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Karl-Hartung-Ausstellung in der Kunsthalle: Die Suche nach der einfachsten Form
Schweinfurt, Kunsthalle, Vernissage, Ausstellung Karl Hartung, FOTO Josef Lamber
| Schweinfurt, Kunsthalle, Vernissage, Ausstellung Karl Hartung, FOTO Josef Lamber
Katharina Winterhalter
Katharina Winterhalter
 |  aktualisiert: 21.11.2014 16:28 Uhr
Schweinfurt

Auch wenn man schon viele Beispiele gesehen hat – nicht zuletzt in der Kunsthalle – ist es doch immer wieder spannend, dem Werk eines Künstlers zu begegnen, der vor dem Zweiten Weltkrieg begonnen, die schreckliche Zeit überstanden und danach weitergemacht hat

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Der Bildhauer Karl Hartung zählt zu jenen, die sich schon vor 1945 von der Figuration lösten und den Weg in die Abstraktion gingen – immer auf der Suche nach neuen Formensprachen, nach Inspiration, vielleicht auch nach Seelenverwandten. Als er 1967 im Alter von nur 59 Jahren starb, hinterließ er mit 800 Skulpturen und über 3000 Zeichnungen ein großes Werk.

Hartungs Tochter Hanne Hartung-Schneede hat der Schweinfurter Kunsthalle rund 60 Arbeiten aus allen Schaffensperioden des Vaters für eine Ausstellung zur Verfügung gestellt, die Kuratorin Andrea Brandl im Tiefparterre unter dem Titel „Aufbruch – Aufbrüche“ chronologisch aufgebaut hat. Eine gute Entscheidung. Anfang der 1930er-Jahre arbeitet Hartung noch ganz klassisch. Brandl lässt den „Stehenden Frauentorso“ als Eingangsfigur in Richtung Sammlung Hierling blicken. Wie Hartung ihrem Blick und ihrem Mund einen gelangweilten Ausdruck verleiht – großartig. Mit dieser Arbeit könnte er auch im Nebenraum unter all den Künstlern stehen, die sich „zwischen den Weltkriegen“ nicht vom Realismus lösen wollten.

Hartung wollte das schon früh. Er blieb zwar in seiner Themenwelt – die weibliche Figur, Tiere, menschliche Physiognomie – schuf aber schon ab Mitte der 1930er-Jahre anrührende abstrahierte Arbeiten wie die drei Vögel oder die „Haarflechtende“. Mit seiner „Liegenden“ nähert er sich bereits 1937 auch geometrischen Formen. Wie weit er 20 Jahre später ging, zeigen die großen Plastiken, die Brandl an exponierten Stellen inmitten der Ausstellung platziert: am Ende des ersten Ganges ist es der Torso „Schreitender“ (1950), bei dem Hartung den Körper auf einen sich gabelnden Ast reduziert. Er suchte immer die einfachste, die Urform, von der schon Goethe sprach.

Gegenüber eine höchst rätselhafte Arbeit. An einen stehenden Fischkörper klammert sich ein nicht identifizierbares Wesen. 1945 kam Karl Hartung mit dieser Plastik aus russischer Gefangenschaft zurück. Er hatte noch Glück im Unglück, wurde nicht in ein Lager verschleppt, sondern im russischen Sektor in Berlin interniert, wo er ein sozialistisches Denkmal schaffen sollte. Auch einige Kameraden, die ihm bei der Arbeit halfen, ersparte er so vermutlich die Gefangenschaft in einem Lager, sagt seine 1947 geborene Tochter. Fortan habe sich der Vater auch mit dem Aufbruch befasst, mit dem Neuen, das aus Zerstörtem entsteht.

Die Figur blieb immer ein Thema, ab Ende der 1940er-Jahre kamen, wie bei vielen Bildhauern, organische Formen dazu. Die wenigen Holzarbeiten aus dieser Zeit sind dem Materialmangel geschuldet. Denn eigentlich war Hartung ein Mann der Bronze. Von jeder Arbeit gab es immer sechs Güsse, sagt Hanne Hartung-Schneede. Faszinierend sind die höchst unterschiedlichen Oberflächen, die den Arbeiten ganz unterschiedliche Aussagekraft verleihen: vom hoch glänzendem Gold über ein mattes Grau bis zu einem Braun, das an Holz erinnert. In den fünfziger Jahren brach Hartung die glatte Oberfläche auf, diese Arbeiten zeigen tiefe Risse und Rillen, erinnern an versteinertes Holz.

1951 wurde Karl Hartung an die Berliner Hochschule für Bildende Künste berufen. Einer seiner Schüler war Günter Grass. Jener war zu dieser Zeit weder ein großer Zeichner noch Bildhauer, aber er nahm den Professor mit einem Trick für sich ein. Er briet im Atelier grüne Heringe und behauptete, kochen zu können – wohl wissend, dass Hartung nur Schüler nahm, die kochen konnten. Er hatte Angst, sie könnten sonst verhungern. Grass wollte eigentlich nicht zeichnen, aber für seinen Lehrer war das unabdingbar. „Der Vater wollte, dass seine Schüler genau hinschauen“, sagt seine Tochter.

Hartung hatte Erfolg in den fünfziger Jahren: Museen stellten ihn aus, kauften seine Werke an. Die Münchner Künstlergruppe ZEN 49 bat ihn, beizutreten. Hartung stimmte zu, er fühlte sich der Gruppe und ihren Ambitionen, eine gegenstandslose Kunst zu schaffen, verbunden. Viele Mitglieder der Gruppe sind heute mit Arbeiten in der Kunsthalle vertreten: Rolf Cavael, Gerhard Fietz, Rupprecht Geiger, Brigitte Matschinsky-Denninghoff, Fritz Winter, Conrad Westphal, Fred Thieler, Max Ackermann, Karl Otto Götz, um einige zu nennen.

In seinen letzten Jahren kehrte Karl Hartung wieder zur Figuration zurück. Die Ausstellung zeigt sein letztes vollendetes Werk, ein Figurenrelief, das ein halbes Jahr vor seinem plötzlichen Tod entstand. Hier wird noch einmal seine Liebe zur weiblichen Figur deutlich, auch seine Auseinandersetzung mit der griechischen Kunst. Seine Tochter fragt sich oft, wie sich der Vater wohl weiterentwickelt hätte, wenn er nicht so früh gestorben wäre.

Karl Hartung: „Aufbruch - Aufbrüche“, Kunsthalle. Bis 12. April. Andrea Brandl führt am 26. Dezember ab 11 Uhr durch die Ausstellung. Am 25. Dezember bleibt die Kunsthalle geschlossen. Die Kunsthistorikerin Christa Lichtenstern beschreibt im Katalog zur Ausstellung die Entwicklung Hartungs.

 
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