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GRAFENRHEINFELD
Im Herzen ein Italiener
Serie „Daheim“: Tiziano Marcato hat sich in Grafenrheinfeld mit seiner Pizzeria eine Heimat geschaffen. Sein Zuhause ist nach 45 Jahren in Deutschland aber immer noch im italienischen Padua.
Im Herzen ein Italiener
Von unserer Mitarbeiterin Ursula Lux
 |  aktualisiert: 22.09.2014 16:37 Uhr

Die Grafenrheinfelder sind sich sicher: „Der Tizi is a Rafelder.“ Selbst sieht Tiziano Marcato das differenzierter: „Ich bin noch Italiener und das werd' ich auch bleiben.“ Da ist einmal die Sache mit dem Pass, er hat einen italienischen. Einen deutschen will er nicht, „zu schwierig und zu teuer“. Aber vor allem im Herzen ist er Italiener geblieben, obwohl er schon 45 Jahre in Deutschland lebt.

Mindestens viermal im Jahr fährt Tiziano „nach Haus“. Und wenn er anfängt, von seiner Heimatstadt Padua zu erzählen, dann beginnen seine Augen zu leuchten. „Der Prato della Valle ist der drittgrößte Stadtplatz Europas“, erzählt er und schwärmt: „Am Samstag ist da immer Markt, eineinhalb Kilometer lang Stände, herrlich!“ Aber ein bisschen daheim ist er auch hier, meint Marcato, „nach 45 Jahren mittlerweile scho“.

An seine Anfänge in Deutschland erinnert sich der Italiener mit Schrecken. „Das war nicht leicht.“ Der damals Zehnjährige konnte kein Deutsch, als er seiner Familie nach Deutschland nachreiste. Er war noch ein Jahr länger bei den Großeltern in Italien geblieben, um seine fünfte Klasse abzuschließen. Aber die deutsche Sprache war nicht das Problem. Er habe immer seinen älteren Bruder gefragt, wenn er etwas nicht verstanden hat, und so binnen eines halben Jahres Deutsch gelernt. Aber als Kind war er der „Spaghettifresser“. „Da hab' ich mich immer gewehrt“, erzählt Marcato, „und bekam dann immer die Verweise.“

Die Familie zog von Waigolshausen nach Röthlein und dann nach Grafenrheinfeld. Dass er irgendwann nicht mehr „der Ausländer“ war, das verdankte er dem Fußball. „Ich hab' in Röthlein und Grafenrheinfeld Fußball gespielt“, erinnert sich Marcato, das habe seiner Integration schließlich zum Durchbruch verholfen.

Einen Beruf hat der junge Mann damals nicht gelernt. „Ich weiß eigentlich auch nicht, warum“, das fragt sich Tiziano heute selbst. Er arbeitete bei der Leergutannahme in einem Lebensmittelmarkt. Von dort habe er sich zum Geschäftsleiter hochgearbeitet und den Lebensmittel- und Getränkemarkt geleitet.

Am 18. November 1986 hat Tiziano dann die Gaststätte im historischen alten Rathaus von Grafenrheinfeld übernommen, gemeinsam mit einem Partner aus Süditalien. „Süditaliener und Norditaliener, die mögen sich eigentlich nicht“, erklärt Tiziano. Jeder habe ihm deshalb prophezeit, dass das nicht lange gut geht. Aber es hat 13 Jahre gehalten, bevor die beiden sich trennten.

Das Kochen hat Tiziano von seiner „Mama“ gelernt. Aber auch er selbst ist in der Küche kreativ und probiert gerne einmal etwas Neues aus. Inzwischen gehört das historische Anwesen seiner Frau, und Tiziano hat sich mit seiner Pizzeria ein Stück Heimat geschaffen.

Dass er eine Deutsche heiratete, das habe seiner Mutter anfangs überhaupt gar nicht gefallen. Standesamtlich wurde in Grafenrheinfeld geheiratet, kirchlich natürlich in Italien, in Abano, „größter und schönster Kurort, da musst du unbedingt mal hin“. Für die Trauung allerdings hatte Tiziano seinen Kumpel, einen deutschen Pfarrer, mitgenommen. Der allerdings musste seinem italienischen Amtsbruder erst einmal beweisen, dass er wirklich ein Pfarrer ist, denn mit Jeans und Hemd lief in Italien kein Priester herum.

Nach dem Unterschied zwischen Deutschland und Italien befragt, fällt dem Gastwirt vor allem das Essen ein. Die italienische Küche sei leichter als die deutsche. Und dann sinniert Tiziano: „Deutschland hat bestimmt auch schöne Ecken.“

Sein italienisches Temperament lebt Tiziano bis heute beim Autofahren aus. „Ich bin eher so ein Grenzfahrer“, gibt er zu. Und: „Manchmal ist es auch gut, in zwei Welten zu Hause zu sein.“ Ab und an passiert es, wenn er in Italien ist und mit seiner Frau Deutsch spricht, dass die Rechnung höher ausfällt, als wenn er sich als Italiener zu erkennen gegeben hätte, dann sorgt er für eine Überraschung. Dasselbe ist ihm aber auch schon umgekehrt bei einem Ausflug mit seinen Eltern nach Rothenburg passiert, auch hier wusste er sich zur Wehr zu setzen.

Bei aller Verbundenheit mit seiner zweiten Heimat könnte sich der Gastwirt gut vorstellen, nach Italien zurückzukehren, „wir haben ja noch das große Elternhaus in Padua“. Er wird es aber dennoch nicht machen, denn was er dort wirklich vermissen würde, wären seine deutschen Freunde.

 
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