Das Haus Marienthal mit seiner „Abteilung“ Streetwork startet mit dem Stadtjugendamt ein neues Wohnprojekt für 18- bis 25-Jährige: In der citynahen Dreizimmerwohnung können bis zu drei junge Menschen, die in ihrer Lebensführung noch Unterstützung benötigen, erste eigenständige Wohnerfahrung sammeln.
Im Mai geht es los. Am Mittwoch konnte die Öffentlichkeit einen Blick in die Wohnung werfen.
Das große Thema bei der täglichen Arbeit von „Streetwork Schweinfurt“ ist die „versteckte Wohnungsnot“. Der junge Mensch ist zuhause rausgeflogen oder hat selbst wegen der Verhältnisse das Weite gesucht. Er findet mal bei einem Kumpel eine Bleibe. Das aber nicht dauerhaft, oft nur für eine Nacht.
Klientel sind von Obdach- und Arbeitslosigkeit bedrohte junge Menschen
Dieses „Nomadentum beenden“ ist für die Streetworker eine wieder kehrende Aufgabe, zumal Beratung „auf der Straße“ nicht möglich ist. In der Ende 2013 eröffneten Anlaufstelle in der Roßbrunnstraße hat Streetwork eine ersten „Schutzraum“ mit der so wichtigen diskreten Gesprächsmöglichkeit geschaffen.
Und nun gibt es dieses Dach über die Köpfe oftmals von Obdach- und Arbeitslosigkeit bedrohte Heranwachsende. Unterschlupf wird nur maximal sechs Monate gewährt, inklusive begleitende Hilfe etwa bei der Suche nach einem Ausbildungs- und/oder Arbeitsplatz durch die Streetworker.
„Viele jungen Menschen können ihr Leben noch nicht selbstständig organisieren“, sagte Jugendamtsleiterin Maria Albert-Wirsching, weshalb der Feldversuch wichtig sei, so Sozialreferent Jürgen Montag.
Die gewünschte Sechs-Zimmer-Wohnung war nicht zu finden
Gesucht war eine Wohnung mit sechs Zimmern für ebensoviele Heranwachsende, schilderte Marienthal-Erziehungsleiter Matthias Zaworka, der fachliche Leiter auch von „Streetwork“. Jetzt ist man mit einer Dreizimmerwohnung fündig geworden und fängt bei diesem „Wohnfähigkeitstraining“, in der Fachsprache Q-Base genannt, erst Mal kleiner an.
Die mittlerweile drei Fachkräfte von Streetwork – die Pionirin Katja Halbig (früher Frentz) und neu Alexander Krüger und Julia Siebenhaar plus Praktikantin Jannika Kolbe – wollen den Bewohnern Basiskompetenzen vermitteln.
Dazu gehört das Strukturieren des Alltags, Pünktlichkeit, Konfliktfähigkeit. Es wird also die Eigenständigkeit, Eigenverantwortung und Selbstorganisation gefördert, aber auch gefordert.
Q-Base verfolgt gemeinsam mit den Bewohnern als weiteres wichtiges Ziel, ihre Kompetenzen zu verbessern, „um im Wohnungs- und Arbeitsmarkt bestehen zu können“, schildert Halbig. In der neuen Wohnung gibt es dementsprechend klare Regeln. Party feiern zum Beispiel geht, aber nicht uferlos. „Wir geben hier wie immer aber einen Vertrauensvorschuss“, sagt Halbig.
Maximal drei Bewohner finden für jeweils maximal sechs Monate einen Platz
Die beiden ersten Bewohner ziehen im Mai ein, beispielsweise der 19-Jährige, der sich schon mit Hilfe der Streetworker gefangen hat: Er hat einen Arbeitsplatz mit Option auf eine Ausbildung, sollte er den externen Quali bestehen. Erwähnenswert ist auch der ehrenamtliche Einsatz des von den Streetworkern betreuten Gordon, der bei der Renovierung der Dreizimmerwohnung mithalf.
Der Baustein Q-Base wird im Rahmen des Projektes „Jugend stärken im Quartier“ durch das Bundesjugend- und das Bauministerium sowie im besonderen den Europäischen Sozialfonds und die Stadt Schweinfurt gefördert. Das unter anderem auch via Job-Center, der dann die Wohnkosten übernimmt, wenn ein Bewohner Hartz-IV erhält.
Streetwork Schweinfurt
Das vierköpfige Team von „Streetwork Schweinfurt“ unter der Trägerschaft des Haus Marienthal ist auf der Straße unterwegs, spricht dort Jugendliche mit offensichtlichen Problemen an. Warum? Weil junge Menschen, die sozialen Benachteiligungen und individuelle Beeinträchtigungen überwinden müssen, eine sozialpädagogische Hilfe brauchen und auch nutzen. Seit zwei Jahren gibt es in der Roßbrunnstraße außerdem eine Anlaufstelle. 2015 suchten sie 565 junge Menschen auf, darunter 398 Männer und 167 Frauen. Nicht allen, aber sehr vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die durch zu hohe Zugangsvoraussetzungen oder schlechte Erfahrungen durch das Raster der Hilfestellungen gefallen waren, konnte Streetwork wieder auf die Beine helfen beim Kampf gegen Arbeitslosigkeit, fehlende Berufsausbildung, drohende Obdachlosigkeit, Schulden, Probleme beim offiziellen Schriftverkehr oder beim Erreichen des externen Quali als Voraussetzung für einen Ausbildungsplatz.