Die Idee war erfolgversprechend: Flüchtlinge schneidern für Einheimische. Dabei entsteht interkultureller Kontakt, der baut Vorurteile ab und gibt den Menschen, die hier arbeiten, eine Perspektive. Obendrein wird eine echte Handwerkskunst am Leben erhalten. Funktioniert hat das Konzept von Sorya Lippert schon, nur finanziell getragen hat sich die "Interkulturelle Maß- und Änderungsschneiderei – Made in SW" in der Oberen Straße nicht. Auch die Unterstützung durch den Verein Interkult hat am Ende nicht ausgereicht."
Ich musste jedes Jahr 12 000 Euro zuschießen", sagt die in Sachen Integration vielfach engagierte Bürgermeisterin und Stadträtin. Deshalb hat sie den Laden jetzt geschlossen. Weil der Mietvertrag aber noch bis März läuft, wird der letzte hier angestellte Schneider Samir bis dahin noch einmal wöchentlich in Eigenregie seine Dienste anbieten.
Vielen Menschen hat Sorya Lippert mit ihrer 2015 eröffneten Interkulturellen Schneiderei eine Starthilfe gegeben. Zwei bis vier Schneider und Näher hatte sie immer beschäftigt, seit einem Jahr sogar eine Geschäftsführerin. Schaima Ali aus Afghanistan, die seit 17 Jahren in Schweinfurt lebt und einen deutschen Pass besitzt, kümmerte sich um das Geschäftliche an der Ladentheke, während hinten in der Näherei die Schneider werkelten. Vier Industrienähmaschinen waren im Einsatz. "Wir hatten immer gut zu tun", sagt Schaima. Doch das Kleinunternehmen hat sich nicht gerechnet. Nach Berechnung der Handwerkskammer hätte der Umsatz mehr als verdoppelt werden müssen. Oder die zweite Alternative: die Personalkosten reduzieren. Das aber hätte nicht den Zielen des Unternehmens, der Integration, entsprochen. Die Handwerkskammer hatte deshalb geraten, 2018 als letztes Testjahr laufen zu lassen und dann über die Zukunft des Betriebs zu entscheiden.
Sorya Lippert hat eine neue Vision entwickelt
Diese Entscheidung hat Sorya Lippert nun getroffen und an Weihnachten das Geschäft geschlossen. Schweren Herzens. "Mit meinem Projekt wollte ich Menschen zur Selbstständigkeit verhelfen, damit sie nicht ein Leben lang auf Hartz IV angewiesen sind." Aufgegeben hat sie diese Idee noch nicht und schon eine neue Vision entwickelt: "Coworking space." Bei dieser Arbeitsform werden Freiberuflern Arbeitsplatz und Infrastruktur zeitlich befristet zur Verfügung gestellt. Sie können unabhängig voneinander agieren, aber auch voneinander profitieren und gemeinsam Projekte verwirklichen. Sorya Lippert könnte sich vorstellen, dass der Verein Interkult diesen Rahmen für junge Menschen bietet, die sich die vollständige Selbstständigkeit noch nicht zutrauen. Der Verein würde den Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, an dem der Schneider dann als eigenständiger Unternehmer arbeitet.
Für Samir wäre das eine Starthilfe. Der 30-Jährige aus Afghanistan würde gerne weiterhin als Schneider arbeiten. Weil das Geschäft in der Oberen Straße nun aber geschlossen ist, hat er sich Arbeit in einer Bäckerei in Schonungen gesucht. Früher hat Samir im Familienunternehmen im Iran gearbeitet. Er ist zwar spezialisiert auf Herrenkleidung, näht aber auch für Frauen – alles, von der Bluse bis zum Abendkleid. Stolz zeigt er ein langes, trägerfreies Kleid in den Farben Schwarz-Rot-Gold, das er für eine Modenschau genäht hat. Oder die Weste, die er aus einer alten Jeans gefertigt hat. Zwei Sakkos hängen auch noch an der Stange. "Wir haben viele Modenschauen gemacht. Alle fanden die Sachen hübsch, aber gekauft haben nur wenige", bedauert Sorya Lippert.
Manches aus der Schneiderei ist inzwischen schon abverkauft. Die Nähmaschinen will Sorya Lippert allerdings behalten und damit ab April in die Interkult-Vereinsräume in die Friedenstraße umziehen. Denn in jedem Fall soll der Verkaufsrenner von "Made in SW", die aus Verpackungen genähten Taschen, weiter gefertigt werden. Und Sorya Lippert hofft, dass es für ihre Schützlinge vielleicht mit dem neuen Konzept "Coworking space" weitergehen kann.