O ja, auch konservative Haarfrisuren haben Sex-Appeal. In dieser Beziehung war US-Überfliegerin Amelia Earhart moderner als Angela Merkel. Stefanie Boltz beeindruckt ebenfalls mit Locken-Bob, forschem Kinn, spitzen Mundwinkeln und glimmendem Blick in der Disharmonie, vor ausgesuchtem Publikum, mit Gesten wie aus dem Tonstudio. Zusammen mit dem Münchner Jazzbassisten Sven Faller steht hier „Le Bang Bang“ auf der Bühne: Der Name verweist auf den „Aha-Moment“, als sich das Duo kennengelernt hat.
„Er spielt nicht Bass, er ist Bass“, schwärmt Boltz, selbst eine himmelsstürmende Stimme, die sich mal in Gestalt einer Sängerin (unter anderem bei den „Croonettes“), mal als Synchronsprecherin manifestiert. Während sich der Kontrabass gelegentlich in eine Trommel verwandelt, unter den Händen des Komponisten und Musikproduzenten Faller. Zusammen ersetzen sie mit Händen, Füßen und Vokalen ein ganzes Orchester, und wie: Bei „Le Bang Bang“ knallt die Peitsche, durchfliegt die jazzig-rassige Stimme der barfüßigen, beswingten Lady in Windeseile die Musikgeschichte. Eine aufregende, anregende Karussellfahrt, rundherum um eine Welt voller Gegensätze, sprunghaft, verrucht, melodramatisch, maliziös und harmoniesüchtig zugleich, jedenfalls nie ganz ungefährlich.
Schon „Cheek to Cheek“, der Tanzmusik-Klassiker von Irving Berlin, begann in den Dreißiger Jahren im Himmel, und ließ zwischen den Zeilen bereits die Hölle erahnen, in der Liebe wie im übrigen Krieg. „Der Englische Patient“ hat zur Filmmelodie getanzt, am Ende stürzt der Flieger mitsamt seiner Geliebten brennend hinab in die Wüste. „Bye, bye, Junimond“ von Rio Reiser dreht sich ebenfalls um einen harten Abschied. „Bang Bang, my baby shot me down“, den Hit gab es auch noch, dank Cher-Ehemann Sonny Bono. In jeder Beziehung stellt sich halt früher oder später die Frage: „Wie werde ich Ihn/Sie los?“ Paul Simon steuert „50 ways to leave your Lover“ bei.
Ansonsten ist erlaubt, was gefällt: „Duke Ellington, Nirwana, wir haben ein gewisses Spektrum“, lächelt Stefanie Boltz. Dazu gesellt sich im Lauf des Abends der „Owner of a lonely heart“, „Time after time“, „Spooky“ oder der Jazzstandard „All of me“. Stück für Stück geht das Duo seine Schallplattensammlung durch, steuerte eigene Songs bei, bevorzugt über die Liebe und ihre oft grausamen Lektionen. Eine Erkenntnis: Schon ein Deodorant kann helfen.
Unterhaltsam ist der flotte Konzertkracher, aber keine leichte Kost: „Headbang“ heißt die zweite CD nach „Bang Bang“, das klingt nach Kopfnuss. „Our castle turns to sand“, heißt es am Schluss, all die mühsam angehäuften Sicherheiten und Rückversicherungen des Lebens, sie zerfließen wie eine Sandburg, zerstäuben mit einem „Bang Bang“ ins Nichts. Die großen Gefühle, am ehesten überdauern sie die Zeit dank der Musik. Oder mit Hilfe eines Deodorants.