ihres Gewerbegebietes Spitzäcker vom Westrand des Ortes bis zur neuen Umgehungsstraße plante. Zu vermuten war, so Dr. Andreas Büttner von der Landesamt-Außenstelle Schloss Seehof, dass sich in der Nähe des Gräberfeldes weitere Gräber oder die dazugehörige Siedlung befinden. Was sich bestätigte und was in diesem Zusammenhang „einmalig in Nordbayern ist“, sagt Büttner.

Im Februar dieses Jahres führte das Amt so genannte Sondagen durch und fand auch zügig eine Bestattung an diesem Südhang der Wern innerhalb einer „moderaten Befunddichte“, wie der Wissenschaftler dies nennt. Da das Landesamt „nicht Ausgrabungsamt heißt, und Bodendenkmäler erhalten muss“, so Büttner, war auch zunächst daran gedacht, das geplante Gewerbegebiet zu verkleinern. Jetzt war der Investor für das Gewerbegebiet, die Hans Mayr Bau GmbH aus Neuburg an der Donau, am Zug, die auf dem Gelände einen Discounter, einen Vollversorger sowie Fachmärkte ansiedeln will. Sie finanziert nun die archäologische Rettungsgrabung auf 11 000 Quadratmetern, um zügig weiterzukommen.

Grabung seit Februar

Im Auftrag des Landesamtes untersucht seit Mitte Juni die Schwebheimer Grabungsfirma Specht das Hanggelände und stieß nur 100 Meter nordöstlich des Flachgräberfeldes auf die dazu gehörige Siedlung. Anhand von Pfostenspuren konnten Archäologe Oliver Specht und seine fünf Mitarbeiter Rückschlüsse auf den Grundriss der ehemaligen Häuser ziehen.

Darunter ist ein Acht-Pfosten-Gebäude, das wohl mit einem zeltförmigen Dach versehen war, erläutert Specht. Daneben gab es Gebäude mit eingebauter Herd- oder Ofenstelle, nebengeordnete Grubenhäuser, in denen Hand- oder Hauswerk ausgeübt wurde, wie auch der Fund eines Webgewichtes zeigt. Teilweise recht tiefe Gruben, so genannte Kegelstumpfgruben, dienten zunächst der Vorratshaltung, später waren sie reine Abfallgruben.

Gehöftartig gruppierte sich diese Besiedlung zur Zeit der Kelten, die Landwirtschaft auf den fruchtbaren Lehm-Löss-Böden an der Wern betrieben.

Unmengen von Keramik, teilweise auch vollständig erhaltene Gefäße förderte das Grabungsteam vor allem aus den Abfallgruben ans Tageslicht. Hier fanden sich auch zwei Gewandschließen, so genannte Fibeln, die den Wissenschaftlern eine konkrete Datierung auf die Frühlatnezeit ermöglichen.

Dialog der Toten

Auf dem Gelände stießen die Wissenschaftler zudem auf neun Brand- und Urnengräber aus noch älterer Zeit, der so genannten Hallstattzeit, in der neben Bronze das Eisen zum bestimmenden Werkstoff wurde. Diese Gräber waren um einen Grabhügel gruppiert, in dem sich eine hölzerne Grabkammer befand, die von Steinen eingefasst und überdeckt war. Unter dem Steinhaufen – das Holz ist im Laufe der 2600 Jahre verschwunden – fanden die Archäologen zwei sich gegenüber liegende Skelette sowie Keramik- und Speisebeigaben. „Vielleicht sollten sich die Toten noch unterhalten können“, mutmaßt Specht über die eigentümliche Bestattungsweise.

Für die Wissenschaftler weist die Grabkammer auf den Ortsadel hin, die anderen Siedlungsbewohner wurden nach dem Verbrennen auf dem Scheiterhaufen in Urnen- und Brandgräbern bestattet. Allerdings stehen die genauen Auswertungen dieser hallstattzeitlichen Gräber noch aus.

Was die Untersuchungen auf dem Gelände an der Straße nach Zeuzleben auch zu Tage förderten, waren Überreste der jüngsten Vergangenheit: Bombentrichter aus dem Zweiten Weltkrieg, Granaten oder amerikanische Nesquick-Tüten.

Alle historischen Funde sind mittlerweile weggeräumt, die Gräber sind leer, unterstreicht auch Grabungsleiter Specht, so dass selbst ernannte „Schatzsucher“ sicher nichts finden würden. In Kürze sind auch die Arbeiten abgeschlossen, die Gemeinde Werneck wird in der übernächsten Gemeinderatssitzung den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan fassen, so Bürgermeister Paul Heuler. Dann hätte der Investor Baurecht und die historische Siedlungsstätte verschwinden wieder im Dunkel der Geschichte.

Daten &Fakten

Die Kelten Die Ursprünge der Kelten sind nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Das indoeuropäische Volk wird in antiken Quellen auch als Gallier oder Galater oder Keltoi bezeichnet. Auf jeden Fall waren sie im 5. Jahrhundert vor Christus in Süddeutschland, der nördlichen Schweiz und im Osten Frankreichs ansässig und siedelten dann auf die Iberische Halbinsel, nach Britannien und Italien. Ihre größte Ausbreitung hatten sie in der Latne-Zeit, benannt nach einem Fundort in der Schweiz, also von 450 bis 15 vor Christus.

Grabungsleiter Oliver Specht zeigt die 2400 bis 2600 Jahre alten Funde, Keramikscherben und Tierknochen, die bei Ausgrabungen am Rand von Werneck aus Siedlungsgruben und Gräbern geborgen wurden.       -  Grabungsleiter Oliver Specht zeigt die 2400 bis 2600 Jahre alten Funde, Keramikscherben und Tierknochen, die bei Ausgrabungen am Rand von Werneck aus Siedlungsgruben und Gräbern geborgen wurden.
Foto: FOTO Silvia Eidel | Grabungsleiter Oliver Specht zeigt die 2400 bis 2600 Jahre alten Funde, Keramikscherben und Tierknochen, die bei Ausgrabungen am Rand von Werneck aus Siedlungsgruben und Gräbern geborgen wurden.
 
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