Teun Kuiper ist braungebrannt. Er sitzt im Steuerhaus seines 85-Meter-Schiffs Manta und beobachtet, wie der Krangreifer am Schweinfurter Hafenufer Portion für Portion des weißsandigen Düngers lädt. Allmählich leert sich sein Güterschiff, stattdessen füllt sich das meterhohe Silo der BayWa Agrar.
Hinter Kuiper steht ein schnittiger Sportwagen auf dem Deck. „Mit dem fahre ich dann schnell weiter zu Frau und zwei Kindern.“ Nicht jetzt, und nicht morgen, sondern sobald er wieder zu Hause vor Anker geht. Wenn Kuiper in flüssigem Deutsch spricht, klingt seine Heimat durch. Seine Familie wohnt in Groningen, Niederlanden. Er sieht sie nur alle paar Wochen.
Insgesamt 1000 Tonnen Dünger passen auf das Güterschiff
Die 1000 Tonnen NPK-Volldünger, bestehend aus Stickstoff, Phosphat und Kalium, die fränkische Landwirte auf ihre Getreidefelder ausbringen werden, hat er vor zwei Wochen im belgischen Antwerpen geladen. Dort laufen Produkte aus der ganzen Welt zusammen – und anschließend nach Unterfranken.
Die Fahrt von Belgien nach Ochsenfurt, wo Kuiper bereits 300 Tonnen ablieferte, dauerte wegen eines Schadens an der Ruderanlage doppelt so lange wie sonst. „Ich habe ein bisschen Pech gehabt“, sagt er. Von Seemannsromantik ist nach 30 Jahren im Transportgeschäft wenig übrig geblieben. Erst am Vorabend ist seine 45 Jahre alte „Manta“ im Schweinfurter Hafen angekommen.
Anders als in vielen anderen Häfen kann Kuiper hier direkt am Ufer vor der BayWa anlegen – die Kaimauer ragt senkrecht aus dem Wasser.
Der Schweinfurter Hafen gehört den Stadtwerken Schweinfurt. Betrieben wird er von der Schweinfurter Hafenumschlag GmbH. Die beiden weithin sichtbaren Kräne, beide Doppellenkerwippkräne, stammen noch aus dem Eröffnungsjahr 1963. „Die arbeiten noch mit einem reinen Seilzug“, erklärt Gerhard Lasser, der bei den Stadtwerken für die Liegenschaften und damit auch für den Hafen verantwortlich ist. Moderne Kräne seien zwar leistungsfähiger, doch die Seilwinden drei Meter hinter den Kranführerstühlen verrichten auch nach 53 Jahren noch tadellose Arbeit.
Traumberuf Kranführer?
Ein Kranführer, wenn er Stille genießen will, schließt die Tür zum Hauptraum hinter sich. Vor ihm Lenkhebel und der freie und verglaste Blick auf Greifarm und Frachtschiff. „Da heroben hab ich meine Ruhe.“ Von Sandkastenromantik will er freilich nichts hören: „Es ist schon auch anstrengend.“
Allmählich scheint die Sonne ins Kranführerhäuschen. Gegen Mittag wird sie ihm auf die Beine knallen. Seit 6.30 Uhr schwingt der Angestellte der Hafenumschlag den Greifarm: Dünger auf Kuipers Schiff greifen, dann Kran drehen und ins oben offene Silo auskippen.
2,25 Kubikmeter Dünger hebt die Zange dabei jedes Mal. Etwa zwei Tonnen Gewicht kommen bei einer Hebeportion zusammen. „Am liebsten verlade ich Braugerste“, sagt der Kranführer. „Da geht mit dem Vier-Kubik-Greifer richtig was vorwärts.“ Weil Braugerste leichter als Dünger ist, kann er sie mit einem größeren Greifer verladen.
