Dank ihres Zaubertrankes sind die Bewohner des berühmtesten kleinen gallischen Dorfes der Welt bekanntlich unbesiegbar. Angst haben sie vor gar nichts, schon gar nicht vor Römern – außer vor einem: dass ihnen der Himmel auf den Kopf fallen könnte. Nicht einmal das ängstigt Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger und Wachtmeister des Justizgebäudes in der Rüfferstraße, wohl aber, dass ihnen etwas viel Schwereres auf den Kopf fallen könnte – die Decke nämlich, und das nicht im übertragenen Sinn.
Im Juni letzten Jahres fiel in einem Geschäftszimmer etwa ein Viertelquadratmeter Deckenputz herunter, zum Glück nicht auf einen Bediensteten, zum fraglichen Zeitpunkt war niemand im Raum. Doch ohne Folgen blieb der Vorfall nicht. Seit dem 6. Oktober klopft eine Maler- und Verputzer-Firma die Decken sämtlicher 200 Zimmer, Gerichtssäle, Kammern und Flure auf Hohlstellen ab. Wo es welche gibt, wird der Putz abgeschlagen, neuer aufgetragen und der Raum frisch gestrichen. Das bestätigte auf Anfrage Landgerichtspräsident Reinhard Pfingstl.
„Eine reine Vorsichtsmaßnahme“ sei das, sagt Pfingstl. Von akuter Gefährdung könne keine Rede sein, aber die Sorgfaltspflicht gegenüber den Bediensteten gebiete es, Unfälle durch herabfallenden Deckenputz zu vermeiden. Einige Zimmer, wie das der Leitenden Oberstaatsanwältin und des Oberstaatsanwaltes – würden bei dieser Gelegenheit auch gleich noch renoviert. Dass neben der Gefahrenabwehr auch noch Zimmer renoviert werden, führt zu der Frage, auf wie viele Jahre sich die Justiz in ihrem 110 Jahre alten Bau noch einzustellen hat. Seit dem Jahr 2000 geistern Pläne zur grundlegenden Sanierung des Gebäudes plus Erweiterung auf dem Areal des ehemaligen Finanzamtes durch die Spalten dieser Zeitung. Es gab auch schon mal eine Planung mit Kostenschätzung – vor zwölf Jahren (siehe Info-Box). 15 bis 17 Millionen sollten Sanierung und Neubau damals kosten.
Seither wird der Schweinfurter Traum vom „Justizzentrum“ von einem Doppelhaushalt in den nächsten versprochen. Stets waren andere Justizgebäude dringlicher und sind dann auch noch teurer geworden – und wieder war kein Geld für Schweinfurt da. Hof, Bayreuth, Haßfurt – im OLG-Bezirk Bamberg sind viele Gerichtsgebäude neu errichtet oder saniert worden, nur Schweinfurt war nicht dabei. Wie altertümlich der wuchtige Bau ist, davon können sich Anwälte, Angeklagte, Sachverständige, Polizisten und Besucher allein schon anhand der Männertoilette im Zwischenstock, vor dem Schwurgerichtssaal, ein Bild machen: Kacheln und Heizungsrohre wie aus dem Museum, Urinsteinduft wie weiland in Bahnhofstoiletten.
Rund 80 der 200 Zimmer und Flure haben die Maler und Verputzer des Farbenhauses Bruckmüller aus Münnerstadt bislang auf Deckenhohlräume untersucht – in 21 Räumen sind sie fündig geworden. Gerade ist ein Eckzimmer im Südflügel des ersten Obergeschosses an der Reihe. An 14 Stellen hat Franz Nöth den Deckenputz abgeklopft und schmiert die erste größere Fläche wieder zu. „In einem Zimmer haben wir die ganze Decke neu gemacht“, sagt er. Bis zum Jahresende sollen diese Arbeiten beendet sein, sagt auf Anfrage Philipp Treuheid, Abteilungsleiter Hochbau für Schweinfurt im Staatlichen Bauamt. 100 000 Euro werden ausgegeben, damit Richtern, Staatsanwälten und Rechtspflegern nicht die Decke auf den Kopf fällt – bis zur Generalsanierung.
Wann die kommt, steht weiter in den Sternen: Die Sache liegt derzeit bei der „Immobilien Freistaat Bayern“, zuständig für die Verwaltung des freistaatlichen Immobilienbestandes. Die führt gerade einen „Flächenmanagementprozess“ durch, der zum Ziel hat, die genauen Bedingungen des geplanten Justizzentrums und mögliche Alternativen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten, so Susanne Weidinger, Pressesprecherin des Justizministeriums. Wenn dieser Prozess, etwa mit einer Empfehlung für einen Neubau und Sanierung des Altbaus ende, werde nach Zustimmung durch das Finanzministerium eine „Haushaltsunterlage-Bau“ erstellt, die die Kosten und den zeitlichen Ablauf der Baumaßnahmen ermittelt.
Diese Unterlage werde dann dem Landtag zur Genehmigung vorgelegt. „Erst danach beginnt die eigentliche Planungs-, Vergabe- und Bauphase“, so Weidinger. Immerhin zu den Kosten gibt es eine Hausnummer: Grob werden sie jetzt auf 48 Millionen Euro geschätzt. Vor zwölf Jahren ist man von 15 bis 17 Millionen ausgegangen.
