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SCHWEINFURT
Intensiv, virtuos, Extraklasse
Redaktion
 |  aktualisiert: 23.12.2015 11:56 Uhr

Im vollbesetzten Foyer des Theaters der Stadt gastierte das Duo Concertant – Matthias Kügler (Klarinette) und Barbara Anton-Kügler (Klavier) – zusammen mit der Geigerin Martina Trumpp. Um es vorweg zu nehmen: ein Konzert der Extraklasse. Und es darf auch mal gesagt werden, schön, dass wir hier in Schweinfurt Künstler auf diesem Niveau haben.

Mit einer gut durchdachten Konzertdramaturgie wurden die Zuhörer regional nach Ungarn, Russland und Armenien, zeitlich in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts entführt – in eine Welt der Kriege und der Diktaturen, in der die Komponisten auch ganz realen Bedrohungen ausgesetzt waren. Faszinierend zu hören, wie unterschiedlich sie kompositorisch darauf reagierten. Aram Chatschaturians Trio für Violine, Klarinette und Klavier verbindet armenische Volksweisen mit klassischen Formen, das ist eingängig und doch eindringlich, schon hier bezauberte Matthias Küglers voller Klarinettenton mit seiner riesigen dynamischen Bandbreite und Martina Trumpps spannungsvolles Geigenspiel. Ein elegischer, klagender Grundton durchzieht das Stück, lässt auch an Klezmermusik denken.

Diesseitiger Prokofieffs in Paris komponierten „Fünf Melodien für Violine und Klavier“, ein dankbares Stück für die Violine, ein leicht melancholischer Grundzug durchzieht auch hier den Violinpart, der Martina Trumpp dankbare Aufgaben gab, während Barbara Anton-Kügler rhythmisch ungemein präzise die typischen Prokofieff-Klänge beimischte – trocken, leicht sarkastisch, das allzu Gefühlvolle kontrastierend.

Kamen die ersten Werke des Abends ohne vordergründige Virtuosität aus, zeigten die „Ballade“ von Leó Weimer und die „Bucolique“ von Eugene Bozza jeweils für Klarinette und Klavier die virtuosen Möglichkeiten des Klarinettenspiels, die Matthias Kügler wirkungsvoll umsetzte. Hier konnte die Pianistin auch den Flügel orchestral aufrauschen lassen. Gar nicht so idyllisch, wie es das Bild mit der Schafherde im wie immer lesenswert gestalteten Programmheft vermuten ließ, die „Bucolique“ von Bozza mit ihrer virtuosen Solokadenz für die Klarinette und dem witzigen, abrupten Schluss. Verblüffend die vielen unterschiedlichen Klangwirkungen der Klarinette.

Große Werke der Kammermusik dann nach der Pause: Prokofieffs Sonate Nr. 2 für Violine und Klavier, 1943 komponiert, von David Oistrach uraufgeführt, überrascht mit einer Fülle melodischer Einfälle und Stimmungen, orchestraler Steigerungen und ungehemmter Virtuosität – alles ernst gemeint? Oder ein Tribut an den von Stalin verordneten sozialistischen Realismus? Martina Trumpp und Barbara Anton-Kügler gestalteten das kraftvoll und virtuos bis hin zur fast schon unverschämt publikumswirksamen Schlussstretta, spüren aber auch immer wieder den doppelbödigen Seiten nach.

Bela Bartóks „Kontraste“ für Violine, Klarinette und Klavier setzte den klang- und ausdrucksmächtigen Schlusspunkt dieses spannenden Abends. Bartók blieb seinem eigenen Stil konsequent treu, aus der ungarischen Folklore gewonnene Melodien und Rhythmen zwingt er in streng konstruierte, dichte Formen mit oft harten, kompromisslos sich reibenden Klängen. Bartók emigrierte 1940 in die USA, kurz vorher entstand dieses Trio, unter anderem für Benny Goodman an der Klarinette.

Doch es entsteht kein leichter Ausflug in die Welt des Jazz, sondern ein düsteres, leidenschaftliches Stück – die Welt vor dem 2. Weltkrieg widerspiegelnd, kompositorisch auf der Höhe der kurz vorher entstandenen „Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“. Glücklich wurde Bartók in Amerika nicht, er starb dort fünf Jahre später. Das Duo Concertant und Martina Trumpp setzten dieses fordernde Werk mit beeindruckender technischer Sicherheit intensiv und virtuos um. Der bedrückende langsame Satz war vielleicht der Höhepunkt des Abends. Vor allem die Klarinette hatte nochmals klanglich herausragende, auch herausstechende Aufgaben zu erfüllen, was Matthias Kügler scheinbar mühelos mit großem Atem gelang.

Als Zugabe eine spritzige Ouvertüre von Darius Milhaud zur Entspannung, Wiederhören und -sehen unbedingt erwünscht. Thomas Barisch

 
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