
Es regnete, war kalt, trüb. Vielleicht war das Wetter am 21. März 1945 genauso ungemütlich. Auf den Tag genau vor 72 Jahren haben zwei Polizisten die erst 18 Jahre junge, schwangere Zofia Malczyk ohne Urteil, ohne Auftrag in der heutigen Gustav-Adolf-Straße erschossen. Seit 2007 erinnert ein Gedenkstein an die ermordete Zwangsarbeiterin. Wie jedes Jahr seitdem erinnerten die Patenschule Bayernkolleg und die Initiative gegen das Vergessen an Malczyk. Diese zehnte Gedenk-Veranstaltung wird wegen der vielen guten Reden haften bleiben. Der polnische Konsul Marcin Krol trug mit einer Kranzniederlegung und Dankesworten für dieses Nicht-Vergessen maßgeblich dazu bei.
Das stellte auch Walter Lenhard in seiner Einleitung in den Mittelpunkt. Der Geschichtslehrer hat die Patenschaft am Bayernkolleg mit Leben erfüllt, bald scheidet er aus, führte zuvor noch einmal Bayernkollegiaten auf dem „Letzten Weg der Zofia Malczyk“ vom einstigen Nazi-Gefängnis (Harmonie) zum Mordort.
In Anspielung auf die unsägliche Rede des AfD-Politikers Höcke, der das Holocaust-Denkmal in Berlin einen Ort der Schande nannte, bezeichnete Lenhard die an vielen Orten geschaffenen Erinnerungsorte wichtig, weil die Gräuel der Nazizeit auch durch sie nicht in Vergessenheit geraten.
Es folgten Beiträge von Schülern der Ethikklassen. Sascha Neuhaus, den das Schicksal Malczyks „emotional berührt“ hat, wählte die Gedichtform, verarbeitete darin den ihm unverständlichen „blinden Wahn“ so vieler Menschen damals. Und eben auch der beiden Polizisten, die wie das Feuer gewütet, gemacht haben, was „andere sagen“, statt „selbst Verantwortung zu tragen“.
Blinden Gehorsam gegeißelt
Diese Unmündigkeit und den blinden Gehorsam geißelte auch Denis Kostan. „Dieser Gedenkstein soll uns stets vor Augen führen, welche Untaten Menschen vollbringen können, welche nicht fähig sind, sich ihres Verstandes zu bedienen und so die Menschlichkeit zu verlieren“.
Beeindruckend Lukas Kowolik. Der Bayernkollegiat ist im heute polnischen Oberschlesien geboren, kam mit den Eltern als Dreijähriger nach Deutschland, musste in der Schule Diskriminierung und Ausländerfeindlichkeit erleben. „Ihr klaut unsere Arbeitsplätze“, „kaum gestohlen schon in Polen“, solche Sätze. Damals habe er sich für seine Herkunft geschämt, heute sehe er darüber hinweg, zumal die große Mehrheit der Deutschen so nicht denke. Für einen Bruchteil gelte das nicht, Fremdenhass existiere noch immer. Solche Veranstaltungen seien wichtig, sollten dazu dienen, das nicht hinzunehmen und zu überlegen, wie wir zu einer offeneren, sozialeren und freien Gesellschaft beitragen können.
Die Idee des Bildhauers
Bildhauer Marco Schraud (Thüngersheim), der den Malczyk-Gedenkstein geschaffen hat, beschäftigt bis heute die junge Frau, die wie wir alle frei sein wollte, aber dann Nazi-Polizisten „ohnmächtig gegenüberstand“. So wie ihr vor 72 Jahren „schier Unvorstellbares“ geschah, erging es damals und ergeht es heute in anderen Kriegen vielen namenlosen Opfern.
„Gestehen wir für eigenen und die Rechte der anderen ein“, sagte Schraud vor trotz des miserablen Wetters rund 70 Zuhörern, darunter viele ehemalige und aktuelle Stadträte der SPD, die Schulleitung des Bayernkollegs und erstmals als Vertreter der Stadt, Referent Jürgen Montag.
Schließlich Adi Schön. Der Stadtrat (prosw) und Mitglied der Initiative beschäftigte sich, zumal selbst Polizist, mit der Tat der Beamten, die nach mehreren Prozessen 1954 wegen Totschlags zu nur drei Jahren beziehungsweise wegen Beihilfe zu einem Jahr verurteilt wurden. Man könne nun „natürlich mit Justiz hadern und dem Urteil unzufrieden sein“, sagte Schön, erinnerte aber, dass „wir seit über 70 Jahren in einer Demokratie lebten, deren wesentliche Pfeiler die Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit seien. Dazu gehöre auch die Unabhängigkeit der Justiz, genauso wichtig und unverzichtbare sei die Presse- und Meinungsfreiheit, die aktuell in vielen Staaten beschnitten werde, oder gar nicht mehr bestehe.
Opfern die Würde zurückgeben
Schöns Fazit: Ob beim von rechtsradikalen Schreihälsen als Schandmal bezeichneten Holocaust-Denkmal in Berlin im Großen oder beim Malczyk-Denkmal im Kleinen „geht es um das Gedenken an die Opfer eines unmenschlichen Systems“. Mit jedem Gedenken gebe man den Opfern ihr Ehre und Würde zurück, die ihnen durch würdelosen Taten genommen wurden“.
Zum Gelingen der Veranstaltung trugen die Saxophonisten Jürgen Mohr und Karl Bocka maßgeblich bei.