Sprichwörtlich ist er in aller Munde; tatsächlich bevorzugt er die Nase: der multiresistente Krankenhauskeim, dem es in der Endoprothetik (Gelenkersatz) des Leopoldina-Krankenhauses mit Nasengel, Desinfektionsmittel, einer täglich neuen Zahnbürste und einer Waschlotion in den zwei Wochen vor der Operation an den Kragen geht. „Um die Katastrophe zu vermeiden“, sagen Chefarzt Dr. Matthias Blanke und Hygienefachkraft Cornelia Grönert im Pressegespräch.
In der Region Schweinfurt ist die Klinik von Matthias Blanke als Endprothetikzentrum (wie auch das Krankenhaus St. Josef und die Orthopädie im Schloss Werneck) zertifiziert. Die Urkunde wird jedes Jahr erneuert, die Kontrollen gelten als permanent, jede Auffälligkeit wird überprüft. Blanke sagt dazu: „Ganz wichtig.“
500 Patienten getestet
Folgenschwer ist das Einschleppen des multiresistenten Keims, der überall und keinesfalls nur im Krankenhaus lebt, in der Endoprothetik. Um „Katastrophen“ möglichst auszuschließen, nutzt Blankes Abteilung die Vorliebe des Keims, sich in der Nase des Menschen anzusiedeln. Vor den letzten 500 Hüft- oder Knieoperationen wurden alle Patienten getestet.
Das Screening ist freiwillig. Alle haben mitgemacht und sich einen Abstrich aus den Nasenflügeln mit einem Wattestäbchen nehmen lassen. Drei von 500 Proben waren positiv, was Schätzungen, wonach ein Fünftel aller Deutschen mit den multiresistenten Keimen infiziert ist, relativiert.
Abwehrkräfte wirken nicht
Zum Desaster kommt es in der Endoprothetik, wenn die Keime in die Wunde gelangen – bei der OP oder danach, weshalb auch die Infektionsgefahr nach einem Bohren mit dem Finger in der Nase ernst zu nehmen und keinesfalls aus dem Reich der Fabeln entsprungen sei, so der Chefarzt.
In die Wunde gekommen setzt sich der Keim auf der nicht durchbluteten Oberfläche des künstlichen Gelenks fest, wo die Abwehrkräfte des Menschen nicht wirken. Entzündungen sind die Folge. Durch Bildung eines festen Biofilms versagen Behandlungsmethoden. Der Keim breitet sich weiter aus. Die Folge ist der Einsatz einer Ersatzprothese.
Metall oder Keramik
Bei den standardmäßig mit Keramik beschichteten künstlichen Hüftgelenken ist das Risiko minimiert, denn auf der Keramik kann sich der Keim schlechter als auf Metall ausbreiten. Kniegelenke bestehen dagegen aus einem Material, zumeist Metall. Das Keramikknie ist noch neu auf dem Markt und wird in Unterfranken bislang nur am Leopoldina und dort auch nur in besonderen Fällen (etwa Vorbelastung durch Keimbefall, Metallallergie) eingesetzt. Blanke war an dessen Entwicklung beteiligt, vor allem in seiner Zeit an der Universität Erlangen.
Nach den drei positiv verlaufenden Tests wurden diese Patienten in die Vorbereitung einbezogen. Vom Krankenhaus bekamen sie ein Hygiene-Set mit Nasengel, Desinfektionsmittel, Waschlostion und Einmalzahnbürsten. Nach zwei Wochen waren die (von Anfang an beschwerdefreien) Patienten die Keime los.
Operieren unter dem Helm
Einbezogen und sensibilisiert werden auch alle anderen Patienten beim Gelenkersatz. Für diese gibt es – ebenfalls kostenfrei – ein kleineres Set mit Reinigungsschaum, Nasensalbe und Gurgellösung, dessen Inhalt in den drei Tagen vor der Operation aufzubrauchen ist. Ziel ist eine Reduzierung aller möglichen Keime, die der Mensch mit sich trägt.
In dem speziell für die Gelenkerneuerung eingerichteten OP tragen Ärzte und Helfer nicht nur den obligatorischen Mundschutz, sondern einen OP-Helm mit außen steriler Oberfläche. Die Atemluft unter dem Helm wird nach unten abgesaugt und verschwindet dann per Klimaanlage, die die Luft im gesamten Raum von oben nach unten führt, im Abluftkanal.
Als weitere Maßnahme zur Minimierung beim Keimbefall zählt Blanke „kleine Schnitte“ und damit die Schönung des Weichteilgewebes bei der OP auf. Auch sei die Operationsdauer und damit die riskante Zeit kontinuierlich reduziert worden.
Zuständig für die Hygiene
Die personelle Ausstattung der Krankenhaushygiene am gesamten Leopoldina-Krankenhaus besteht aus dem Einsatz von zwei Hygienefachärzten (extern, sind für mehrere Krankenhäuser tätig), vier Hygienefachkräften, 13 beauftragte Hygieneärzten und 45 beauftragte Krankenpflegekräften. Für einen fest angestellten Krankenhaushygieniker ist seit 2014 eine eigene Stelle eingerichtet, konnte aber noch nicht besetzt werden.