zurück
Oberwerrn
Keine Blumen vom Gärtner, aber von Norma
Gartenbaubetriebe und Floristen prangern die Wettbewerbsverzerrung mit Supermärkten und Discountern an.
Selbstbedienung bei Blumen, wie sie hier gut funktioniert: Ein zufällig vorbeikommender Fahrradfahrer nimmt bei Blumen Spath in Oberwerrn Pflanzen mit und wirft das Geld in die Vertrauenskasse.
Foto: Silvia Eidel | Selbstbedienung bei Blumen, wie sie hier gut funktioniert: Ein zufällig vorbeikommender Fahrradfahrer nimmt bei Blumen Spath in Oberwerrn Pflanzen mit und wirft das Geld in die Vertrauenskasse.
Silvia Eidel
 |  aktualisiert: 06.04.2020 02:10 Uhr

In allen Farben locken Primeln oder Osterglocken derzeit vor Supermärkten und Discountern zum Kauf. Dagegen dürfen heimische Gärtnereien und Blumengeschäfte in Bayern ihre oft selbst produzierten Pflanzen nicht verkaufen, wegen der Ausgangsbeschränkungen zur Corona-Krise. "Wettbewerbsverzerrung" nennen dies die betroffenen Gärtner, oder auch einen "Affront" der bayerischen Staatsregierung, die jetzt sogar die Selbstbedienungsmöglichkeiten vor den Gärtnereien gegen Vertrauenskasse verboten hat.

Jeder Tag in dieser Krise ist anders – in Bayern. Anfangs der Woche war es den Gärtnereien und Blumenläden noch erlaubt, ihre Pflanzen wenigstens auf sogenannten "To Go"-Ständen zum Verkauf anzubieten, ohne Bedienung und Beratung, versteht sich. Also ohne direkten Kontakt zum Kunden. Was auch im Landkreis Schweinfurt einige Gartenbetriebe so handhabten. Seit 1. April ist aber auch dieser kleine Ausweg untersagt. "Ausschließlich Lieferwege dürfen die Betriebe nutzen", gibt der Bayerische Gärtnerei-Verband die Order der Staatsregierung wider.

"Situation wird schamlos ausgenutzt"

Dessen Geschäftsführer Jörg Freimuth ist im Gespräch mit der Redaktion hörbar aufgebracht. "Prinzipiell nehmen wir die Supermärkte als Wettbewerber an", sagt er. "Aber jetzt wird die Situation von ihnen so schamlos ausgenutzt". Er nennt als Beispiel eine aktuelle Werbung von Norma, in der ausschließlich Blumen und Pflanzen angepriesen werden – ohne einen Hinweis auf den eigentlich nötigen Lebensmittelverkauf. "Die sind privilegiert".

Es sei ein doppelter Affront, eine Beleidigung für die Gartenbetriebe: Dass die Staatsregierung dies zulasse und dass der Handel – von Edeka über Rewe bis Aldi, Lidl und Netto – so agiere. "Wir haben dies gegenüber dem bayerischen Wirtschafts- und dem Landwirtschaftsministerium sehr deutlich gemacht", sagt er. Eine Erklärung habe man nicht bekommen. Auch nicht darüber, warum in Österreich, aber auch in den angrenzenden Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen, ja in allen Ländern außer in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern Gärtnereien und Blumengeschäfte sowie Baumärkte öffnen dürften.

Pflanzen aus eigener Produktion

"Wir produzieren unsere Pflanzen und Blumen selber", gibt Gärtnermeister Rupert Benkert aus Waigolshausen an. Das bedeutet, dass ab Herbst die Arbeit für die Frühjahrsblumen beginnt, dass Zeit, Personal, Energie, Heizung und Düngung investiert wurden. Wenn dann die Ernte für ein halbes Jahr Arbeit nicht eingefahren werden könne, sei das fatal.

