Safouk Alkahalaf zeigt Bilder aus Damaskus. Es sind Bilder einer heilen Welt: sein Haus, der Park, in dem er mit seiner Familie spazierengeht. Wehmut liegt in seinem Blick, denn das alles ist Vergangenheit. Russische Soldaten haben sein Haus bombardiert, seine kleine Tochter am Kopf verletzt. Der Krieg ist jetzt auch in seinem Stadtteil von Damaskus angekommen. Deshalb ist die Familie geflohen, weg aus Syrien.
21 Tage war Safouk mit seiner Frau Fatima und den Töchtern Leya und Amineh unterwegs. In Marksteinach hat die Familie vorläufig eine neue Heimat gefunden. Nach Syrien will er nie mehr zurück. Dort sei alles „finish“, erklärt er kopfschüttelnd und mit Trauer im Blick.
Es sind die persönlichen Schicksale, die Begegnung mit den Menschen, die der Flüchtlingskatastrophe in unserem Land ein Gesicht geben. Der Schonunger Helferkreis Asyl ermöglichte eine solche Begegnung. Er hatte Flüchtlinge, Helfer und Bürger zu einer Willkommensfeier in den Pfarrsaal von Marktsteinach eingeladen. Knapp 50 Leute kamen, unterhielten sich mit Händen und Füßen und lernten sich kennen. Der sechsjährige Roni aus Aleppo bekam von seinem kleinen Marktsteinacher Tischnachbarn den ersten Deutschunterricht.
Die beiden ordneten miteinander Spielkugeln „rot, grün, blau, gelb“, während Hanne Margraf vom Helferkreis die Gäste begrüßte.
„Eine gefährliche, aufregende und beschwerliche Zeit der Entbehrung liegt hinter euch. Aber ihr habt es geschafft.“ So ganz geschafft ist es noch nicht, im November beginnt für die meisten der Deutschkurs, die Asylverfahren laufen noch. Und sie weiß: „Es gibt auch in Deutschland Leute, die Angst vor fremden Kulturen und Menschen aus anderen Ländern haben. Dafür müssen wir auf beiden Seiten Verständnis aufbringen.“
An diesem Nachmittag ist von Berührungsängsten nichts zu spüren, die Atmosphäre ist offen und herzlich. Kinder laufen vertrauensselig durch den Raum und schenken jedem ein Lächeln oder stehen mit großen Augen vor den mitgebrachten Spielzeugschätzen. Frauen sichten die mitgebrachte Kleidung und suchen das Passende für sich und ihre Familie heraus. Männer erzählen von der Heimat, vom Weg über den Balkan.
35 Flüchtlinge sind zurzeit in den Ortsteilen Forst, Marktsteinach und Schonungen untergebracht: Margraf kennt sie alle, sie ist bei den Maltesern aktiv und besucht die Neuzugezogenen „mit Nähzeug und Verbandszeug“, das sei das, woran sonst kaum jemand denkt, erklärt sie. Helmut Endres ist rund um die Uhr beschäftigt und sucht nach allem, was gebraucht wird. Zum Beispiel zwei Scout-Büchertaschen, die er nach einigen Telefonaten und verschickten E-Mails innerhalb von vier Stunden auftreibt.
Doch nicht nur die Flüchtlinge sind international, auch der Helferkreis. Der türkischstämmige Marktsteinacher Nahsan Carus engagiert sich, weil er „eine gute Tat machen“ will. Ein bisschen Arabisch kann er und er weiß auch, was den Flüchtlingen aus den arabischen Ländern die größten Schwierigkeiten macht beim Erlernen der deutschen Sprache: „Das sind die Buchstaben.“ Sabahat Fischer kommt aus dem Kosovo, ihr Mann ist Deutscher. Sie sei selbst ein „verbranntes Kind“, erklärt sie. Jetzt kümmert sie sich um eine Familie aus Albanien. Sabahat ist tief berührt vom Schicksal dieser Familie. Sie stammt aus einem Bergdorf, der Mann ist Analphabet, zur nächsten Schule hätten die Kinder drei Stunden laufen müssen.
„Es gibt dort keine Perspektive zu leben“, erklärt sie und bekräftigt: „Jeder verdient doch eine Chance.“ Die Familie hat sich in Forst bereits gut integriert, bei der Neugestaltung des Dorfplatzes haben sie mitgeholfen.
Elina und Rulan Mukachevo sind seit August in Deutschland. Auch sie sind vor einem Krieg geflüchtet. Ruslan hatte in der Ostukraine eine eigene Schreinerei, seine Frau war Buchhalterin. Wilfried Güntner gibt ihnen Deutschunterricht. Er ist voll des Lobes. „Die beiden laufen jede Woche zweimal von Marktsteinach über den Berg nach Forst, um am Deutschunterricht teilzunehmen.
Hiltrud Barthelmes hat eine Patenschaft für eine Familie übernommen. „Wenn die kommen, haben sie ja gar nichts“, begründet sie ihr Engagement. Sie begleitet die Flüchtlinge bei Arzt- und Behördenbesuchen, zur Kindergarten- oder Schulanmeldung. „Sie sind sehr dankbar für die Hilfe, ständig wird man eingeladen“, erzählt sie. Sie hat schon einmal eine Familie ein Dreivierteljahr begleitet. Probleme habe es noch nie gegeben.
Manfred und Elena Weber haben in Marktsteinach vier Wohnungen an Asylsuchende vermietet, auch sie sind zufrieden. „Sie sind alle mit einem Lachen im Gesicht gekommen, total super“, erzählen sie.
Der 20-jährige Abdol Akabay ist mit Mutter, Schwester, Bruder und Nichte zwei Wochen lang von Syrien über die Balkanroute bis München geflohen. Er spricht Englisch und fungiert an diesem Nachmittag als Übersetzer. Vor allem die Ankunft in München ist ihm noch in guter Erinnerung. „Wir waren sehr glücklich“, erzählt er. „Die Leute waren so freundlich.“ Über die Reise selbst und was sie gekostet hat, will er nicht sprechen.