"Ich kann mich ein wenig wie Willy Brandt fühlen, als er das Farbfernsehen eröffnet hat", sagte Landrat Florian Töpper, bevor er den symbolischen Startknopf für die "Integreat-App" des Landratsamts drückte. Ab sofort gibt es einen Wegweiser für Flüchtlinge und Asylbewerber, in einer Welt, die für Einheimische wie Ankömmlinge oft verwirrend bunt ist, aber nicht schwarz-weiß.
Die innovative Anwendungssoftware für Smartphones soll Neuzugewanderten die Welt der Kommunen und Landkreise eröffnen: ein "digitaler Alltagsguide", mit Ansprechpartnern, Tipps und Links, mit Hinweisen zu Sprachkursen oder Asylverfahren, aber auch zu Müllabfuhr, medizinischer Hilfe, Schul- und Kindergartenanmeldung, auf das Jobcenter oder den Lehrstellenmarkt. Die erste Antwort gibt der Landkreis Schweinfurt seinen Gästen auf die scheinbar banale Frage: "Wo bist Du?"
"Wir wollen Räume schaffen, in denen Integration stattfinden kann", sagt der SPD-Landrat im Großen Sitzungssaal, vor Bürgermeistern, Vertretern der Sozialverbände und des Ehrenamts sowie weiteren "Multiplikatoren". 1100 Flüchtlingen habe man derzeit im Kreis, so Töpper, eine Zahl, die zuletzt, nach dem großen Zustrom 2015, stagniere. Viele dieser Menschen seien noch nicht "zu 100 Prozent angekommen". Nach der Frage der Unterbringung, die anfangs im Vordergrund gestanden war, geht es nun um Orientierungshilfe in der fremden Umgebung. "Es gibt auch EU-Zuwanderer, die auch nicht ganz außen vor bleiben sollen", meinte der Landrat. Derzeit bereite sich der Landkreis aber eher auf das Ankerzentrum in den ehemaligen "Conn Barracks" vor, nahe Niederwerrn und Geldersheim.
"Integreat" gibt es auf Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch und Persisch
Tablets an den Stehtischen laden die Ehrengäste zum Klicken und Ausprobieren ein: "Integreat" gibt es auf Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch und Persisch. Mit am Eröffnungsbutton steht Anna Ott, die neue Bildungskoordinatorin im Landratsamt, die "Integreat" für lokale Bedürfnisse gestaltet und übersetzt hat. Als Studentin hat sie eine zeitlang in Jordanien und dem Westjordanland gelebt, und damit einen unmittelbaren Eindruck von den Konfliktgebieten, aus denen viele Heimatlose an den Main kommen. Besucht hat sie unter anderem das gigantische Flüchtlingslager Saatari, längst eine eigene Stadt an der syrisch-jordanischen Grenze.
Im Landratsamt ist auch Fritjof Knier von der "Tür an Tür - Digital Factory gGmbH" , als Mitentwickler der bundesweiten App. Der Digitalführer geht auf die Broschüre "First Steps" zurück, die der Augsburger Verein "Tür an Tür" schon 1997 an Flüchtlinge verteilt hat. Das Problem: Viele Adressen und Informationen waren bereits nach wenigen Wochen veraltet.
Es waren Studenten der TU München und der Uni Augsburg, die vor einigen Jahren mit "Integreat" eine flexible Online-Plattform eingerichtet und digitale Brücken gebaut haben: "ein lebender Prozess", so Knier. Seit 2015 ist die App mehrsprachig, die auf einen konkreten Lokalbezug setzt. "Deutschland ist, war und wird immer ein Einwanderungsland sein", ist Knier überzeugt. Schon vor 2015 seien jedes Jahr eine Million Menschen nach Deutschland gekommen (und eine Million Menschen wieder gegangen).
Die Ehren- und Hauptamtlichen im Saal blicken interessiert in die neue Informationsquelle. Einzige Enttäuschung: Die Einstiegsrede des Landrats gibt es nicht auf Arabisch. "Integreat" kann nun über den Google Play-Store oder den App-Store heruntergeladen oder im Internet abgerufen werden: https://integreat.app/lkschweinfurt/de