"Oma Resi freut es sehr", erzählt Sonja Giehl, "dass ihr Haus an der Schweinfurter Straße nun als Dorfladen wieder mit Leben erfüllt wird". Seit fünf Jahren lebt "Resi" Schneider im Seniorenheim – seitdem steht das Haus leer, war einfach nicht vermietbar, wie Enkelin Sonja berichtet. Irgendwann ist im Freundeskreis dann die Idee vom Dorfladen entstanden und hat langsam immer mehr Gestalt angenommen.
Seit Jahren kaufen Sonja und Patrick Giehl schon in diversen Hofläden der Umgebung ein und stellten schnell fest: man muss ganz schön rumfahren, um alle Dinge des täglichen Bedarfs zusammenzubekommen, dazu hakt es an den unterschiedlichen Öffnungszeiten.
Das soll nun in Grafenrheinfeld anders werden. Sonja und Patrick Giehl stellen sich ihren Dorfladen mit dem wunderbar treffenden Namen "Aus'm Schneider" als Marktplatz vor, an dem man alles bekommen kann – vom Putzmittel über Lebensmittel bis hin zum Kreativgeschenk. Verweilen statt Eile lautet die Devise, Plätze im hübschen Laden und vor der Tür sollen zum Treffpunkt im Dorf werden und für entschleunigtes, bewusstes Einkaufen mit der Möglichkeit zu guten Gesprächen sorgen.
Öffnungszeiten im herkömmlichen Sinn gibt es nicht
Bei den Öffnungszeiten winkt Sonja Giehl gleich ab – die gibt es nämlich nicht im herkömmlichen Sinne. Die junge Mutter ist optimistisch und möchte ihren Dorfladen mit einem Selbstbedienungskonzept betreiben. Als Richtlinie nennt sie hier 9 bis 18 Uhr, könnte sich aber durchaus auch andere Öffnungszeiten vorstellen, schließlich wohnt sie gleich nebenan. Vertrauen heißt das Zauberwort – darauf setzen die Giehls und wollen nun ausprobieren, ob das auch so klappt.
Das Angebot mit Augenmerk auf nachhaltiger Verpackung stammt aus der nächsten Umgebung; kommt aus Betrieben in Obbach, Schleerieth, Lindach oder Grafenrheinfeld, wie der Honig von Imkerin Viktoria Weidinger. Dazu gesellen sich Produkte der Lüsfelderin Stefanie Zwickel, die unter dem Namen "Imma Q" historische Obst- und Gemüsesorten vermarktet. Aus Lindach kommen Abo-Gemüsekisten und ganz besonders ins Herz geschlossen haben die Giehls die kleine Kosmetikmanufaktur "Mariundanne" aus Kitzingen, ein inklusives Töchter-Mutter-Projekt. Auch nachhaltige Putzmittel zum Anmischen, mit denen man seinen Plastikverbrauch erheblich reduzieren kann und Spirituosenabfüllungen gibt es im Angebot. Letzteres allerdings nicht per Selbstbedienung, sondern nur auf Bestellung, denn natürlich muss auch der Jugendschutz gewahrt werden. Und schließlich finden sich im Dorfladen Glückwunschkarten und Geschenkkörbe – am Tisch der Oma kann dann eingepackt und Kartenwerk beschrieben werden.
Man kann auch Fächer mieten und dort seine Produkte anbieten
Neben dem Vertrieb von Lebensmitteln und Hygieneprodukten sollen auch Handarbeitswaren über Mietfächer – sogenannte PopUp Fächer – angeboten werden und Sonja ist schon jetzt begeistert, wie viele kreative Menschen es in Grafenrheinfeld gibt. Die Fächer können gegen Gebühr gemietet werden; im Mietpreis enthalten sind auch der Aufwand für Bereitstellung, Unterhaltung und Werbung. Die Produkte werden mit Preisetiketten versehen, die dann zur Abrechnung in der Kasse mit der Bezahlung und dem Wechselgeld aufbewahrt werden. Die Mieterinnen und Mieter sind für ihre Fächer selbst verantwortlich, allerdings ist es den Giehls wichtig, dass alle Angebote zu ihrem Konzept passen und Normen und gesetzlichen Vorgaben entsprechen, sagt die Erzieherin mit Blick auf kindgerechte Spielsachen und Accessoires wie zum Beispiel Schnullerketten; die müssen, stellt sie klar, den Sicherheitsstandards entsprechen.
Apropos Jugend: auch der Giehlsche Nachwuchs ist begeistert über den großen familieneigenen "Kaufmannsladen", wie Patrick Giehl augenzwinkernd berichtet. Beide Kinder haben bei den Umbauarbeiten mitgeholfen, dazu hat der sechsjährige Sohn schon Samenbomben fabriziert und die dreijährige Tochter Bilder gemalt.
Nachhaltig, wertschöpfend und aus der Umgebung lautet die Devise der jungen Ladenbetreibenden, das haben sie schon beim Umbau konsequent umgesetzt. Ganz wichtig war es ihnen, authentisch zu bleiben, deshalb haben sie bewusst auf Förderungen verzichtet, die oft mit bürokratischen Vorgaben einhergehen, die nicht ins Konzept passten. Mit Unterstützung von Familie und Freunden haben sie in den letzten Monaten aus dem Erdgeschoss des hundert Jahre alten Hauses von Oma Resi Schneider eine kleine Einkaufsoase geschaffen mit viel Holz und Eigenleistung – "vielleicht nicht immer zu 100 Prozent perfekt, aber auf alle Fälle zu 100 Prozent so, wie wir uns das gewünscht haben" stellen beide nun fest.
"Wir fangen erstmal klein an", sagen die Giehls
Der Fußboden: ein Schnäppchen bei Ebay Kleinanzeigen, die Fliesen: ein Restposten aus dem nur drei Kilometer entfernten Röthlein. Der alte Holztisch ist noch von Oma Resi und lädt nun ebenso zum Verweilen ein wie die Kinderecke. Die Wände sind mit Kalk gestrichen – ganz ohne Chemie, auch das war beiden wichtig. Verschwundenes Mauerwerk wurde in stundenlanger Arbeit unter vielen Lagen Tapete wieder freigelegt und sorgt nun an mehreren Stellen für den besonderen Flair im Dorfladen.
"Wir fangen erstmal klein an und probieren aus, wie die Selbstbedienungsgeschichte mit 'Tante-Emma-Touch' läuft und das Angebot so ankommt", sagen die Giehls, die aber durchaus schon weitere Ideen im Hinterkopf haben.
Nun müssen alle – auch die Kundinnen und Kunden – "was dafür tun, dass das Konzept auch funktioniert", wenn der Dorfladen am Samstag, 8. Oktober, seine Tore und Türen öffnet.
Erste Eindrücke gibt es schon vorab auf der Homepage "ausm-schneider.jimdosite.com" oder auf Instagram "ausmschneider_rafeld".