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Schweinfurt
Im Westen nichts Neues: Der Schrecken so aktuell wie vor über 100 Jahren
Binnen kürzester Zeit wurde „Im Westen nichts Neues“ zum Antikriegsroman des 20. Jahrhunderts.
Foto: a.gon Theater | Binnen kürzester Zeit wurde „Im Westen nichts Neues“ zum Antikriegsroman des 20. Jahrhunderts.
Karl-Heinz Körblein
Karl-Heinz Körblein
 |  aktualisiert: 06.03.2025 02:40 Uhr

Am Tag, an dem Paul Bäumer in der Endphase des Ersten Weltkrieges stirbt, meldet der Bericht der Obersten Heeresleitung "keine besonderen Vorkommnisse". Bäumer ist nur einer der vielen jungen Männer, die kurz nach dem Abitur an die Front gerufen wurden, von national gesinnten Lehrern (die in ihrem Alter ja selbst nicht in den Krieg ziehen mussten) indoktriniert, dem Einsatz neugierig, ja auch begeistert entgegensehend.

Erich Maria Remarque hat eigene Erfahrungen in einem Buch ("Im Westen nichts Neues") verarbeitet, das zum Antikriegsroman des 20. Jahrhunderts werden sollte und von den Nazis verbrannt wurde. Es war bereits 1930 erstmals verfilmt worden, eine Hollywood-Fassung wurde 2022 mit vier Oscars ausgezeichnet.

Inzwischen gibt es den Stoff auch für die Bühne. Das a.gon-Theater München hat ihn jetzt in Szene gesetzt (Regie: Johannes Pfeiffer) und geht nach den Endproben und der Premiere in Schweinfurt (was als Auszeichnung verstanden werden darf) auf Tournee.

Steven Koop hat eine schlichte, graue Bühne gebaut: Einige Holzgestelle, die auf offener Bühne immer wieder neu arrangiert, vom Klassenzimmer bis hin zum Schützengraben zusammengestellt werden. Im Hintergrund eine große Video-Leinwand, auf der das bedrückende Grauen des Krieges aufscheint. Bomben- und Granatenhagel, Gewehrbeschuss, Giftgas, überbelegte Lazarette.

Weiß das Kleid, grob die Militärstiefel

Remarque erzählt die Geschichte mit dem jungen Bäumer (glänzend Gabriel N. Walther), der schon früh im Krieg den Verlust eines Freundes beklagen muss, der selbst tötet und sein Opfer, einen Franzosen, verschreckt in den Armen hält. Wie in Trance, leise vor sich hinsingend, begleitet eine junge Frau (Anna Wagner) diesen Schrecken. Weiß das Kleid, grob die Militärstiefel.

Thorsten Nindel fasziniert gleich in mehreren Rollen, als dumpf-backiger, demagogischer Lehrer wie als Soldat Katczinksy. Peer-Robin Hagel steht für die jungen Männer, die die Sinnlosigkeit ihres Tuns begreifen, leiden, aber auch zum Zyniker werden. Christian Buse ist nicht nur Koch und Arzt, sondern überzeugt vor allem als schnoddriger Major, der zur Front, kraft seines Dienstgrades, immer Distanz gehalten hat. Fallen sollen die Jungen.

Die Inszenierung arbeitet mit vielen kurzen Szenen und dies mit einem Höllentempo, das ihr nicht immer dienlich ist. Es geht – weil schwer verständlich – Text verloren, so auch die Kleist-Passagen, die Walther aus seiner Schulzeit in den Krieg mitgenommen hat. Lea Gesztis Stimme überschlägt sich, als trauernde Mutter oder wenn sie herrisch durch das Lazarett marschiert.

Dennoch: Die Inszenierung beeindruckt, ihr Thema ist heute so aktuell wie vor über 100 Jahren. Bei der Premiere stellt sich der langanhaltende Applaus zunächst erst zögerlich ein. Was für ihre Intensität spricht.

 
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  • Ulrike Schneider
    Eine überaus beeindruckende Inszenierung… erschreckend aktuell auch heute noch, leider.
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