Die Ausgangsbeschränkung, die er grundsätzlich befürwortet, so Benkert, treffe auch seinen Betrieb hart. Denn der Hauptumsatz werde hier, wie in allen Gartenbetrieben, zwischen März – um Ostern herum – bis etwa Pfingsten, also Ende Mai, Anfang Juni generiert. "Wenn da 40 Prozent des Jahresumsatzes wegbrechen, trifft uns das natürlich." Einen Großteil der Primeln habe er jetzt schon verschenkt, vieles müsse er wegwerfen, es sind ja verderbliche Produkte.

Auch Benkert hat für einige Tage vor seiner Gärtnerei bunt gemischte Kisten mit Blumen zum Verkauf angeboten. Die Kunden sollten den Kaufpreis in eine bereit gestellte Kasse legen. Er hoffte auf die Ehrlichkeit der Käufer, weiß aber inzwischen, "dass die Rechenkünste mancher Leute nicht so toll sind". Für ihn geht die Arbeit derzeit weiter: "Wir müssen für Sommer und Herbst produzieren", hofft Benkert auf Normalität ab Ende April.

Große Märkte und Ketten überleben diese Krise

Seinem Ärger über die Ungleichbehandlung von Supermärkten und Blumengeschäften macht auch Klaus Spath in Oberwerrn Luft. Er hatte ebenfalls vor seinem Geschäft Blumen in einem Selbstbedienungsbereich angeboten. Auf einem Schild beschreibt er die Situation und ergänzt, dass die Lebensmittelmärkte auch Kleidung, Sportartikel oder Fahrräder verkaufen dürfen. "Damit schaden sie den kleinen Einzelhändlern vor Ort sehr. Große Märkte und Ketten überleben diese Krise. Der kleine Familienbetrieb um die Ecke kämpft aber um das Überleben".

"Ich hoffe auf die Unterstützung der Leute vor Ort", sagt Spath. Denn wenn ein Gartenbaubetrieb sterbe, dann werde er auch später nicht wieder eröffnet. Man müsse den Leuten, die jetzt im Supermarkt Blumen kaufen, bewusst machen, wer ihnen später einen Trauerkranz oder eine Brautstrauß binden soll.

Auch Jörg Freimuth vom Gärtnerei-Verband prophezeit, dass zehn bis 15 Prozent der Betriebe aufhören müssen. Und wenn nach dem 19. April die Ausgangsbeschränkung weiter bestehe, würden es 20 Prozent, "und jede weitere Woche noch mehr". Gerade im Landkreis Schweinfurt gebe es noch viele Produktionsbetriebe, die die gleichen Kosten hätten wie Industriebetriebe. "Was da an Strukturen wegbrechen wird, ist nicht wieder zurückzuholen".

Lieferservice als Zeitfresser

Er bezeichnet seine Branche als keine, die sonst "gleich schreit". Man überlege erst, was man selbst tun könne. Etwa die Hälfte aller Gärtnerbetriebe biete jetzt Lieferservice. "Das kompensiert vielleicht zehn bis 20 Prozent des Umsatzes", sei aber ein extremer Zeitfresser. Und die Darlehen, die jetzt im Sofortprogramm für die Firmen angeboten würden, seien in seinen Augen keine Wirtschaftshilfe, sondern stabilisierten nur die Banken.

Was den Gärtnerei-Vertreter besonders empört, ist, dass nicht einmal Gemüsejungpflanzen verkauft werden dürfen. "Das sind doch auch Lebensmittel". Alles werde mit der Ausgangsbeschränkung begründet und den triftigen Gründen, für die das Haus verlassen werden darf. Und darunter falle nicht der Einkauf von solchen Pflanzen in Gärtnereien. "Eigentlich dürfte kein bayerischer Bürger über die Grenze ins nächste Bundesland fahren und dort solche Produkte einkaufen, weil das illegal ist", sagt er. "Aber da kontrolliert die Polizei nicht."

