Wer in Gerolzhofen an eine Bücherei denkt, der hat als erstes die große Stadtbibliothek in der Spitalstraße im Kopf. Dass es aber auch eine zweite öffentliche Bücherei gibt, die zudem schon deutlich länger existiert, das ist vielen nicht bewusst. Zumal die katholische Pfarrbücherei, um die es geht, etwas abseits im Caritas-Wohnstift Steigerwald im Philipp-Stöhr-Weg untergebracht ist. Dort hat sie vor einigen Jahren eine Art Notunterkunft gefunden. Doch im Nachhinein betrachtet hat sich dies für die Katholische öffentliche Bücherei (KÖB), wie sie offiziell heißt, sogar als Glücksfall erwiesen. Auch die Corona-Pandemie hat sie mit Einfallsreichtum gut überstanden.
In ihrer 80-jährigen Geschichte hat die KÖB schon einige Umzüge erlebt – und überlebt. In der jüngeren Vergangenheit war sie in der Salzstraße zunächst im Pfarrhaus, dann im Nachbarhaus. Als dort das Pfarrbüro einzog, zog die Pfarrbücherei weiter ins Pfarrer-Hersam-Haus direkt dahinter. Als dieses zum Großteil abgerissen und neu gebaut wurde, ging die Reise der KÖB vor gut zehn Jahren weiter, ins Caritas-Wohnstift.
Im Wohnstift leben einige der treuesten Leserinnen und Leser
Zunächst sah dies nicht nach einer Dauerlösung aus. Doch der Standort dort, im Bereich des Wintergartens zwischen Alt- und Neubau, hat sich seitdem durchaus bewährt, berichten Ursula Dietz, Ulrike Merkel und Helene Vorndran, die die KÖB ehrenamtlich betreuen. Denn einerseits kommen nicht wenige der etwa 150 Leserinnen und Leser, die die Bücherei nutzen aus den umliegenden Wohngebieten. Zum anderen ist die Bücherei eine Bereicherung für die Menschen, die im Wohnstift leben. Von dort kommen manche der treuesten Bücherfreunde.
Gezeigt hat sich dies nach Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020. Nachdem das Wohnstift keine Besucher mehr eingelassen hat, musste auch die dortige Bücherei zwangsläufig ihren Betrieb einstellen. Doch die Bewohnerinnen und Bewohner aus dem Wohnstift hatten weiter freien Zugang zu den Büchern – und nutzten diese gerne.
Mitarbeiterinnen verlegen Ausleihe wegen Corona ins Freie
Bis heute beeinflusst die Pandemie den Büchereibetrieb, da für den Zutritt ins Wohnstift ein negativer Corona-Test notwendig ist. Doch die drei Damen der KÖB wissen sich zu helfen: Seit Monaten räumen sie immer mittwochs, zur Öffnungszeit, ein Sortiment an nachgefragter Lektüre und eine gute Auswahl der neusten Bücher ins Freie, vor den Eingang zum Wohnstift. Auf diese Weise hat die KÖB weiter geöffnet, Leserinnen und Leser werden betreut, haben Ansprechpartner vor Ort, und die Ausleihe funktioniert weiter.
Mit Beginn der Pandemie haben die Betreuerinnen zudem einen Bring-Service für Bücher auf die Beine gestellt: Sie bringen gewünschte Bücher auch zu den Leserinnen und Lesern nach Hause und nehmen die Rückgaben gleich mit. Dies funktioniert per telefonischer Bestellung und hat sich bestens bewährt.
Rückgabe der Bücher erfolgt unkompliziert über eine Box
Wer im Wohnstift zuhause ist, kann sich jederzeit aus den frei zugänglichen Buchregalen bedienen. Dasselbe gilt für Besucher des Wohnstifts. Die Rückgabe erfolgt dann über eine bereitstehende Box und die Mitarbeiterinnen der KÖB übertragen dann den Ausleihschein in die Kartei. "Manchmal stellen Bewohner ein Buch aber auch einfach wieder direkt ins Regal zurück", erzählt Helene Vorndran. Das mache auch nichts, nur werde dann die Ausleihe halt nicht verbucht.
