
Da würde selbst der dreifache Weltmeister der Formel 1, Sebastian Vettel (26), ganz alt aussehen: In zwei Sekunden beschleunigt das gut 500 Kilo leichte Segelflugzeug von Null auf Tempo hundert. Vettel braucht dafür eine halbe Sekunde mehr und wäre damit schon beim Start im Hintertreffen. Doch Geschwindigkeit zählt bei diesem Wettbewerb nicht wirklich. Vielmehr treffen sich am Flugplatz Schweinfurt-Süd zwischen Gochsheim und Schwebheim 27 junge Piloten zum fränkischen Vergleichssegelfliegen, der fränkischen Meisterschaft, und da geht es, verglichen mit der Formel 1, zum einen um ein Vielfaches langsamer und auch bedeutend leiser zu.
Aus allen fränkischen Bezirken treffen sich die Jugendlichen, um beim Vergleichsfliegen, verteilt auf zwei Tage, drei Wertungsflüge zu absolvieren. Eine Jury achtet mit Argusaugen auf die einzelnen Übungsteile, und dazu gehört neben einem gelungenen Start auch sauberes Fliegen und natürlich ein möglichst genaues Landen. Die Jury schaut genau hin, ob die Rollübungen funktionieren, eine 30-Grad-Neigung zu jeder Seite geschafft wird, die Kreiswechsel – bei denen die Piloten quasi eine Acht fliegen müssen – klappen und auch die Landung sauber aussieht.
Volle Konzentration
Was sich so einfach anhört ist in Wirklichkeit eine Angelegenheit, die bei den Piloten höchste Konzentration erfordert. Die Acht etwa besteht aus zwei Kreisen, einmal rechtsrum, dann linksrum – und zwar genau an der Stelle, an der zuvor rechtsrum geflogen wurde. Abweichungen bringen ebenso Minuspunkte wie ein zu spätes Abheben oder eine Landung außerhalb einer abgesteckten Strecke von 45 Metern, bestehend aus drei aufeinanderfolgenden Feldern. Je genauer im ersten Feld gelandet wird, umso höher die Punktzahl.
Auch der kleine Tower des Flugplatzes ist besetzt. In die Rolle der „Turmeule“ schlüpft beim Vergleichsfliegen Werner Ludwig. Als Flugleiter trägt er alle Daten in einen Computer ein und überwacht den Funkverkehr, sowohl zwischen der Seilwinde und dem Verantwortlichen bei den Piloten als auch den Funk der Piloten. „Turmeule“ heißt er deshalb, weil er seine Arbeit ganz allein erledigen muss, einzig ein Radio sorgt für etwas Unterhaltung.
An der Seilwinde, einem Lastwagen mit einem speziellen Aufbau, zieht Bernd Neinhardt die Piloten hoch in die Lüfte. Auch er erledigt seinen Job eher einsam, abgesehen von den jungen Leuten, die die beiden Nylonseile, an denen die Segelflieger hochgezogen werden, immer wieder bringen. Um die 1000 Meter Distanz zwischen Winde und Startplatz zurückzulegen, kommt ein ausgemusterter Audi A8 Quattro mit 4,2 Litern Hubraum zum Einsatz. Gefahren werden darf nur mit Tempo 20, damit das betagte Fahrzeug durch die etwas rumpelige, aber sorgfältig gemähte Graspiste nicht beschädigt wird.
Eigentlich hätte dieser Wettbewerb im Bamberg geflogen werden müssen, sagt Helmut Limberger, zweiter Vorsitzender des Aero-Clubs Schweinfurt. Denn Bamberg war Vorjahres-Sieger. Da der Flugplatz dort momentan umgebaut wird, „haben wir uns bereit erklärt, die Meisterschaft bei uns zu fliegen“, sagt Limberger.
Nächstes Jahr wird es Saal an der Saale sein, für das der diesjährige Sieger Lukas Schlembach startet. Saal ist auch der Austragungsort der bayerischen Meisterschaft, bei der vom 4. bis 6. Oktober aus allen Bezirken die besten 30 Piloten an den Start gehen werden. Die besten drei qualifizieren sich dort für das deutsche Jugendvergleichsfliegen.
Chancen dazu hat auch der Schweinfurter Jens Elflein, der es in Schweinfurt punktgleich mit Andreas Heil (Bad Brückenau) auf den dritten Platz geschafft hat. Er ist in einem vereinseigenen Schulungssegler unterwegs und muss, wie alle anderen Piloten auch, mehrere Instrumente gleichzeitig überwachen. Weil er etwas klein ist, bekommt er Sitzkissen hinter den Rücken gestopft, damit er auch richtig im Sitz sitzt. Andere Piloten fliegen mit Bleigewichten, weil sie sonst zu leicht wären.
Ein Wettkampf, zwei Tage
Der eigentliche Flug ist mit fünf bis sieben Minuten arg kurz, doch mehr ist auch nicht notwendig für die Flugübungen. Würde jeder eine halbe Stunde in der Luft bleiben, erklärt Limberger, „würden wir das Vergleichsfliegen niemals an einem Wochenende durchziehen können“. Denn dann wäre nicht nur die Jury hoffnungslos überfordert, die sich dann nicht auf einen, sondern gleich auf ein gutes Dutzend junger Piloten konzentrieren müsste.
Thermik herrscht beim Vergleichsfliegen übrigens nicht. Die Sonne versteckt sich hinter einer dichten Wolkendecke. Würde sie scheinen, würde sie die Erde erwärmen, die ihrerseits die Luft erwärmt und somit für die sonst erwünschte Thermik, also den Aufwind, sorgt. Ohne Thermik können die Piloten ohnehin nicht so lange fliegen, aber über die kurze Flugzeit beschwert sich niemand. Vielmehr haben alle Piloten und ihre Teams direkt nach der Landung alle Hände voll zu tun: Sie müssen den Segelflieger wieder zum Start zurückschieben und erhalten Unterstützung durch den „Follow-me-Car“: einem Smart. Der Winzling hat genügend Kraft, um auch als Schlepper eingesetzt werden zu können – und mehr muss er dort auch nicht tun.


