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Gerolzhofen
In Gerolzhofen: Ende der Ausstellung "1700 plus eins" Jahre jüdisches Leben in Deutschland
Evamaria Bräuer beim Vortrag 'Wer hat's erfunden?'.
Foto: Brigitte Vogt | Evamaria Bräuer beim Vortrag "Wer hat's erfunden?".
Bearbeitet von Susanne Vankeirsbilck
 |  aktualisiert: 16.08.2022 02:42 Uhr

Mit einer Finissage endete in Gerolzhofen die Wander-Ausstellung „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, die rund zwei Wochen lang in der Evangelischen Erlöserkirche in Gerolzhofen zu besichtigen war. Corona bedingt konnte sie erst mit einem Jahr Verspätung gezeigt werden. Die folgenden Informationen sind einer Pressemitteilung der Veranstalter entnommen.

Auf Tafeln mit kurzen Texten und Bildern konnte die Geschichte der Juden in Deutschland nachvollzogen werden. Dabei stellte an einem der Ausstellungstage Evamaria Bräuer eine Fülle von akribisch recherchierten Informationen zu heute immer noch bekannten Produkten und Unternehmen. Erfindungen und Entdeckungen durch jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, auch aus dem regionalen fränkisch-bayerischen Raum, ins Zentrum ihres Vortrages "Wer hat's erfunden?".

Erfindungen und Entdeckungen

Bräuer nannte viele markante Beispiele – darunter die Jena Levi`s 501. Der aus Buttenheim im Landkreis Bamberg in die USA ausgewanderte Löb (Levi) Strauß ersann das zunächst als Arbeitshose gedachte unverwüstliche Kleidungsstück.

Die Entdeckung der Tropfsteinhöhle in der fränkischen Schweiz ist dem in Memmelsdorf geborenen Ignaz Bing zu verdanken und wurde nach ihm benannt. Er war Mitbegründer und Fabrikant der weltgrößten Blechspielwaren Fabrik in Nürnberg.

In der Papierfabrik der Brüder Rosenfelder – Söhne eines Bamberger Hopfenhändlers – erkannte man den Bedarf der modernen 20er Jahre und fertigte in Heroldsberg Hygieneartikel. Auf den Erfindergeist der Brüder gehen die bis bis heute benutzten Patente,  die Damen-Binde "Camelia" und vor allem das Wegwerftaschentuch "Tempo" zurück.

Auch die Gebrüder Marschütz, deren Familienwurzeln in Frankenwinheim liegen, hatten ein „guten Riecher“ für Neuerungen. Sie sind die Gründer der Firma Hercules-Werke Nürnberg. Hergestellt wurden dort neben Fahr- und Motorrädern auch die erste Vierrad-Elektro-Chaise, etwa 40 Stundenkilometer schnell. Sie hatte mit einer Batterieladung eine Reichweite von rund 50 Kilometern.

Der 1921 in Bad Kisssingen geborene zweite Sohn eines Kantors erhielt für seine Jagd nach der Weltformel 1988 den Physik Nobelpreis: Jack Steinberger wird auch Teilchenjäger genannt.

Entstehungsgeschichten bekannter Produkte wie Nivea, Aspirin, bildeten weitere Schwerpunkte des Vortrages – ob die Entwicklung von Singer-Nähmaschinen, das Entstehen von Kaufhäusern,  Werbeslogans oder des Kosmetikkonzerns Estée Lauder.

Führung durch den israelitischen Friedhof

An einem anderen Tag bot Evamaria Bräuer Einblicke in das Regelwerk jüdischen Lebens und in historische Zusammenhänge aus der Geschichte und der Bestattungskultur des fränkischen Landjudentums. Hierzu fanden sich etwa 20 Erwachsene und Kinde  zu einer Führung durch den israelitischen Friedhof ein. Details zu Riten und Bräuchen der Bestattung, die im heißen Klima des Vorderen Orients entstanden sind, bildeten den Einstieg in den Rundgang. Im Inneren des Tahara-Hauses konnten die Teilnehmenden den originalen Waschstein besichtigen, auf dem die Toten für das Begräbnis vorbereitet wurden.

Der Friedhof wurde in den Jahren 1631/32 angelegt. Er war Distrikts Friedhof für die umliegenden jüdischen Gemeinden. Anhand einiger Grabsteine erläuterte Bräuer Einzelheiten aus dem Leben der jeweiligen Familien, über ihre Berufe und familiären Schicksale. Auf einigen Grabsteinen sind auch Datum der Deportation beziehungsweise des Todes im Vernichtungslager zu lesen. Diese wurden nach 1945 im Auftrag überlebender Angehöriger angebracht.

Die letzte offizielle Beisetzung war die des Gerolzhöfer Gemeindevorstandes Willi Brodmann am 2. Februar 1942. Danach wurde der Friedhof durch das Naziregime für geschlossen erklärt. Dennoch kam es im April 1942 noch zur heimlichen Bestattung des 73-jährigen Gerolzhöfer Kaufmanns Hermann Löbhardt. Drei Tage vor dieser Beisetzung waren 20 verbliebenen Juden aus Gerolzhofen  deportiert worden.

Das Grab von Hermann Löbhardt wurde erst 2001 bei einem Projekt mit Prichsenstädter Schülern wiederentdeckt. Gegen den üblichen Brauch Grabsteine senkrecht zu stellen wurde dieser Stein liegend gefunden und war von Gras überwachsen.

 
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  • eboehrer@gmx.de
    Zum liegenden Grabstein: So zu bestatten war in der NS-Zeit nicht unüblich. Es gibt in Unterfranken mindestens noch zwei Friedhöfe, wo das so gehandhabt wurde.
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