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Schweinfurt
Johannespassion erklingt 300 Jahre nach der Uraufführung in der Schweinfurter St. Johanniskirche
Die Johannespassion erklang in der St. Johanniskirche. Im Bild rechts die KMD Andrea Balzer.
Foto: Anand Anders | Die Johannespassion erklang in der St. Johanniskirche. Im Bild rechts die KMD Andrea Balzer.
Elke Tober-Vogt
 |  aktualisiert: 06.04.2024 02:41 Uhr

Karfreitag 1724: In der Leipziger Nikolaikirche erklang an diesem Tag erstmals eine von zwei erhaltenen, vollständigen und nachgewiesenen Passionen von Johann Sebastian Bach, die Johannespassion. 300 Jahre später widmeten sich die Kantorei St. Johannis, Solisten und ein Kammerorchester unter der Leitung von KMD Andrea Balzer diesem von der Musikwissenschaft inzwischen als "Meilenstein der Musikgeschichte" bezeichneten monumentalen Werk, vom Namen her passend in der gut gefüllten St. Johannis-Kirche Schweinfurt und ebenfalls am Karfreitag.

Balzer formte in den rund zwei Stunden eine sehr gediegene Aufführung, ohne große Ecken, Kanten und Extreme. Daran hatte das Orchester mit Konzertmeister David Alexander Arroyabe erheblichen Anteil. Gut vorbereitet und klangschön musizierend, vor allem in den Bläsern, mit winzigen Abstrichen in den tiefen Streichern, war das Ensemble ein sicheres Fundament, für das sich darüber entspinnende vokale Geschehen, in welchem das biblische Geschehen um die Leidensgeschichte Jesu seinen Niederschlag findet.

Den Part des erzählenden Evangelisten und die Tenorarien hatte Gustavo Martín-Sánchez übernommen. Er beherrschte seinen Part so souverän und locker, dass er mit klarer und wohlgeformter Stimme gestalterisch bis in die Details der musikmalerischen Affekte gehen konnte, ohne dabei zu überzeichnen ("und weinete bitterlich", "heimlich, aus Furcht vor den Juden").

Raumgreifende, sehr differenziert eingesetzte Stimme

Michael Styppa als Christus strahlte mit seiner voluminösen, vor allem in den Tiefen und der mittleren Lage ausgeglichenen Stimme erhabene Güte und Wärme aus. Der Bassist Johannes Weinhuber als Pilatus und für die Bass-Arien zuständig, setzte mit raumgreifender, sehr differenziert eingesetzter Stimme anrührende Akzente ("Betrachte, meine Seele", "bin ich vom Sterben frei gemacht"). Joseph Teoh hatte die kurzen Einwürfe des Dieners übernommen.

Genau 300 Jahre nach der Uraufführung erklang Johann Sebastian Bachs Johannespassion BWV 245 in St. Johannis.
Foto: Anand Anders | Genau 300 Jahre nach der Uraufführung erklang Johann Sebastian Bachs Johannespassion BWV 245 in St. Johannis.

Vergleichsweise weniger umfangreich waren die Partien für Katrin Küsswetter als Magd (Sopran) und Carolyn Cervino (Alt-Arien). Cervino hinterließ dennoch einen ganz starken Eindruck, zum einen durch größtmögliche Präzision bei verstricktesten Sprüngen und Koloraturen ("Von den Stricken meiner Sünden"), zum anderen durch ihre kontrastreiche Ausdeutung der Gemütsbewegungen Trauer und Triumph ("Es ist vollbracht", "der Held aus Juda siegt mit Macht").

Katrin Küsswetters helle, ans Metallische grenzende Sopranstimme passte in ihrer jugendlichen Frische absolut stimmig zur Arie "Ich folge dir gleichfalls mit freudigen Schritten". Die Klage über den toten Jesus wirkte jedoch weniger authentisch.

Die Kantorei St. Johannis zeigte sich in guter Form und solide vorbereitet. Andrea Balzer hätte vor allem in den Chorälen durchaus mehr Tiefe und Ausdeutung fordern können; so aber wirkte manche Kommentierung etwas standpunktlos und blass. Gute Ansätze gab es dennoch immer wieder, zum Beispiel bei der den entsprechenden Einsatz geradezu herausfordernden Textstelle "verlacht, verspottet und verspeit".

Das Wagnis Balzers, die Einwürfe "Wohin" original chorisch zu belassen und nicht aufs Solistische zu setzen, gelang, wenngleich mehr Substanz nicht geschadet hätte. Auch der Abschluss ("ich will dich preisen ewiglich") kam nicht mit der gewohnten Kraft. Überzeugen konnte der Chor vor allem bei den Einwürfen und Fugato-Abschnitten des zweiten Teils ("Kreuzige", "Nicht diesen, sondern Barrabas").

Der sanfte Spannungsbogen, den Balzer über das gesamte Werk hin entwickelte, mündete in die von den Ausführenden erbetene andächtige Stille.

 
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