Die Kirche St. Johannis wird vom 18. Januar bis 8. Februar drei Wochen lang zur Vesperkirche – der ersten in Bayern. Menschen unterschiedlicher Herkunft und sozialer Stellung, Arme und Wohlhabende, Arbeitslose und Berufstätige, Hilfesuchende und Ratgebende begegnen sich jeden Mittag von 11.30 bis 14.30 Uhr – auch samstags und sonntags – auf Augenhöhe in der besonderen Umgebung eines Kirchenraums. Sie essen gemeinsam zu Mittag, kommen beim Kaffeetrinken ins Gespräch, erleben dort ein „Miteinander für Leib und Seele“.
Das ist auch das Motto der bisher im Freistaat einzigartigen Vesperkirche mit den Gastgebern Diakonie und Evangelische Kirche. „Das ist ein großes Ding, das wir da herholen“, sagte Dekan Oliver Bruckmann am Freitag bei einer Pressekonferenz im Dekanat, in der er gemeinsam mit Diakonievorstand Jochen Keßler-Rosa noch einmal über die Idee, das Wann, Was und Wo und vor allem über das erfreuliche Engagement von 180 Ehrenamtlichen berichtete. Ein Coup ist ihnen insofern gelungen, als der neue Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, am 6. Februar die Vesperkirche besuchen wird.
Für mehr Gerechtigkeit sorgen
Eine Vesperkirche ist keine neue Erfindung. In Baden-Württemberg gibt es 25. Die Ausschreibung für die erste Vesperkirche in Bayern interessierte einige Kirchengemeinden, St. Johannis Schweinfurt erhielt den Zuschlag.
Mit dem Kooperationsprojekt „wollen wir für mehr Gerechtigkeit sorgen“, sagte Bruckmann. Im Zentrum stehe die Gastfreundschaft und die Begegnung. „Nicht einer gibt dem anderen Geld, sondern wir erleben die Gemeinschaft“. Die Kirchentür steht für alle offen, alle sind willkommen, weshalb der Preis pro Essen auch nur bei 1,50 Euro liegt.
Der Gast wird am Eingang von einem „Begrüßungskomitee“ empfangen, zu einem freien Platz geführt. Die Ehrenamtlichen servieren eine Vorspeise (Suppe oder Salat), ein Hauptgericht (auch vegetarisch) und danach gibt es Kaffee und Kuchen. Das Essen kommt aus der Leopoldina-Küche. Wie viele Gäste erwarten die Gastgeber? Die Gastgeber wissen es nicht. „Wir sind selbst gespannt, wie es angenommen wird“, sagt Keßler-Rosa, „am ersten Tag wird man uns die Bude nicht einrennen“, antwortet Bruckmann.
In St. Johannis müssen wegen des großzügigen Kirchenraums nur ein paar Bänke am Rand abmontiert werden. Der „Speisesaal“ mit Tischen und Stühlen für 120 Gäste befindet sich in der Mitte. Damit der Sandboden keinen Schaden nimmt, wird ein Laminatboden verlegt. Rechts und links des Haupteingangs sind „Küche“, Spülbereich, Kuchentheke. Es gibt – alles kostenlos – eine Kinderbetreuung; für den, der es wünscht, ein vertrauliches Seelsorger-Gespräch mit Pfarrer; eine persönliche Sozialberatung; Energieberatung; und wechselnde Dienstleistungen – ein mobiler Optiker, Blutdruckmessung durch eine Schwester der Diakoniestation, ein Frisör schneidet Haare.
„Wort in den Tag“
Das Besondere, „das eine Gaststätte nicht hat“ (Bruckmann): Täglich um 13 Uhr gibt es ein fünfminütiges „Wort in den Tag“. Diesen geistlichen Impuls geben Pfarrer, Diakone. Drei, vier Minuten wird also innegehalten, man erfährt dort einiges über die Idee der Bewirtung von Gästen in einer Kirche oder über tagesaktuelle Dinge.
Ein „Dienstplan“ steht. Täglich sind mindestens 40 der bis jetzt registrierten 180 Freiwilligen im Einsatz. In der Küche, als Platzanweiser, als Kuchenbäcker und am Ende des Tages als Aufräumer.
Es gibt drei Abendprogramme, Beginn immer um 19 Uhr. Am 22. Januar treten Pfarrerinnen und Pfarrer aus dem Dekanat im Chor und instrumental unter Leitung von Kirchenmusikdirektorin Andrea Balzer auf. Am 29. Januar folgt eine Talkrunde zum Thema Asyl mit Erfahrungsberichten von Flüchtlingen. Am 5. Februar ein Benefizkonzert mit Steffi List und der Inklusionsband Mosaik.
An allen vier Sonntagen im Zeitraum ist Gottesdienst mitten in der Vesperkirche. Am 18. Januar predigt der Präsident des Diakonisches Werkes Bayern, Pfarrer Michael Bammessel, am 25. Januar Jochen Keßler-Roda, am 12. Februar Pfarrer Martin Dorner (Nürnberg), der in der Diakonie Bayern für die Vesperkirche zuständige Referent und am 8. Februar Regionalbischöfin Gisela Bornowski.
90 000 Euro Kosten
Das Projekt kostet rund 90 000 Euro. Die Hälfte steuern für das erste Mal das Diakonische Werk Bayern und die evangelische Landeskirche bei. „Die zweite Hälfte tragen wir“, sagt Keßler-Rosa. Erste 10 000 Euro sind bisher von Sponsoren gespendet worden. Man hofft auf weitere Spenden und Helfer.