
Respekt ist vielleicht die wichtigste Regel, die es im Dojo, dem hellen, weißen Trainingsraum von Dmitrij Videnin, gibt. Die Schüler antworten mit einem knappen "Oss´", sobald der Shihan, der Lehrmeister, eine Anweisung erteilt. Auch der wenig kampftüchtige Reporter kann da noch etwas lernen: Beim japanischen Grußwort "Ossu", das man in der Seefahrt mit "Aye, Aye, Käpt´n" übersetzen würde, bleibt das "u" stumm.
Die Disziplin sitzt so straff wie der Gürtel um den Kata-Anzug. Sie überrascht um so mehr, als viele Schützlinge des Schweinfurter Shihans noch sehr jung sind: Sebastian und Uljana, die Jüngsten, zählen gerade mal vier Lenze - und schauen dennoch nicht so aus, als könnte man ihnen ungestraft einen Lolli wegnehmen. 140 bis 150 Schülerinnen und Schüler werden in der ebenso unscheinbar wie ruhig gelegenen Kampfsportschule am Heckenweg 36 unterrichtet, in der Mehrzahl Kinder und Jugendliche.
Seit einem Jahr sind die "Karate Kids" hier untergebracht, vorher wurde in der Nachbarschaft trainiert. Gegründet wurde der gemeinnützige Verein 2011. Außer Selbstbehauptung für Kinder und Kickboxen wird hier die hohe Kunst des Kyokushin gelehrt: Der Name dieses Karatestils bedeutet soviel wie "höchstmögliche Wahrheit" oder "harte Realität", es geht um Kämpfen im Vollkontakt. Aber natürlich nicht ums schlichte Kloppen: Persönlichkeitsentwicklung und soziale Normen werden auf der Matte großgeschrieben.
Das Hobby zum Beruf gemacht
Videnin, der aus der kasachischen Hauptstadt Astana stammt, ist Diplompädagoge und hat das Hobby zum Beruf gemacht. Suchtberatung und Personalcoaching sind weitere Tätigkeiten des Freiberuflers mit "russlanddeutschen" Wurzeln, der auf den 6. Dan im Kyokushin verweisen kann. Das ist schon recht viel, ahnt der Laie, und die Liste von Videnins internationalen Erfolgen lang. Gelernt hat der Therapeut und Turniersportler (53) in Japan, in Osaka, Kobe, Okinawa. Seit dem 11. Lebensjahr zeigt Videnin klare Kante.

In Zusammenarbeit mit der Stadt geht es auch darum, "schwer erziehbaren" Jugendlichen mit Therapiebedarf Selbstbewusstsein zu vermitteln, dazu körperliche wie geistige Selbstbeherrschung. Im "Vollkontakt" gekämpft wird nur mit Schutzausrüstung. Die Jungs und Mädels sind ein Spiegelbild der Gesellschaft, einige haben Migrationshintergrund. Ein Junge ist Autist, ein Mädchen hat zwei Beinprothesen.
"Durch Sport kann man sehr viele Jugendliche erreichen", sagt Videnin. Die Schüler organisieren einen Gutteil des Unterrichts selbst, darunter auch erfolgreiche Nachwuchskämpfer wie Christoph oder Sohnemann Leonid.
Auch bei Weltmeisterschaften ganz oben
Mit von der Partie ist Sensei Andrea Schmidt, die man in der Stadt als Leiterin der Geschäftsstelle der Lokalen Agenda 2030 kennen könnte: Die Kampfsportlehrerin mit dem 3. Dan kämpft nicht nur deutschlandweit, sondern auch bei Weltmeisterschaften ganz oben mit, beim Kyokushin ebenso wie beim Kickboxen.

Ebenfalls vor Ort ist an diesem Tag Stadtrat Stefan Labus, der für ein sozialeres Schweinfurt kämpft – und sehr angetan ist von der Jugendarbeit am Heckenweg. Am 12. April, ab 11 Uhr, lädt der Verein in die Georg-Wichtermann-Halle ein, zur "International German Championship": eines von zwei eigenen Großturnieren im Jahr, mit rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Der Eintritt ist frei. Außer Kaffee und Kuchen gibt es eine Tombola, bei der dank 200 Sponsoren tolle Preise winken, einschließlich Gutscheinen für die Stadtgalerie: Jedes Los gewinnt, für den guten Zweck. Stefan Labus rührt als Vorsitzender der Schweinfurter Kindertafel die Werbetrommel, der Erlös soll der Wärmestube in der Theresienstraße zugutekommen, die auch von der Kindertafel unterstützt wird. "Der Verein macht für die Kinder das, was wichtig ist", lobt Labus das Engagement der jungen Kämpfer für das Gute.