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SCHWEINFURT
Im Westen nichts Neues: Der Roman als Lesung
Im Westen nichts Neues: Der Roman als Lesung

Von unserem Mitarbeiter

Manfred Herker

 |  aktualisiert: 07.05.2014 18:08 Uhr

Innerhalb des Augustinum-Jahresthemas 2014 „Welterbe“ stelle der Beginn des 1. Weltkrieges (1914-1918) natürlich ein besonderes Kapitel dar, betont Kulturreferentin Waltraud Haas bei der Begrüßung. Angekündigt war eine Lesung von Hans Driesel von Erich Maria Remarques (1898-1970) Kriegsroman „Im Westen nichts Neues“. Doch Driesel ergänzte wichtige politische Einordnungen, verdeutlichte und kommentierte die zitierten Romanpassagen. So gelang ihm eine spannende berührende Geschichtsstunde.

Driesel bezeichnet den 1929 erschienenen Roman als eines der größten Bücher der Literaturgeschichte. Dessen Botschaft, die Anklage gegen die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges, sei noch heute (nicht nur bei der Entwicklung im Osten) aktuell. Was mit dem Attentat von Sarajewo am 28. Juli 1914 begann, entwickelte sich zu einer mörderischen Marterialschlacht mit 15 Millionen Toten.

„Das Buch soll auch über eine Generation berichten, die vom Krieg zerstört wurde – auch wenn sie seinen Granaten entkam“, schreibt Remarque. Und er meint damit die verheerenden Auswirkungen auf die Psyche der Soldaten, die sich allmählich in panische Tiere verwandelten. Wiederholt vergleicht Driesel Remarques Antikriegsroman mit dem Kriegstagebuch „In Stahlgewittern“ von Ernst Jünger (1895-1998), der den Krieg ästhetisierte, ja erotisierte. Remarque dagegen berichtet in einer einfachen Sprache vom Einsatz der tödlichen Kriegsmaschinerie: Giftgas, Artillerie, Panzer und Maschinengewehre. Er beschreibt den grausamen Mann-gegen-Mann-Kampf an der Front, die leichenbedeckten Schlachtfelder, das elende Leben in den Schützengräben.

Zur Handlung. Der 19-jährige Paul Bäumer kommt als ahnungsloser Kriegsfreiwilliger von der Schulbank an die Westfront. „Wir liegen neun Kilometer hinter der Front. Wir haben den Magen voll weißer Bohnen mit Rindfleisch und sind satt und zufrieden“. Der Grund für die doppelte Essensration: Von 150 Soldaten sind nur 80 von der Front zurückgekommen. Die Kameraden besuchen den schwerverletzten, beinamputierten Kemmerich, besorgen ihm Morphiumspritzen. Gleichzeitig versucht einer, an die Stiefel des Sterbenden zu kommen.

Die reduzierte Kompanie wird mit jungen Rekruten aufgefüllt und muss an die Front. Mehrere Soldaten sterben, als sie bei einem Artillerieangriff von Giftgas überrascht werden. Driesel: Täglich starben 9000 Soldaten an der Westfront. Remarque beschreibt anschaulich die Angst der Soldaten angesichts des Todes, ihren Hunger, die Rattenplage. Ein Sturmangriff gegen die Franzosen fordert unter den unerfahrenen Rekruten viele Opfer, von 150 Mann kehren 32 ins Lager zurück.

Als Schlüsselstelle des Romans bezeichnet Driesel dessen neuntes Kapitel. Auf einer Patrouille verliert Bäumer die Orientierung, befindet sich im Niemandsland, sucht in einem Bombentrichter Schutz. Er ist fast gelähmt von der Todesangst eines Einsamen - drüben stehen feindliche Scharfschützen. Da fällt plötzlich ein Franzose in seinen Trichter. Reflexartig sticht Bäumer mit seinem Seitengewehr zu. Einen ganzen Tag muss Bäumer es neben dem Sterbenden, dann dem Toten aushalten. „Vergib mir, Kamerad! Wie konntest du mein Feind sein? Ihr seid ebenso arme Hunde wie wir mit der gleichen Angst vor dem Tode“.

Remarque verschafft seinen Lesern mit kleinen, oft amüsanten Episoden die notwendige Entspannung inmitten aller grausamen Schilderungen. Etwa den requirierten Gänsebraten oder das gut abgesicherte Schäferviertelstündchen eines Kameraden mit seiner Frau in einer voll besetzten Sanitätsstube. Nur Verschnaufpausen. Bäumer schleppt den am Schienbein verwundeten Kameraden Kat zum Verbandsplatz. Sie tauschen ihre Heimatadressen aus. Endlich ist Kat geborgen. „Das hättest du dir sparen können, der ist tot“, sagt der Sanitäter. Unbemerkt hatte ein umher irrender Splitter Kat am Kopf getroffen und getötet.

Kurz vor Kriegsende fällt schließlich auch Paul Bäumer. „An einem Tag, der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass der Heeresbericht sich auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden“.

 
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