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Schweinfurt
Im Zeichen des Allsehenden Auges
Im Caruspark wurde eine Büste des Leopoldina-Gründers Johann Lorenz Bausch (1605 bis 1665) enthüllt, durch OB Sebastian Remelé (von links), Prof. Dr. Jutta Schnitzer-Ungefug vom Freundeskreis der Akademie sowie deren Präsident Prof. Dr. Gerald Haug.
Foto: Uwe Eichler | Im Caruspark wurde eine Büste des Leopoldina-Gründers Johann Lorenz Bausch (1605 bis 1665) enthüllt, durch OB Sebastian Remelé (von links), Prof. Dr.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 11.09.2023 02:45 Uhr

Es herrschte Angst über der Stadt am 12. August 1654. Die totale Sonnenfinsternis über Europa war zwar vorausberechnet worden, aber auch in Schweinfurt rechnete so mancher mit dem Weltuntergang. Der Stadtrat ordnete vorsichtshalber eine "Betstunde" an, nebst Lockdown der Brunnen und Geschäfte.

Stadtphysicus Johann Lorenz Bausch dürfte bei der Himmelsverdunkelung cool geblieben sein. Der Frühaufklärer fühlte sich bereits der Naturwissenschaft verpflichtet, von seiner mutmaßlichen Sternwarte im Bauschenturm aus. Das Gebäude ragt bis heute am Roßmarkt auf, an der "Turm-Passage" Richtung Siebenbrückleinsgasse. Im Dezember 1664 vermerkte der Astronom gleich noch die Sichtung eines großen Kometen. Auch die frisch gegründete Royal Society of London schwenkte ihre Fernrohre auf den hellen Feuerschweif, als zweitälteste noch bestehende Wissenschaftsakademie der Welt (mit Sir Isaac Newton als späterem Präsidenten).

Aufbruch zu neuen wissenschaftlichen Ufern

Der Gründer der historischen Nr. 1 saß in Schweinfurt. Dr. Johann Laurentius Bausch hatte seine "Academia Naturae Curiosorum" schon am 1. Januar 1652 aus der Taufe gehoben, zusammen mit den Arztkollegen Fehr, Metzger und Wohlfahrt. Als erster Präsident gab er sich den Amtsnamen Jason, nach dem Chef der Argonauten. Wie die antiken Helden auf der Suche nach dem Goldenen Vlies, wollten die Schweinfurter fortan zu neuen wissenschaftlichen Ufern aufbrechen, mit Heilmitteln im Focus. Daraus entwickelte sich die "Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina", benannt nach einem Schirmherrn, Kaiser Leopold. Seit 1878 ist der Sitz in Halle, 2008 wurde daraus Deutschlands "Nationale Akademie der Wissenschaften".

Von Sonnenfinsternis war keine Spur, als nun im Caruspark eine Bauschbüste enthüllt wurde, am Internationalen Campus der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Der Freundeskreis der Leopoldina-Akademie hat das Bronzebildnis gestiftet. Entsprechend war einige nationale Wissenschafts-Prominenz anwesend, darunter Akademiepräsident Prof. Dr. Gerald Haug, die Vorstandsvorsitzende des Freundeskreises, Prof. Dr. Jutta Schnitzer-Ungefug und Prof. Dr. Bernd Göbel. Der renommierte Hallenser Bildhauer hat deutschlandweit Denkmäler und Brunnen geschaffen, Eichendorff ebenso verewigt wie Brecht oder Bach. Für festliche Klänge sorgten junge Blechbläser der Musikschule Schweinfurt.

