Das Eich ist eigensinnig. Der Künstler legt auf seiner Homepage Wert auf die Feststellung, weder „Eichler“ zu heißen (soso), noch Aigner (verständlich). Nein, mit bürgerlichen Namen nennt er sich Stefan Eichner, ist Jahrgang 75 und stammt aus Kulmbach. „Der Schwachsinn galoppiert“ heißt das aktuelle Programm des Journalisten, Sonntagskinds und Polizistensohns, mit dem er in der Disharmonie auftritt.
Der Star seiner Kindheit war Dieter Hallervorden, was man am wilden Mienenspiel ablesen kann, irgendwo zwischen Eichhörnchen auf Dopamin und augenüberquellendem „Nonstop Nonsens“. Zugleich ist Eichler nach dem solidesten aller Bäume benannt. So prallen zwei Stunden lang quirliges, gepflegt unanständiges Revoluzzertum und empörter oberfränkischer Werte-Konservativismus aufeinander.
GEZ-Stasi kassiert für F-Promis
Das Eich beschwert sich singend über die schlaffe Generation von heute, ebenso über apokalyptische Wettervorhersagen in einer reich bebilderten Tageszeitung, die aus „überfrierender Nässe“ gerne mal „Blitzeis“ macht oder aus drei Flocken Schnee einen Blizzard. Auch über den „Abschaum der Nation“ und „amerikanische Verhältnisse“ im Fernsehen. Wofür die GEZ-Stasi auch noch Gebühren verlange. Der Lebenskünstler empfängt in einer seiner Balladen einen solchen Gebühreneinzieher „gebührend“, zeigt ihm erstmal den Müll, der auf allen Kanälen treibt, die „Deppen der Nation“, die Regenwürmer mampfenden F-Prominenten, Silbereisen auf dem Ersten inklusive. Sodass der Gebühren-Schnüffler sich aufs Sofa übergibt und reuig das Weite sucht.
Zu dem Song gibt es eine Fortsetzung: Die Zeugen Jehovas tauchen auf und lassen sich vom Eich die stattliche Sammlung an Unterhaltungselektronik zeigen. Man ahnt, in diese Falle hätte er besser nicht tappen sollen. Gut geeicht ist es auf jeden Fall, das Kind der heimlichen Hauptstadt des Bieres. Eigentlich wollte der „entspannte Franke“ nach der Arbeit nach Hause kommen, aber die Stammkneipe lockt – am Ende der Moritat sitzt der Zecher frühmorgens im Wägelchen der Zeitungsfrau, die Hose hat der Wirt.
Per „Glatzenrechner“ eines Haarshampoo-Anbieters stellt er fest, dass er, bei seiner genetischen Veranlagung in ein paar Jahren aussehen wird wie Jimi Hendrix. Außerdem weiß der Stänkerer um einen der wesentlichen Unterschiede zwischen Männlein und Weiblein: Entschuldigung, einmal muss es ja mal raus: „Männer können nicht schnell kacken“.
Feingäriger Nonsens
Bei notorisch leidenden Liedermachern darf auch ernste Sozialkritik nicht fehlen: Bitterböse Zeilen über den Papst etwa, der zu Missbrauchs-Fällen in seiner Kirche schweigt. Die Millionen für den Deutschlandtrip hätten afrikanische Kinder sicher besser brauchen können. Der Schwachsinn galoppiert auch hier. Am Schluss zeigt der eigentümliche Individualist, was er vom „Wühltisch“ mitgenommen hat, damals bei der Körperwelten-Ausstellung des Gunther von Hagens. Das Eich hat ein (bluttriefendes) Händchen für skurrile Situationen. Am Schluss wird noch der Sommer in Franken abgewatscht, nacheinander von Promis wie Peter Maffay, Marcel Reich-Ranicki oder Herbert Grönemeyer.
Unterm Strich feingäriger Nonsens, frisch aus fränkischen Landen: über die Länge des Programms hinweg fast schon überzeugender als manch große Marke des Frankenkabaretts. Uwe Eichler