Bis mindestens 14 Uhr wird der Kranführer mit den 700 Tonnen Dünger von Teun Kuiper beschäftigt sein. Anschließend heißt es noch, den Schiffsraum besenrein zu machen. Das übernimmt ein Kollege.
Auswaschen, so dass nichts mehr an den Dünger erinnert, müssen dann Teun Kuiper und sein zweiter Mann an Bord selbst erledigen. Denn am nächsten Morgen ist die Manta in Zeil am Main (Lkr. Haßberge) gemeldet. Dort soll er im Laderaum für die MSG, kurz für Mainschifffahrts-Genossenschaft, wieder Weizen laden und den über Main und Rhein zurück nach Belgien bringen.
Der Dünger im Silo wird nicht lange dort bleiben. Auf die Felder in der Region werden Landwirte ihn zwar erst im Frühjahr ausbringen. Bis dahin aber gibt es drei Optionen, erklärt Siegbert Endres, BayWa-Betriebsleiter am Standort Schweinfurt-Hafen: Entweder der Landwirt kauft einen Teil direkt vom Gelände der BayWa in Schweinfurt-Hafen und lagert ihn über den Winter bei sich auf dem Hof. Möglichkeit zwei: Der Dünger wird per LKW in die BayWa-Lager in Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen) oder Stadtlauringen gebracht und wartet dort auf Abnehmer.
Bei Regen muss es schnell gehen
Und Variante drei: Der Dünger wird vor Ort am Hafen gelagert. Über einen Trichter und ein Förderband wird er in eine von 13 Lagerboxen zu je 500 Tonnen Fassungsvermögen in der Düngerhalle befördert. Zum Glück meint es der Sommer zurzeit besser als im Juli. „Dünger ist hygroskopisch“, sagt Endres. Da heißt es schnell sein, wenn sich Regen ankündigt. Sonst zieht er Feuchtigkeit aus der Luft und verklumpt.
Während der Dünger allmählich ins Silo rieselt, liefern Bauern an anderer Stelle auf dem BayWa-Gelände Raps und Getreide an. Futterweizen wird kurzerhand auf dem Hof in Bergen zwischengelagert, und kurz darauf auf Transporter verladen. Die Preise, die BayWa an die Bauern zahlt, orientieren sich am Börsenpreis, erklärt Endres. Doch es gilt im Wettbewerb mit anderen Getreidehändlern: „Wer am meisten bietet und am wenigsten verlangt“, kommt zum Abschluss.
Derzeit sind die Getreidepreise schlecht, sagt er. Für Weizen gebe es im Schnitt 14 Euro pro 100 Kilogramm, für Futtergerste rund 11,50 Euro. Damit sie etwas mehr verlangen könnten, nehmen viele Landwirte die längere Anfahrt zum Hafen in Kauf, statt ein Landlager in ihrer Nähe anzusteuern.
2015 war ein schlechtes Jahr für den Schweinfurter Hafen, erklärt Lasser. Wegen des Hitze-Sommers war der Wasserstand der Flüsse mancherorts so gering, dass die Schifffahrt eingestellt worden war. Alternativ konnten die Schiffe nur mit geringerer Ladung fahren – was für den Abnehmer teurer wurde. Zusammen mit den schlechten Weltmarktpreisen bei Schrott und Getreide bedeutet das, dass die Kräne der Hafenumschlag GmbH weniger zu tun hatten. Die Aussichten für 2016 sind wieder besser.
Entlang der beiden Ufer am Hafenbecken haben sich über die Jahrzehnte viele Unternehmen angesiedelt. Eine der ersten war die Firma Walther, deren Großbehälter schon auf den Schwarz-Weiß-Bildern der Eröffnung 1963 mit Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm zu sehen ist. Entlang der Mauer des Hafenbeckens kommt man an einer ganzen Reihe vorbei: Sie liegen zwischen Hafenstraße, die U-förmig um das Hafenbecken verläuft, und dem Wasser.
