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SCHWEINFURT
Im Gesprächsladen: Einfach mal reden
Robert Bundschuh hörte kürzlich im Gesprächsladen auf und zog eine positive Bilanz. Der Gesprächsladen ist erst im April von der Manggasse direkt an den Marktplatz umgezogen und ist damit noch etwas näher dran an den Menschen. Geöffnet ist er Montag bis Mittwoch von 10 bis 14 Uhr und am Donnerstag und Freitag von 14 bis 18 Uhr.
Foto: Helmut glauch | Robert Bundschuh hörte kürzlich im Gesprächsladen auf und zog eine positive Bilanz. Der Gesprächsladen ist erst im April von der Manggasse direkt an den Marktplatz umgezogen und ist damit noch etwas näher dran an den ...
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 17.12.2020 02:17 Uhr

„Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein“, hat Friedrich Nietzsche einst gesagt. Menschen, die den Abgrund nicht nur vor Augen, sondern auch in sich drin haben, hat Robert Bundschuh in den zurückliegenden 21 Jahren reichlich kennengelernt. Vielen davon konnte er helfen den Blick zu heben, nicht mehr nur den Abgrund, sondern auch wieder den Horizont und vielleicht sogar einen Silberstreif der Hoffnung dahinter zu erkennen.

Von Anfang an, seit Juni 1999, ist er der Motor, der den (Gesprächs-)Laden am Laufen hielt. Etwa 60 Prozent der 21 485 Beratungsgespräche mit 34 801 Personen, die in all den Jahren stattfanden, hat er selbst geführt. Rund ein Dutzend geschulte Ehrenamtliche unterstützen ihn bei seiner Arbeit. Nun hat der Theologe und Pastoralreferent mit 65 Jahren und acht Monaten das Rentenalter erreicht, Ende Juli war für ihn nach 38 Jahren im pastoralen Dienst Schluss. Lorenz Hummel (57) wird ab 1. September der neue Leiter des Gesprächsladens.

Der Gesprächsladen, ein Angebot der Schweinfurter Stadtkirche und der Diözese, ist erst in diesem Frühjahr von seinem langjährigen Domizil in der Manggasse direkt an den Markt umgezogen und damit seinem Anspruch entsprechend noch ein Stück näher dran an den Menschen. Die Tür steht offen, ein starkes Symbol dafür, was der Gesprächsladen will – ohne Termin, ohne Bürokratie und ohne Kosten sich Rat und Hilfe holen, wenn man nicht mehr weiter weiß.

Der Gesprächsladen wird so häufig zur ersten Anlaufstelle für Menschen in Not, egal ob diese Not seelische, familiäre oder finanzielle Gründe hat. „Wir zeigen auf, was geht, was notwendig ist“, skizziert Robert Bundschuh seine Arbeit. Nicht selten zeigt sich schon nach wenigen Gesprächen, wer fachlich weiterhelfen kann. Die Palette reicht da vom Psychotherapeuten über die Selbsthilfegruppe bis hin zur Schuldnerberatung.

Türen öffnen, hinter denen Hilfe zu erwarten ist, Wege ebnen helfen, die aus einer scheinbar ausweglosen Situation herausführen und die Menschen dabei an die Hand nehmen, das ist für ihn der Anspruch des Gesprächsladens.

„Wir möchten, dass die Menschen wieder den Geschmack am Leben haben und neue Hoffnung schöpfen.“
Robert Bundschuh, 21 Jahre Leiter des Gesprächsladens

Menschen in Zeiten der Globalisierung fühlen sich zunehmend überfordert, orientierungslos, allein gelassen. Die Vereinsamung, vor allem von Menschen jenseits der Lebensmitte, hat in Corona-Zeiten noch einmal zugenommen, aber es gibt auch Ehepaare, die seit Jahrzehnten aneinander vorbei schweigen, so die Erfahrung von Robert Bundschuh. Von Trauernden, über Eltern, die ihre Kinder nicht mehr erreichen, bis hin zu Führungskräften am Rande des Burnouts oder darüber hinaus, reicht die Palette der Menschen, die die Aufforderung über dem Gesprächsladen „Einfach nur mal reden“ wörtlich nehmen und eintreten – und gerne wieder kommen.

Schon seit 1997 haben die Verantwortlichen des katholischen Stadtdekanats Schweinfurt den Plan verfolgt, die traditionellen Angebote der Pfarrgemeinden durch eine neue Form der Begegnung und des seelsorgerischen Kontaktes zu ergänzen.

Robert Bundschuh war vom Anfang an dabei, war zwar mit der Pastoralpsychologie vertraut, betrat dennoch in mancher Hinsicht Neuland. Es wurde ein Ort, an dem man „im Vorbeigehen“ mit den Menschen Verbindung aufnehmen kann, aber auch einer, um Glaubensfragen erörtern zu können.

Die spielen heute nur in den wenigsten Fällen eine Rolle, praktische Lebenshilfe ist meistens gefragt, und dennoch gibt es sie noch, „die Gespräche, an deren Ende auch einmal gemeinsam gebetet wird“, so Robert Bundschuh.

Bundschuh hat gelernt, die Menschen so zu nehmen wie sie sind, sie einzuordnen, aber nicht in Schubladen zu stecken. Ein etwas weniger sorgenvolles Gesicht, ein Zeichen der Hoffnung, vielleicht ein Lächeln, oder einfach die Rückmeldung, dass es „gutgetan hat, mit jemanden zu reden“. Dies sind für ihn die Zeichen dafür, dass es sich für die Menschen gelohnt hat, über ihren Schatten zu springen und sich Hilfe zu holen.

Ein Schatten, der umso kleiner ist, je früher man ihn überspringt. „Die Menschen sollten nicht erst kommen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist“, rät Bundschuh. Manche, die sich frühzeitig beraten lassen, brauchen nur einen Impuls, eine Idee, wie es für sie weitergehen könnte. Je verfahrener die Situation, je verfestigter die Strukturen, desto schwieriger wird es.

Und um den Menschen diese Schwellenangst zu nehmen, wurden auch bürokratische Hürden abgebaut. „Niemand muss seinen Namen nennen“, so Robert Bundschuh, an diesem Ort, an dem die unterschiedlichsten Menschen nicht nur ihre Probleme, sondern auch unterschiedlichste Sehnsüchte, Hoffnungen und Träume aussprechen können. Eigentlich überflüssig zu erwähnen, dass Status, Nationalität oder Religion der Hilfesuchenden keine Rolle spielen. „Menschen beim Schreiben einer gelingenden Lebensgeschichte helfen“, das will man. Dieses Zitat stammt nicht von Friedrich Nietzsche, aber er hätte wahrscheinlich sehr gut damit leben können.

 
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