Kommt er nun dauerhaft zurück in die deutsche Politik – oder nicht? Auf die Frage, deren Beantwortung die Leute am meisten interessiert, reagiert der sonst so coole Karl-Theodor zu Guttenberg eher unwirsch. Er habe alles zum Thema gesagt und wolle seine „Dementis“ nicht ständig wiederholen müssen, sagt der ehemalige Bundesminister. „Es gibt genügend gute Leute in der CSU, da wird keiner mehr gebraucht“, legt der 45-Jährige nach. Und drängt zum Ausgang. Für die Wahlveranstaltung in Schweinfurt, seine neunte und letzte in diesem Wahlkampf, war er eigens noch mal aus New York herübergeflogen.
Warum er das tut, warum er für einen Tag nach Franken fliegt, habe er seinen Töchtern erklären müssen, sagt Guttenberg zu Beginn seiner Rede vor rund 1100 Zuhörern. Weil er es der Bundestagsabgeordneten Anja Weisgerber zugesagt habe, sagt er. Und weiter: „Jetzt bin ich nicht mehr in der Politik, da muss man gelegentlich auch mal ein Versprechen halten.
“ Das ist die Linie: Guttenberg kokettiert nicht nur mit seinem nach der Plagiatsaffäre erzwungenem Ausstieg vor sechs Jahren, er kokettiert auch mit seiner Rolle, als einer, der eigentlich gar nicht mehr zum Politikbetrieb dazugehört, der den neutralen Beobachter von außen mimt.
Lässig kommt der Politiker daher
Dreitagebart, offenes weißes Hemd, Jeans, legeres Sakko, eine Hand in der Hosentasche: Lässig kommt zu Guttenberg daher. Vor allem aber ist er ein klasse Redner. Eindreiviertelstunden hält er die Zuhörer in Bann, die sprichwörtliche Stecknadel könnte man hier tatsächlich fallen hören. Keinerlei Unruhe kommt auf, dabei müssen viele ob des Andrangs im Konferenzzentrum auf der Maininsel stehen. Kaum ein Politiker schafft so etwas. Bundeskanzlerin Angela Merkel brachte es neulich in Bad Kissingen gerade mal auf 35 Minuten Rede.
Große politische Neuigkeiten verkündet der Redner nicht. Aber unterhaltsam ist er. Wenn er US-Präsident Donald Trump abwechselnd als „Trampel“, „blonden Kaschperl“ oder „Wüterich aus Washington“ tituliert, hat er die Lacher auf seiner Seite. Lange nimmt er die Weltpolitik ins Visier. Neben Trump und den sozialen Problemen in seiner Wahlheimat USA sind Nordkorea, Russland, die Türkei, Frankreich und der Brexit Thema. Angesichts der Unsicherheiten in der Welt könnten wir Deutsche – „bei allem berechtigten Jammern im Einzelfall“ – doch sehr zufrieden sein. Dank – das ist die Botschaft – der CDU und ihrer „liebevollen Schwesterpartei“.
Lob für Angela Merkel
Vor allem aber dank der „unaufgeregten Führung“ durch Angela Merkel. Wenn Martin Schulz die Kanzlerin als „abgehoben“ kritisiere, müsse man den Dalai Lama einen „Kriegstreiber“ nennen. Also sei es „höchstgradig leichtsinnig, das Land einem in die Hand zu geben, dem die Erfahrung vollständig fehlt“. Merkel, so der Redner weiter, habe kein Showtalent. „Aber das braucht man nicht in der Politik. Ich bin ja auch nicht mehr dabei.“ Da lacht der Saal.
Den meisten Beifall indes bekommt zu Guttenberg, als er im letzten Drittel seiner Rede CSU pur liefert. Wenn er fordert, Gefährder wegzusperren und nicht über Fußfesseln zu diskutieren, straffällig gewordene Flüchtlinge konsequent auszuweisen sowie das Tragen von Burka und Niqab zu verbieten. Den Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ lehne er ab, sagt zu Guttenberg. Nicht Minarette, sondern Kirchtürme und christliche Feiertage gehörten zur abendländischen Leitkultur. Diese gelte es selbstbewusst zu verteidigen, Zuwanderer müssten sie respektieren. Wobei der 45-Jährige einräumt, sein eigener katholischer Neffe habe Mariä Himmelfahrt für ein Computerspiel gehalten.
Zuhörer sind begeistert
Selbstironie kann er, der Karl-Theodor zu Guttenberg. „Sein Charisma, die Power, die hohe Intelligenz“, rühmt Wolfgang Thüring (Heidenfeld). Ein „faszinierender Typ“, findet Jürgen Then (Kitzingen), „anders als die übrigen Politiker“. Die Zuhörer hat der Oberfranke schon für sich eingenommen, bevor er das erste Wort gesprochen hat. Ja, und fast alle, die nach Schweinfurt gekommen sind, wünschen sich die Rückkehr ins politische Geschäft.
„Der neue Ministerpräsident“, ruft einer während des Auftritts in den Saal. „Er wäre sicher auch ein guter Bundeskanzler“, sagt Edeltraud Sessner (Sömmersdorf). Dass der Mann seine Doktorarbeit in weiten Teilen abgeschrieben hat, dass er betrogen und gelogen hat, haben seine Fans nicht vergessen, aber längst verziehen. „Nicht schön, aber jeder Mensch macht mal einen Fehler“, heißt es immer wieder. „Guttenberg hat eine zweite Chance verdient“, betont Christian Müller (Kitzingen). Und seine Freunde am Stehtisch nicken dazu.
Zu Guttenberg genießt die Rolle als Lichtgestalt, als Hoffnungsträger. Lange nimmt er sich Zeit für Selfies. Dass er auf solche Auftritte dauerhaft verzichten möchte, mag man gar nicht glauben. Anja Weisgerber verweist auf die offizielle Lesart, die Horst Seehofer vorgegeben hat. Man werde nach der Bundestagswahl noch einmal miteinander reden. Ein Dementi der Dementis ist nicht ausgeschlossen.
Mediziner kennen Euphorie auch als das subjektive Wohlbefinden von Schwerkranken wie zum Beispiel bei Demenz, Manie, Neurolues und als Folge von Vergiftungen (Bier und Bierzeltstimmung!).