Neben der BayWa warten Kohlen in Waggons auf ihren Einsatz im Gemeinschaftskraftwerk (GKS), dessen Schornstein weithin sichtbar ist. Weiter südlich türmen sich die gepressten Schrottwürfel bei Schrotthandel Georg Lesch. Inhaber Peter Heinlein schätzt am Schweinfurter Hafen „die nahe Autobahnanbindung und die Gleistrasse“. Täglich verladen seine Angestellten Schrott aus der Metallindustrie aus einem Umkreis von 300 Kilometern auf und von Waggons, die entlang der Kaimauer auf Schienen fahren.
Am Hafen geht Transport per Schiff, LKW und Waggon
Der Schweinfurter Hafen ist mit Zügen direkt an das Fernstreckennetz und mit Einzelwagen über den Rangierbahnhof Schweinfurt an das Netz der Deutschen Bahn angebunden. Waggons können über Schienen an fast jedes Hafengrundstück heranfahren.
Manchmal verirren sich am Hafenkai auch Angler, meist am Wochenende. Erlaubt ist das nicht, sagt Gerhard Lasser. Am Ende des Hafenbeckens, im Uferbereich, das der Bundesrepublik gehört, liegt das Streifenboot der Wasserschutzpolizei. Sie ist Teil der Landespolizei, den Namen wollen die Beamten, die an diesem Mittag Dienst haben, nicht nennen. Zu oft schon hätten Polizistenkollegen in letzter Zeit Anfeindungen erlebt.
Von ihrem Alltag auf den 75 Main-Kilometern zwischen Limbach (Lkr. Haßberge) und Gerlachshausen (Lkr. Kitzingen), für die ihr Team zuständig ist, erzählen die erfahrenen Streifenpolizisten dennoch: „Was andere Kollegen auf der Autobahn machen, machen wir auf dem Main.“ Stichproben etwa, was die Fahrzeiten angeht. Je nach Besatzung darf ein Binnenschiff wie Kuipers Manta 14, 18 oder 24 Stunden am Stück unterwegs sein. Zu zweit ist nach 14 Stunden eine Pause Pflicht. Auch die Schiffsnummer am Heck, eingegeben in ein deutschlandweites Computersystem, sagt den Beamten, ob das Boot etwa schon in einem anderen Bundesland auffällig geworden ist.
Teun Kuiper kennt seine Pausenzeiten. Er fährt seit 30 Jahren auf Rhein und Main. Auch die Schweinfurter Silhouette kennt er inzwischen vom Hafenbecken aus auswendig. Sogar die Fußgängerzone hat er sich schon einmal angesehen.
Hafenanlieger Richtung Nordosten:
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Hafenanlieger Richtung Südwesten:
Fakten zum Hafen Schweinfurt
Der Schweinfurter Hafen wird 1963 eröffnet – damit ist der Anfang für den „Sprung über den Main“ zum linken Flussufer und das dort entstehende Gewerbegebiet Süd gemacht.
Zweieinhalb Jahre hat der Hafenbau gedauert: Im Mai 1962 ist das ausgegrabene Hafenbecken geflutet worden, am 4. Juni 1963 kommt das erste Schiff mit Ladung an, am 4. Oktober stattet Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm (CDU) zur offiziellen Eröffnung mit Oberbürgermeister Georg Wichtermann dem neuen Hafen einen Besuch ab.
100 Millionen D-Mark kostet die Erschließung des Hafens, des anschließenden Gewerbegebietes und der vom Bund gebauten Mainbrücke.
284 087 m² ist der Hafen heute groß. Davon fallen 41 400 m² auf die Wasserfläche. 2015 wurden rund 230 000 Tonnen Mineralölprodukte, Getreide, Dünger, Kohle, Schrott und Elektro sowie Ölsaaten verladen. Das umschlagsreichste Jahr war 1994 mit nahezu 800 000 Tonnen. Seit 1963 sind gut 50 000 Schiffe an- und abgegangen.
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