
Die Sage vom Spatzenkrieg geht lange zurück, bis ins Jahr 1746/47. Und sie wurzelt in einem wahren Ereignis, denn Sage ist nicht gleich Märchen. Im Gegensatz zu Dornröschen, Aschenputtel und Co. steckt hinter den Sagenhelden meist eine wahre Figur und hinter den Erzählungen ein wahrer Kern, so sehr er auch verwischt sein mag.
Damit werden die Erzählungen gewissermaßen zu mündlicher Geschichte. Im ersten Teil unserer Reihe widmen wir uns dem Spatzenkrieg und einer dazu gehörigen Sage, die im heutigen Bergrheinfeld spielt.
Im Hochstift Würzburg, so die Erzählung, gibt es um 1746 immer mehr Klagen der Bewohner gegen die Spatzen. Sie würden die Felder und Gärten ruinieren und wären daher nicht mehr zu ertragen. Also ruft Fürstbischof Karl von Schönborn zum „Spatzenkrieg“ auf. Wer sich weigert, die befohlene Zahl von Spatzen zu fangen, zahlt für jeden fehlenden Kopf ein Bußgeld. Zwar sind Gewehre und Schlingen verboten, aber mit Töpfen, Netzen und Fallen, so die Sage, tötet die aufgehetzte Bevölkerung innerhalb kürzester Zeit Scharen von Spatzen.
An diesem Punkt aber treten die Helden auf. Denn vier Bergrheinfelder, Untertanen des Deutschordens, weigern sich, an der Jagd teilzunehmen. Zur Strafe landen sie vor Gericht. Aber niemand ist sicher, wie man die vier Verweigerer bestrafen sollte.
Während die Angeklagten noch im Prozess sind, tritt ein unverhofftes Ereignis ein: Der Fürstbischof stirbt. Und die Berger Vier werden frei gesprochen. Durch ihr couragiertes Auftreten gelingt es ihnen, zahlreiche Spatzen vor dem Tod zu bewahren.
Was steckt hinter dieser Geschichte? Es ist mehr als die simple Erzählung über vier Naturfreunde und den bösen Fürstbischof. Denn laut Heimathistoriker Karl Schöner ist der Prozess um die Berger Vier urkundlich belegt.
Es gab tatsächlich vier Ordensmitglieder, die sich dem Befehl widersetzten und sich weigerten, Spatzen zu töten. Auch der Spatzenkrieg selbst ist Fakt, nicht Fiktion, so abenteuerlich er auch klingen mag. Um diese Zeit gab es eine ganze Reihe von Spatzenkriegen oder Spatzenjagden, die sich im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation abspielten.
Aufgerufen hatte dazu König Friedrich der Große. Der berühmte preußische König, bekannter noch unter seinem Spitznamen „der Alte Fritz“, war – wie die FAZ in einem Artikel berichtet – 1744 der erste, der ein Kopfgeld auf Spatzen aussetzte. In den folgenden Jahren schlossen sich viele Herzöge, Fürsten und Bischöfe an. In einer Verordnung, die das Antiquariat Lüder H. Niemeyer 2008 zum Verkauf bot und die vom Schwager des Alten Fritz, Karl I., stammen soll, heißt es: Die Waffen zur Vogeljagd sollten besser bekannt gemacht werden, damit „diese so schädlichen Vögel mit weniger Mühe und in großer Menge weggefangen werden können.“
Viel Wahres dran
Eine regelrechte Jagd-Euphorie herrschte quer durch die deutschsprachigen Gebiete: In Texten wie der „Dreyfachen Schrift betreffend die Ausrottung der Krähen und Sperlinge“ wurde über die Auslöschung debattiert, Beamten sollen der Bevölkerung die Fangmethoden erklären und in Würzburg und Bamberg rief der Fürstbischof zur Spatzenjagd auf.
Denn auch die Figur des Bischofs in der Sage ist keineswegs eine Erfindung: Der Mann, der dort als Karl von Schönborn betitelt ist, geht auf die historische Figur Friedrich Karl Reichsgraf von Schönborn-Buchheim zurück, seines Zeichens Fürstbischof von Würzburg und Bamberg. Und tatsächlich starb er im Jahr 1746: Zu früh, um den Berger Vier noch den Prozess machen zu können. In der Sage, die Dr. Fridolin Solleder Anfang des 20. Jahrhunderts festhielt, bleibt seine Geschichte jedoch lebendig.
Der Spatzenkrieg im Landkreis ebbte bald nach seinem Tod ab. Und auch für den Alten Fritz, Ausgangspunkt der Jagd, fand die Angelegenheit ein jähes – und ziemlich blamables – Ende. Denn wie die FAZ berichtet, kam es nach den Spatzenjagden plötzlich zu großen Insektenplagen. Und dem König ging langsam auf, dass die „schädlichen Vögel“ über all die Jahre wohl recht erfolgreich die Insektenbevölkerung klein gehalten hatten.
Um die Insektenplage zu beseitigen, gab es nur ein Mittel: Der Alte Fritz ließ für teures Geld aus dem Ausland neue Spatzen heranschaffen.
Lesetipp: Karl Schöner: Sagenschatz des Landkreises Schweinfurt, Franz Teutsch GmbH, 13,50 Euro.
Serie Sagen
Die Nibelungen-Sage oder die Artus-Sage haben zig Bücher und Verfilmungen inspiriert. Aber gute Stoffe finden sich auch direkt vor der Haustür. In unserer neuen Serie befassen wir uns mit Sagen aus unserem Landkreis. Denn auch die Hintergründe können spannend sein. Denn oft steckt hinter dem Erzählten ein wahrer Kern. Wir fragen: Welches Ereignis steckt hinter der Sage? Welche Geschichte rankt sich um Ruinen, Kreuze, Landschaften? Ernstes, Skurriles, Bekannteres und Unbekannteres aus dem Landkreis.