Bis 1. April gab es vor einigen Gärtnereien und Blumengeschäften, wie hier bei Blumen-Spath in Oberwerrn, noch Selbstbedienungsbereiche mit Vertrauenskassen. Sie sind mittlerweile auch untersagt worden.
Foto: Silvia Eidel | Bis 1. April gab es vor einigen Gärtnereien und Blumengeschäften, wie hier bei Blumen-Spath in Oberwerrn, noch Selbstbedienungsbereiche mit Vertrauenskassen. Sie sind mittlerweile auch untersagt worden.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Oberwerrn
Waigolshausen
Silvia Eidel
Aldi Gruppe
Baumärkte
Blumen
Blumenläden
Edeka-Gruppe
Einzelhändler
Gartenbaubetriebe
Gärtnereien
Kunden
Lebensmittelmarkt
Lidl
Polizei
Rewe Gruppe
Sportartikel
Supermärkte
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • C. J.
    DANKE, dass Sie eine Problematik publik machen, die Vielen nicht bewusst ist. Wir selbst -Gartenbaubetrieb im Haßbergkreis- sind auch betroffen. Meine Tochter hat vor einer Woche in einem Telefonat mit Landtagsabgeordneten Steffen Vogel, die Situation ausführlich erläutert. Fazit des Gesprächs: „Es gibt doch Soforthilfen!“ Hilfen sollten aber auch helfen, was in dieser Branche, aufgrund des aktuellen Saisongeschäfts, nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Es muss doch Jedem klar sein, dass ein Unter-nehmen, dass im April/Mai einen Großteil seines Jahresumsatzes macht, Einbußen dieser Art durch Soforthilfen nicht annähernd kompensieren kann. Völlig unverständlich, dass in Thüringen (Luftlinie 10 km), für Gärtnereien eine Aufhebung der Ladenschließung erfolgte. Warum in Bayern nicht? Hier verkaufen Supermärkte Blumen u. Pflanzen, der Erzeuger darf dies nicht und muss diese vernichten. Makaber!
    Bleiben Sie bitte beim Thema am Ball. Viele Existenzen stehen auf dem Spiel!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • E. R.
    Frage an die Bayerische Staatsregierung ?? Ich möchte meinen Salat und Gemüse in meinem Garten selbst anbauen. Habe die nötigen Pflanzen immer gekauft. Jetzt ist das in Bayern verboten. Werde wenn möglich nach Hessen oder in ein anderes Bundesland ausweichen müssen. Bei diesen Gesetzen in Bayern sind wir wieder mal die gelackmeierten. Es tut weh von solchen Leuten regiert zu werden. Quo Vatis Bayern.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. W.
    Meine Güte ... dann bauern Sie halt heuer mal nichts an ... geht davon die Welt unter? Nein! Aber bitte, gehen Sie raus, stecken Sie sich an und dann stecken Sie andere an ... sehr egoistisch ... wirklich ...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • C. J.
    Gegenkommentar zu rene2907
    Sie haben es leider nicht oder falsch verstanden. Die Pflanzen sind bereits prodzuziert, haben einiges an Kosten verursacht, dürfen nicht verkauft werden und müssen daher Großteils kompostiert werden. Angenommen Sie bauen sich ein Haus.
    Würden Sie Ihren Rohbau wieder einrissen und im nächsten Jahr mit dem noch brauchbaren Materialien von vorne beginnen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • P. S.
    . . . und an Sonn- und Feiertagen dürfen "Fliegende Händler" unter Sonnenschirmen an Bundesstraßen Blumen verkaufen, ebenso Tankstellen. Gärtnereien nur beschränkt oder gar nicht.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. L.
    Es ist unbegreiflich, welcher Irrsinn hier von den bay. Staatsregierung betrieben wird.

    Offenbar soll auch dieser Markt im großen Stil bereinigt werden, damit nur noch die industriellen Großanbieter zum Zuge kommen. Der Mittelstand ist der DUMME!

    Wann regt sich endlich Widerstand bei den Bürgern, damit dieser übertriebene Zustand aufhört??

    Die Menschen lassen sich nicht einsperren. Niemals!!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten