Freitagabend, die Zeiger der Kirchturmuhr kriechen langsam auf 21.45 Uhr zu. Bürgermeister Thorsten Wozniak lässt das Publikum den Countdown herunter zählen. Drei, zwei, eins . . . und dann hat es so ein kleines bisschen was von Schöpfungsgeschichte: Es werde Licht. Null. Und es ward Licht. Die Giebelbeleuchtung flammt auf.
Die Bauhofmitarbeiter, die in den vergangenen Wochen oft auf Hebebühnen mit meterlangen Kabeln an Hausfassaden anzutreffen waren, haben ganze Arbeit geleistet. Der Stolz von „Frankens größter Weinstube“, das Alleinstellungsmerkmal des Gerolzhöfer Weinfestes seit den Anfangstagen im Jahr 1975, er funktioniert wieder. Waren in den vergangenen Jahren manche Gebäude ganz dunkel geblieben und dort, wo es noch funzelte, ziemliche Zahnlücken in den Lichterketten zu sehen, erstrahlen Marktplatz und Spitalstraße nun in neuem Glanz.
Oberspiesheimer Zweifler
Die „Oberspiesheimer“, Stammgäste auf der Weinfestbühne und heuer gleich zum Auftakt am Freitag als Stimmungsmacher engagiert, wollen dem Braten noch nicht so ganz trauen. Sie bieten dem Bürgermeister eine Wette an: Für jede Glühbirne, die nicht geht, soll Wozniak eine Flasche Wein springen lassen. Doch der kann den Geldbeutel getrost stecken lassen.
Mit einem Schmunzeln erzählt er am Samstag auf der Bühne von dieser Wette. Nicht, ohne den musikalischen Gästen an diesem Abend, den „Meeküh“, die Gegenwette anzubieten: „Aber das kann teuer werden“, warnt er die Musiker. Und die winken auch dankend ab. Keine Wette. Sie machen lieber Musik. „Volxrock“ nennen sie das. Mit „Final Countdown“ beginnen sie ihr Programm, und zeigen gleich, wo der Abend hingeht. Alpenländisches, Stimmungsrock, Schlager – und das mit ziemlichem Drive. Die sechs Jungs und ihre Sängerin lassen die (Mee-)Kuh fliegen am Marktplatz und treiben ihr Publikum auf die Tische. Der Bär steppt, wie schon bei den „Oberspiesheimern“ am Tag davor.
Wetter bricht Tradition
„Unser Weinfest ist eines der größten, schönsten und sicher auch gemütlichsten Frankens“, sagt Wozniak nicht ohne Stolz. Da stimmt auch Frankens Weinkönigin Marion Wunderlich zu: „Wir haben in Franken eine große Vielfalt an Weinfesten. Und alle sind einzigartig.“ Das in Gerolzhofen findet heuer zum 39. Mal statt. Eine stolze Tradition. Doch mit einer Tradition wird heuer gebrochen, meint der Bürgermeister und grinst: Nichts Feuchtes von oben, kein Donnerwetter wie so oft in den Jahren zuvor. „Wir haben super Wetter. Vier Tage lang.“
Die Weinfreunde pilgern in Scharen in die Steigerwaldstadt. Selbst das Gastspiel der „Toten Hosen“ in Schweinfurt scheint der Gerolzhöfer Schoppenfete keinen Abbruch zu tun. Die „Weinstube“ auf dem Marktplatz ist brechend voll. Und wer gekommen ist, hat die Qual der Wahl: Mehr als 40 Weine gibt es an den Ständen der vier ausschenkenden Vereine. Weinprinzessin Barbara Lenz, die heuer wie auch der Bürgermeister ihr Weinfestdebüt gibt, rührt die Werbetrommel: „Der Weg zum siebten Himmel des Genusses ist viel kürzer, als Sie denken.“
Im Zweifelsfall gerade mal so weit wie zum nächsten Essensstand. Denn das Angebot ist so vielfältig und international wie selten zuvor: italienische Pizza, ungarischer Langos, elsässischer Flammkuchen, Fränkisch-deftiges ohnehin.
Neben vielen bewährten Elementen ist auch manches neu. Für Familien mit Kindern gibt es einen neu gestalteten Sonntagnachmittag. Die Clowns „Schlawine und Machnix“ nehmen die Kleinen im Spitalgarten mit auf Wanderschaft. Im Grabenschulhof ist eine Riesenrutsche aufgebaut.
Bässe statt Bläser
Neue Klänge gibt es indes in der Spitalstraße. Keine Blasmusik. Keine Schlager. Keine Partykracher. Im „Soundladen“ lassen die DJs Foe und Hondi die Bässe wummern. Tummeln sich am Freitag nur wenige Fans vor und im ehemaligen Friseurladen, ist der Weinfest-Club am Samstag schon weitaus besser frequentiert. Vielleicht der Auftakt zu einer neuen Tradition.
Auch der Oldie-Abend am Montag hat vor einigen Jahren als Neuerung klein angefangen. Heute gehört er zu den festen Institutionen. Und mit der Kultband „The Jets“, die heuer 50-jähriges Bestehen feiert und somit noch einige Jährchen mehr auf dem Buckel hat als das Gerolzhöfer Weinfest, geht dieses an diesem Montag zu Ende. Da sollte man sich doch zu Herzen nehmen, was „Markgraf Gerold“ Peter Popp dem weinseligen Volk am Samstag mit auf den Weg gab: „Genießt! Denn ihr seid länger tot als lebendig.“