Gustav Adolf wollte Schweinfurt zur Universitätsstadt erheben

OB Sebastian Remelé freute sich über "strahlendes Schweinfurt-Wetter", in den Wappenfarben Blau und Weiß. In der ehemaligen Panzerkaserne, bis 2014 Garnison der US-Armee, betont der Rathauschef, dass Bausch seinen barocken "Think Tank" kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg gegründet hat. Dessen Verheerungen waren noch sehr präsent. Auch 2023 sind neben der "Entwicklungsmeile der TH" (Remelé), wo unter anderem ein Robotik-Zentrum entsteht, ukrainische Kriegsflüchtlinge untergebracht. 1652 waren die Schweden gerade erst abgezogen. Bausch hatte kurze Zeit in Diensten Gustav Adolfs gestanden, der das protestantische Schweinfurt gerne zur Universitätsstadt erhoben hätte. Das jähe Ableben des Schwedenkönigs 1632, in der Schlacht bei Lützen, kam den Plänen zuvor.

Stadtmedicus Bausch, Enkel eines Hufschmieds aus Kaltennordheim in der Rhön, blieb ehrgeizig. Er hatte in Jena studiert und in Nürnberg promoviert. 1628 besuchte der Reichsstädter Italien, darunter die Wissenschaftsmetropole Padua. Wenig später wütete in der Heimatstadt die Pest, der Arztsohn kämpfte zusammen mit Vater Leonhard gegen die Seuche. Als Büste deutet der Mediziner auf das Logo der Leopoldina, Buch und Allessehendes (Sonnen-)Auge, nebst Kräuterranke.

Medicus und Stadtrat hat einige Spuren hinterlassen

Gerald Haug, Akademiepräsident Nr. 27, erinnert an den Caruspreis der Schweinfurter, benannt nach einem Amtsvorgänger, der in Verbindung mit der Hallenser Carusmedaille für bedeutende Entdeckungen vergeben wird. Dr. Uwe Müller wird ebenfalls gewürdigt. Der ehemalige Leiter des Stadtarchivs Schweinfurt gilt als "der" Experte für die Gründerzeit der Leopoldina und ein Wegbereiter der engen Zusammenarbeit mit Halle.

Letztlich sei Bausch weniger Forscher als "genialer Wissenschaftsorganisator" gewesen, stellt Haug fest, eine Qualität, die auch heute gefragt sei. Jutta Schnitzer-Ungefug verweist auf bekannte Förderprogramme der Leopoldina, darunter ein Bauschstipendium. Das "Leopoldina Ukraine Distinguished Fellowship" unterstützt ukrainische Forscher, deren Arbeit durch den Krieg eingeschränkt wird. Zur Büste soll es nun noch eine Fotodokumentation der Herstellung geben. Von Ulf Dräger, Chef des sächsisch-anhaltinischen Landesmünzkabinetts der Moritzburg, folgt eine Laudatio auf Bernd Göbel und dessen moderne Interpretation eines Barockgelehrten, "lebensfroh" und "erhaben" zugleich. Der Medicus und Stadtrat hat in Schweinfurt einige Spuren hinterlassen, etwa die Bauschbibliothek im Museum Otto Schäfer. Nicht unerwähnt bleibt, dass Rathausarchitekt Nickel Hoffmann ebenfalls Hallenser war, zu Renaissancezeiten.

Die Sonne schien auf den Chef der Schweinfurter Argonauten: Johann Lorenz Bausch trägt das Logo der Leopoldina auf dem Herzen.
Foto: Uwe Eichler | Die Sonne schien auf den Chef der Schweinfurter Argonauten: Johann Lorenz Bausch trägt das Logo der Leopoldina auf dem Herzen.
An der Roßmarkt-Passage ragt bis heute der Bauschenturm auf, als Relikt des barocken Wohnhauses der Familie.
Foto: Uwe Eichler | An der Roßmarkt-Passage ragt bis heute der Bauschenturm auf, als Relikt des barocken Wohnhauses der Familie.
Mit Gedenkstein: Neben dem Bauschenturm hat der Hausherr 1650 das Ende des Dreißigjährigen Kriegs gefeiert.
Foto: Uwe Eichler | Mit Gedenkstein: Neben dem Bauschenturm hat der Hausherr 1650 das Ende des Dreißigjährigen Kriegs gefeiert.
 
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