
Immer mehr bürokratische Hindernisse, immer größere Auflagenflut und keine Planungssicherheit mehr bei ihren Vorhaben beklagen die Landwirtinnen und Landwirte. Gerade die Tierhalter kritisieren, dass ihre Ställe wegen immer wieder neuer gesetzlicher Standards in kurzen Zeiträumen umgebaut werden müssen, mit hohen Investitionen. Bäuerliche Betriebe auch in der Region sehen keine Perspektive mehr, mit der Folge, dass Lebensmittel von immer weiter her geschafft werden.

Das alljährliche "Stallgespräch" des Bayerischen Bauernverbands mit den Medienvertretern nutzten die Verantwortlichen des Kreisverbands Schweinfurt, BBV-Kreisobmann Michael Reck und BBV-Kreisbäuerin Barbara Göpfert, um vor allem auf diese Problematik auch mit Folgen für den Verbraucher hinzuweisen. Denn während beispielsweise in Deutschland erzeugtes Schweinefleisch noch mehr als 100 Prozent des eigenen Bedarfs deckt, ist der Selbstversorgungsgrad in Bayern schon nicht mehr gegeben.
Selbstversorgungsgrad in Bayern schon nicht mehr gegeben
Bei der Ferkelerzeugung liegt er aktuell nur noch bei 73 Prozent. "Die Ferkelproduktion verlagert sich in andere Länder", weiß BBV-Kreisgeschäftsführer Klaus Pieroth. Dort sind die Vorschriften, etwa bei der Ferkelkastration, weniger streng, die Handhabung weniger teuer und aufwändig.
Am Rand von Wetzhausen bei Stadtlauringen gibt es noch einen der wenigen Betriebe für Muttersauen mit Ferkelaufzucht. Nur noch 27 Zuchtsauenhalter gibt es überhaupt im Landkreis Schweinfurt, zehn weniger als noch 2019. Die Geschwister Jürgen Schmidt und Ulrike Ames führen den Familienbetrieb mit 100 Hektar Fläche. Ihre Eltern hatten ab 1980 den Betrieb außerhalb des Ortes ausgesiedelt und sukzessive den Schweinestall gebaut, erweitert, umgebaut, erneuert. Dort, am fast zwei Hektar großen Stallgelände, hat die Tochter, studierte Landwirtin, auch ihr Wohnhaus.
Vorzeigeprojekt des Bundeslandwirtschaftsministeriums schon wieder veraltet
Den letzten Neustall bauten die Geschwister 2019 mit hohen Investitionen: Als Vorzeigeprojekt des Bundeslandwirtschaftsministeriums und als Demonstrationsbetrieb für Tierschutz, mit mehr Platz als sogar bei Biobetrieben vorgeschrieben, nämlich mit 4,6 Quadratmeter pro Zuchtsau im Deckstand. "Wir fühlen uns schon immer dem Tierwohl verpflichtet", erklärt der 35-jährige Landwirtschaftsmeister Jürgen Schmidt.
Nur ein halbes Jahr später, 2020, wurden aber aufgrund einer seit 2015 anhängigen Klage die vorgeschriebene Quadratmeterzahl nach oben korrigiert: auf fünf Quadratmeter pro Zuchtsau. "Wir haben vorher keine Beratung vom Amt erhalten und wir haben ja sogar mit dem Ministerium gebaut", ärgert sich Schmidt. Bis 2035 gilt noch eine Übergangsfrist.
Spalten im Sauenstall zwei Millimeter zu groß
Bis in den vergangenen Sommer hatte der Betrieb 420 Muttersauen und 2000 Ferkelaufzuchtplätze. Dann aber stieg wegen des Ukrainekriegs der Getreidepreis, sodass der Mäster, der Schmidts Ferkel abnimmt, diese wegen des zu teuren Futters nicht mehr in vollem Umfang zur Mast aufstellte. Die Ferkel selber im eigenen Sauenstall zu mästen, war nicht möglich, "weil dort die Spalten im Boden zwei Millimeter zu groß sind", verdeutlicht Schmidt die Vorschriften.

Über 50 Muttersauen mussten vom Betrieb verkauft werden. "Das ist schmerzhaft, wenn die verladen werden", beteuert Ulrike Ames. "Das ist ja keine anonyme Herde, wir kennen doch unsere Tiere, wir sind jeden Tag 24/7 im Stall und tragen die Verantwortung für sie".
Weil es "unsere Leidenschaft ist", wie sie sagt, haben sich die Geschwister entschieden, wieder neu mit der Schweinehaltung anzufangen. Und weil die Gebäude eben vorhanden sind. Künftig werden hier Tiere mit der Haltungsform 3 – mit Außenklimareizen, also einem zu einem Drittel geöffneten Stall und mehr Platz – gehalten. Was nach 2019 schon wieder einen Stallumbau und eine neue Strohhalle für viel Geld bedingt. Obwohl die vorherige Investition noch längst nicht abbezahlt ist.
Lidl schon wieder aus dem Tierwohl-Konzept ausgeschert
Den aktuellen gesetzlichen Vorgaben entspricht übrigens die Haltungsstufe 1: Für die Mast heißt das Stallhaltung mit einer Mindestfläche von 0,75 Quadratmeter pro Tier. Nur noch 100 Sauen werden dann im Stall stehen, und statt reiner Ferkelerzeugung sollen die Tiere ihren gesamten Lebenszyklus dort bleiben, sprich: gemästet werden. Wofür 1000 neue Mastplätze nötig sind.
"Ich muss wegen der gesetzlichen Änderung in ein Label gehen", verdeutlicht Schmidt die Entscheidung für Haltungsform 3 mit der Hoffnung, für den Mehraufwand auch mehr zu erlösen. Am Weltmarkt und schon innerhalb der EU zu konkurrieren, funktioniere nicht.

Ob die Rechnung aufgeht, kann auch Kreisobmann Reck nur hoffen. Angesichts der Millioneninvestitionen in den vergangenen 20 Jahren und der aktuellen Umbauten ist das Risiko da. Er weiß, dass Discounter Aldi zwar angekündigt hat, bis 2030 sein Frischfleisch-Sortiment auf die Haltungsformen 3 und 4 umzustellen. "Aber nur das Frischfleisch, keine Wurst", sagt er. Zudem sei Lidl schon wieder aus diesem Tierwohl-Konzept ausgeschert. "Weil das Fleisch vom Verbraucher nicht gekauft wird".
Solche bäuerlichen Betriebe, die beileibe keine Massentierhaltung darstellten, und solche Kleinstrukturen müssten geschützt werden, sagte Kreisbäuerin Göpfert. "Sonst haben wir nur noch ganz andere Größenordnungen".