Wenigstens eine gute Seite kann Schweinfurts Landgerichtspräsident Pfingstl dem ewigen Hinausschieben des Justizzentrums abgewinnen: Es kann ganz neu geplant werden – nach seinen Vorstellungen mit einem öffentlichen Bereich im Neubau, in dem unter anderem alle Gerichtssäle untergebracht sind. Der soll nur einen zentralen Ein- und Ausgang haben – also sehr gut überwach- und kontrollierbar sein.
Im generalsanierten Altbau könnten nach Pfingstls Vorstellung die Dienstzimmer der Beschäftigten untergebracht werden, in denen Publikumsverkehr nichts verloren hat. Seit der Ermordung eines Dachauer Staatsanwaltes im Januar 2012 mitten im Gerichtssaal kontrollieren die Justizbehörden ihre Gebäude verschärft mit Zugangskontrollen. Die seien mit einer Neuplanung viel besser zu organisieren als bisher, sagt Pfingstl.
Die schier unendliche Geschichte einer Sanierungsplanung
September 2000: Bei der Einführung von Rainer Oechslein als neuer Amtsgerichtsdirektor sagt der Bamberger OLG-Präsident Reinhard Böttcher, dass nach dem Auszug des benachbarten Finanzamtes in den Neubau in der Schrammstraße das alte Finanzamtsgebäude für die Zwecke der Justiz umgebaut und das historische Justizgebäude komplett saniert werden soll. August 2002: Landgerichtspräsident Hans-Peter Hofmann erläutert dieser Zeitung, dass – sollte der Landtag die Mittel bewilligen – die Justizbediensteten ab 2007 in einem toprenovierten historischen Justizgebäude und einem neuen Erweiterungsbau arbeiten können. Gesamtkosten: 15 bis 17 Millionen Euro. Die 400 000 Euro teure Planung für den Neubau solle zum Jahresende abgeschlossen sein. Juli 2007: Auf dem Gelände des abgebrochenen Finanzamtes an der Luitpoldstraße entsteht erst einmal ein Parkplatz – eine „mit der Finanznot des Staates begründete Übergangslösung“, so der Landgerichtspräsident. Spätestens 2010 bis 2012 soll dort der zweite Bauabschnitt für das Justizzentrum Schweinfurt in Form eines Neubaus und die Generalsanierung der unter Denkmalschutz stehenden Gebäude folgen. Juni 2008: Bei seiner Verabschiedung als Landgerichtspräsident sagt Hans-Peter Hofmann, dass die Pläne eines Schweinfurter Justizzentrums noch nicht vollzogen wurden, liege daran, dass sie vom Finanzministerium gestoppt worden seien, nachdem sie fertig waren. Ein Vierteljahr vorher hatte Ministerialdirektor Hans Werner Klotz, Amtschef des Justizministeriums, gesagt, die Zehn-Millionen-Euro-Investition für den neuen Anbau werde in den Doppel-Haushalt 2009/2010 eingestellt. April 2010: Beim Antrittsbesuch in Schweinfurt sagt der neue OLG-Präsident Peter Werndl, frühestens 2015 könne das Justizzentrum in die Tat umgesetzt werden. Mit der Mittelbereitstellung rechne er wegen der aktuellen Finanzlage und bevorzugter „großer Projekte“ der Justiz in Bayreuth und Hof nicht. Neubau plus Generalsanierung sollen jetzt 20,8 Millionen Euro kosten. März 2013: Beim Antrittsbesuch sagt der neue OLG-Präsident Clemens Lückemann, der Landtag habe für das Justizzentrum für 2013/14 erste Finanzmittel in Höhe von zwei Millionen Euro eingestellt. Wie lange es noch dauern wird, bis der Neubau steht und das Altgebäude saniert ist, dazu gibt er keine Prognose ab. Oktober 2014: Im Entwurf des Doppelhaushaushalts 2015/2016 stehen laut Justizministerium 4,6 Millionen Euro Planungsmittel. Wenn jetzt alles schnell und nach Plan geht, rechnet Gerichtspräsident Pfingstl mit mindestens noch fünf Jahren bis zum fertigen Justizzentrum – also frühestens 2019. Grobe Kostenschätzung des Ministeriums: 48 Millionen Euro.
Priorität das Rechtssystem in Bayern genießt. Es ist ein extrem schlechtes Zeichen, dass hier gegenüber der Unterwelt gezeigt wird, die bisweilen in Saus und Braus leben und über Richter, die unter solchen Umständen richten müssen nur noch Spott übrig haben.
Auf der anderen Seite verwundert eine Kostensteigerung von 20 Millionen 2010 auf 48 Millionen in 2014 doch sehr. Stand hier der Berliner Flughafen bei der Planung Pate ? Wenn das so ist, dann ist die Schätzung von Gerichtspräsident Pfingstl für eine Fertigstellung sehr optimistisch. Vielleicht wäre eine realistischere Planung und weniger Justizpalast eher zielführend.