Die Geschichte, die Jan Hans Dürschmied erzählt, glaubt der Reporter nur, weil er den heute 71-Jährigen seit über 30 Jahren als ehrliche Haut kennt: Dürschmied ist 13, will die Gipfel und Berge, die in schon damals faszinierten, unbedingt live sehen. Er gaukelt den Eltern eine Freizeit im Bayerischen Wald vor, tatsächlich ist Garmisch-Partenkirchen das Ziel. Übers Höllental marschiert der Dreikäsehoch zu Fuß hinauf auf die Zuspitze. Und dann geht es mit dem Drahtesel wieder zurück nach Schweinfurt.
1965 – Dürschmied ist Mitte 20 – wird er Mitglied beim Alpenverein. Dass der Vater der damaligen Freundin und heutigen Ehefrau Helge, Toni Endres, der Schweinfurter Sektionsvorsitzende war, habe keine Rolle gespielt. Schnell drückt man dem jungen Bergfreund ein Ehrenamt aufs Auge, die Organisation der Sektionsabende. Vorträge mit bekannten Namen gab es damals auch schon, aber „nur sporadisch“.
Warum nicht eine Vortrags-Reihe starten, denkt sich Dürschmied und schreitet zur Tat: drei Vorträge im Frühjahr, drei im Herbst. 1976 beginnt die Reihe. Jetzt, nach 36 Jahren, hat Dürschmied – er wirkt in dieser Zeit noch 22 Jahre als zweiter Vorsitzender der DAV-Sektion – den Posten des „Vortragsreferenten“ abgegeben. 223 Vorträge hat er organisiert. Im Durchschnitt sind 130 Zuhörer gekommen, rund 30 000 Berg- und Naturfreunde haben ihm zu verdanken, dass sie einen Reinhold Messner, einen Höhenbergsteiger wie Michael Dacher oder die Kletterer Stefan Glowacz und Heinz Zak live erleben konnten.
An den ersten Referenten erinnert sich der 71-Jährige sofort: Franz Xaver Wagner aus München. Mehr Kabarettist als Bergsteiger zeigte der die Berge von einer „anderen Seite“, schmunzelt Dürschmied. Veranstaltungssaal war und ist der Leopoldinda-Saal im Rückert-Bau, ideal, sagt Dürschmied, auch wegen der Leinwand. Wagner hatte sich das Wallis südlich des schweizerischen Zermatt ausgesucht, ausgerechnet das Wallis, deren Höhenwege bis heute Dürschmieds Favorit sind.
Messner war 1978 in aller Munde. Mit Peter Habeler hatte er im Mai den Mount Everest, 8848 Meter, ohne Sauerstoff bestiegen. Im Herbst 1978 berichtete Messner in Schweinfurt darüber, nicht im Leopoldina-Saal, der war mit seinen 160 Plätzen viel zu klein. Man wich in die Stadthalle aus. 1980 holte Dürschmied Messner ein zweites Mal: Der Südtiroler hatte den K 2 gemeistert. Wegen der großen Nachfrage stellte der damalige OB Kurt Petzold das Theater zur Verfügung. Messner erhielt damals sogar einen Empfang im Rathaus, wo er sich im Goldenen Buch verewigte.
Viele weiter namhafte Referenten kommen nach Schweinfurt. Dürschmied ist längst gut bekannt, die stets herzliche Atmosphäre tut ein Übriges. 1981 Dacher, der als erster auf dem Cho Oyu in Nepal stand; 1982 Reinhard Karl, erster Deutscher auf dem Everest. Im März ist er zu Gast, im Mai 1982 verunglückt Karl tödlich am Himalaya. Zu nennen sind der Fotograf und Motorrad-Abenteurer Michael Martin (1983, 1986), der Bergsteiger Ludwig Graßler, 1996 die Extremkletterer Glowacz und 2001 und 2005 Heinz Zak.
Weitere Namen sind die schreibenden Bergsteiger Hans Steinbichler und Rollo Steffens, die 19 und zehn Mal referieren, bekannt ist Dieter Freigang, zuletzt füllte der Bergsteiger, Autor und Fotograf Bernd Ritschel den Leo-Saal. 72 Referenten sind es in den 36 Jahren, die Alpen sind das Kernthema, aber auch über Nordamerika, die Himalaya-Gebirge, über Neuseeland und die skandinavische Bergwelt erfahren die Zuhörer viel Unbekanntes.
Dürschmied sagt, dass die Reihe nur mit dem Leopoldina-Saal machbar war. Wenn der wegfiele, wäre das schlecht, weil adäquater Ersatz fehlt. Der 71-Jährige sagt, dass er das alles allein nicht geschafft hätte. Er sei der Kopf gewesen, ja, aber die „Mitarbeiter“ an der Kasse, am Einlass, beim Service, denen müsse man auch danken. Namentlich nennt er seine Frau Helge und Hannelore Schönstein, jahrelang war sie zuletzt die Kasse.
Hat der DAV mit den Vorträgen Geld verdient? Dürschmied lacht. „Null auf Null ging das immer auf“. Die Vortragsreihe sei dafür nicht geschaffen worden, sie diene dazu, möglichst vielen Menschen die Faszination der Berge, der Natur, auch den Schöpfungsgedanken nahe zu bringen. „Wir wollten zeigen, wie schön die Bergwelt ist, das ist gelungen“, sagt Dürschmied. Mitglieder zahlen für eine komplette Reihe mit sechs Vorträgen 24 Euro. Das könne sich jeder leisten.
Den Job würde er, der fast 40 Jahre bei SKF tätig war, im übrigen jederzeit wieder machen. Er habe in den fast vier Jahrzehnten so viele interessante Berggrößen, ihre „andere Denkweise“ kennengelernt. Einmalig sei das. Unvergesslich nennt er die Gespräche nach den Vorträgen bei einem Schoppen, einer Brotzeit. Keiner der Referenten ist ihm unangenehm in Erinnerung, die „sind alle bodenständig, ganz normal“, sagt Dürschmied: „Das alles hat mich persönlich weitergebracht.“ Seinen Posten hat bei der Sektion neu Alfred Gerlach übernommen.