Die Ausleihe wird ohne Computer verwaltet, erklärt Ursula Dietz. So gibt es auch keinen Scanner, was den Menschen im Wohnstift den einfachen Zugang zu den Büchern überhaupt erst ermöglicht. Allerdings gibt es mittlerweile ein Inventarverzeichnis, das auf einem Laptop geführt wird.
Jedes Jahr kommen etwa 250 Bücher neu hinzu und alte verschwinden
Der Bestand der KÖB umfasst keineswegs lauter alte Schinken. Der Bestand von rund 3000 Büchern wird stets erneuert, und alte Bücher werden aussortiert, auch wegen des begrenzten Platzes. "Eine Bücherei ist dann gut, wenn alle Bücher im Sortiment ausgeliehen werden", erklärt Ursula Dietz. Immer nehmen sie und ihre beiden Kolleginnen auch gespendete Bücher an, wenn diese ins Sortiment passen. Doch pro Jahr werden auch etliche Bücher neu gekauft, so dass jährlich circa 250 Bücher neu hinzukommen.
Die Verantwortlichen schauen bewusst darauf, dass die angeschafften Bücher den Geschmack der Leserschaft, in der Frauen die Mehrheit bilden, trifft. Beliebt seien vor allem Regionalkrimis. "Sie müssen schnell zu lesen sein", sagt Ursula Dietz. "Und es darf in den Krimis nicht nur um Mord gehen", ergänzt Ulrike Merkel. Es komme auch auf das Drumherum an: um die Beziehung der Protagonisten zueinander, um das Menschliche und Zwischenmenschliche, auch um Liebe und Liebschaften. Geschichten wie die aus dem Fernsehen bekannten Rosenheim Cops seien beliebt.
Bücher auf Kitsch-Niveau sind im Bestand nicht zu finden
Auch Biografien in Form von Romanen, die oft geschichtliche Themen interessant verpacken, würden gerne ausgeliehen und gelesen. Strandbücher und leichte Lesekost, die trotzdem ansprechend ist und nicht auf das Niveau von Kitsch-Literatur abrutscht – in diesem Umfeld orientiert sich die Einkaufsliste der KÖB im Bereich der Belletristik.
Zeitschriften sind dort bis auf ein paar Exemplare in einem eigenen Regal nicht zu finden. Ebenso fehlen Jugendbücher, für die in der überwiegend älteren Leserschaft einfach das Publikum fehlt. Kinderbücher gibt es im Sortiment dagegen ganz bewusst: Diese würden von Bewohnerinnen und Bewohnern des Wohnstifts immer wieder gerne geholt, wenn Enkelkinder zu Besuch kommen, erklärt Ursula Dietz.
Ebenfalls zu den Aufgaben, die die Betreuerinnen der KÖB freiwillig übernommen haben, zählt der Bücherkoffer in der Stadtpfarrkirche neben dem Zeitschriftenstand unter der Empore. Dort kann jede und jeder Bücher abgeben und sich welche mitnehmen.
Religiöse Bücher machen nur einen kleinen Teil des Bestandes aus
Dass sie trotz der großen und gut ausgestatteten Gerolzhöfer Stadtbibliothek weiter eine Daseinsberechtigung haben, davon sind die Verantwortlichen der KÖB mit Blick auf ihre Leserinnen und Leser überzeugt. Sie würden auch Themenbereiche abdecken, die anderswo nicht so stark im Blick stünden, beispielsweise Bücher, die das Thema Demenz in Form eines Romans behandeln. Obwohl sie eine katholische Bücherei sind, würden Bücher mit religiösen Inhalten nur einen kleinen Teil des Bestands ausmachen, erklärt Ulrike Merkel.
Wünschenswert wäre es aus Sicht des KÖB-Teams, wenn sich die Zahl der Leserinnen und Leser von außerhalb des Wohnstifts wieder erhöhen würde. "Viele wissen offensichtlich gar nicht mehr, dass es uns noch gibt", stellt Helene Vorndran fest. Sie und ihre beiden Kolleginnen würden sich auch freuen, wenn sich noch jemand findet, der ehrenamtlich in ihrem Team mithilft.