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DINGOLSHAUSEN
„Keiner verlässt seine Heimat, wenn es keine Gründe gibt“
Kinder sind ihr eine Herzensangelegenheit: Friedensaktivistin Barbara Gladysch (zwischen den beiden tschetschenischen Frauen) in Reihen engagierter Frauen des Dingolshäuser Bündnisses für Menschlichkeit, Bürgermeister Lothar Zachmann und einiger der tschetschenischen erwachsenen Flüchtlinge und Kindern.Gerald Effertz
Foto: Foto: | Kinder sind ihr eine Herzensangelegenheit: Friedensaktivistin Barbara Gladysch (zwischen den beiden tschetschenischen Frauen) in Reihen engagierter Frauen des Dingolshäuser Bündnisses für Menschlichkeit, ...

Von unserem Mitarbeiter

Gerald Effertz

 |  aktualisiert: 22.09.2014 18:11 Uhr

24 Mal besuchte die Friedensaktivistin Barbara Gladysch Tschetschenien. Sie setzte sich dort besonders für die Kinder ein. Über ihre Arbeit und warum sie seit drei Jahren nicht mehr dorthin kann, berichtete sie im Rahmen einer Veranstaltung des Bündnisses für Menschlichkeit (BFM) in Dingolshausen. Dieses Bündnis setzt sich in der Gemeinde engagiert für die hiesigen Flüchtlinge eben aus Tschetschenien ein.

„Keiner verlässt seine Heimat, wenn es keine Gründe gibt“ – Beifall als Gladysch diesen Satz sagt. Zuvor hatte sie in Form eines von ihr gedrehten Films den vielen Gästen das nahe gebracht, was vor allem Kinder in einem von zwei Kriegen gebeutelten Land erlebten.

„Wie erleben Kinder Krieg, und was passiert mit der tschetschenischen Kultur?“ stellte Gladysch die Frage in die Runde. Der Film „Die Kinder von Grosny“ (Anmerkung: Grosny ist die Hauptstadt Tschescheniens) berichtet über die vielfältigen Erfahrungen der Düsseldorferin. Eine junge Studentin im Film sagte: „Der Krieg hat die Menschen verändert.“

Sigrid Fessel-Walter vom BFM und Dingolshausens Bürgermeister Lothar Zachmann drückten aus, dass es auch für die Arbeit des BFM wichtig sei, „sich mit der Situation im Herkunftsland auseinander zu setzen“. Über das Internet habe sie von der Initiative erfahren und so reifte der Wunsch, „dass ich euch kennenlernen wollte“. Sie werde oft als Expertin für das Land Tschetschenien bezeichnet, sie entgegnet aber: „Ich kann nur das weitergeben, was ich gesehen, gehört und gefühlt habe.“ Das Sehen, Hören und Fühlen beflügelte sie, sich dort einzusetzen. So sammelte sie beispielsweise viele Spenden, um dort helfen zu können.

Im Jahr 2011 war sie allerdings „leider das letzte Mal in Tschetschenien“, denn mittlerweile werde sie dort als „Spion“ gesehen, man überwache sie, beobachte, was sie tue. Ihre begonnene Arbeit wird aber dort durch Einheimische fortgeführt, über diese wird sie in E-Mails auf dem Laufenden gehalten.

„Wie sieht es heute in Grosny aus?“, fragt einer der Zuhörer. „Es gibt dort wenig Arbeitsplätze, es wird Handel getrieben, meist mit Waren aus minderwertigem Material“, berichtete Gladysch.

Und weiter: „Es gibt ziemlich viele Arme und auch Reiche, die dem Kadyrow-Clan angehören“. Zur Erklärung: Ramsan Kadyrow ist seit Herbst 2010 Oberhaupt von Tschetschenien.

Gladysch war es oft möglich, Flüchtlings-Erzählungen beispielsweise bei Behörden mit Fotos und Beweisen zu belegen. „Das geht heute gar nicht mehr“, so die Aktivistin. Auch das Fernsehen „bekleistere die Menschen einseitig“. Die Bilder „prägen, formen einen Menschen“, machte Gladysch deutlich. Viele gebildete Menschen hätten zudem das Land in Richtung Ausland verlassen.

„Ihr habt ein wahnsinniges Glück“, so Gladysch zu den Flüchtlingen in Dingolshausen. Sie beschrieb daraufhin Situationen für Flüchtlinge in anderen Orten. Gladysch sprach auch das Thema „Kirchenasyl“ an. Eine Aktion, die es in Dingolshausen gab und welche in einer Großstadt ihrer Meinung nach nicht möglich wäre.

Auch nach dem offiziellen Ende des Vortrags nahm sich die Referentin noch viel Zeit für Gespräche, insbesondere mit den in Dingolshausen gestrandeten Flüchtlingen. Die tschetschenischen Frauen sorgten derweil für landestypische Speisen. Hinzu kamen auch noch ergreifende Bilder eines 15-jährigen Jungen aus Tschetschenien die ausgestellt waren. Auf diesen spiegeln sich dessen Erlebnisse von Krieg, Leid, Traurigkeit und vielem mehr wieder. Wie klein diese, unsere Welt ist, zeigte sich als einer der Dingolshäuser Flüchtlinge erzählte, dass er diesen Jungen kenne.

Person & Projekt

Barbara Gladysch Die Düsseldorferin, Jahrgang 1940, setzt sich stark für tschetschenische Kinder ein. Sehr oft war sie zu Besuch in Tschetschenien und hierbei besonders in der Hauptstadt Grosny. Sie ist Trägerin des Bundesverdienstkreuzes am Bande. Über ihre Arbeit berichtet unter anderem der Film „Die Kinder von Grosny“. 1997 wurde ihr der sogenannte Jan-Wellem-Ring der Stadt Düsseldorf verliehen. Aus Protest über die Haltung des damaligen Bürgermeisters der Stadt Düsseldorf zu einer Solidaritätsaktion in Bezug auf Tibet, gab sie ihn 2008 zurück. Gladysch ist auch Autorin des Buches: „Die kleinen Sterne von Grosny“. Aktuelles Projekt In Tschetschenien hat Gladysch durch ihre Arbeit viele Unterstützer gefunden, die nun ihre begonnene Arbeit fortführen. Sie selbst steht unter Beobachtung und kann nicht mehr nach Tscheschenien einreisen. Sie wird per E-Mail auf dem Laufenden gehalten. Text: eff

 
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