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Sennfeld
Im Gemeindearchiv Sennfeld entdeckt: Ein Schatz von historischen Noten
Die Kompositionssammlung des Sennfelder Lehrers Leonhardt Ludwig wird der Musikforschung zur Verfügung gestellt. Auch das Salzburger Mozarteum interessiert sich dafür.
Teil der Sammlung, die auch Fachleute beeindruckt: Am Ende der Partitur der Kantate zum Sennfelder Friedensfest 1795 widmet der Komponist Leonhardt Ludwig das Stück 'Soli Deo Gloria' (Allein Gott die Ehre).
Foto: Jörg Wöltche | Teil der Sammlung, die auch Fachleute beeindruckt: Am Ende der Partitur der Kantate zum Sennfelder Friedensfest 1795 widmet der Komponist Leonhardt Ludwig das Stück "Soli Deo Gloria" (Allein Gott die Ehre).
Silvia Eidel
 |  aktualisiert: 09.02.2024 06:52 Uhr

Über 200 Jahre alte Musik schwingt in diesen Notenblättern: Choräle, Orgelmusik, Kantaten, auch zum Sennfelder Friedensfest 1795. Gefunden beziehungsweise wiederentdeckt wurde der historische Notenschatz des Dorfschullehrers Leonhardt Ludwig im Gemeindearchiv Sennfeld. Jetzt wartet die Bayerische Staatsbibliothek nur darauf, die Sammlung der internationalen Musikforschung zur Verfügung zu stellen. Und auch am Mozarteum in Salzburg ist man neugierig darauf.

Damit dieser "kulturgeschichtlich sehr wertvolle Fund" – so das Urteil der Münchner Experten – aufgearbeitet und die Musik dann auch wieder aufgeführt werden kann, braucht es professionelle Hilfe. Diese leistete bereits Kirchenmusikdirektor Jörg Wöltche, der Dekanatskantor für das evangelische Dekanat Schweinfurt. Er sichtete und begutachtete das Notenmaterial in den verschiedenen Kartons. Sie waren 2011 von der Evangelischen Kirchengemeinde zur besseren Aufbewahrung an das gemeindliche Ortsarchiv übergeben worden. Die Kisten waren 2008 bei einem Wasserschaden im Keller der Kirche durchnässt worden. Sie mussten erst wieder aufwändig getrocknet, gegen Ungeziefer begast und vorsortiert werden.

In einer gemeinsamen Sitzung des Kirchenvorstands und des Gemeinderats mit Bürgermeister Oliver Schulze stellte Wöltche jetzt den "einzigartigen Fund" vor. Der Inhalt der Kartons entpuppte sich als eine umfangreiche Sammlung von Gesangbüchern, Choralbüchern, losen Blättern, aber auch sortierten Kantaten und bestellter Musik im Stil der Frühklassik für Hochzeiten, Beerdigungen und Taufen. Insgesamt 170 Nummern aus den Jahren 1788 bis 1812 sind jetzt benannt.

Ein seltener Fund, sagt auch Kirchenmusikdirektor Jörg Wöltche

Die meisten davon, etwa 140 bis 150 Kompositionen, stammen vom bislang unbekannten Schullehrer Johann Leonhardt Ludwig. Der gebürtige Gochsheimer hatte nach Recherchen des Sennfelder Heimatforschers Douglas Dashwood-Howard ab 1790 im Alter von 22 Jahren die Sennfelder Kinder unterrichtet.

Bis zu seinem Tod 1812 fand er neben Arbeit und Familie auch Zeit zum Komponieren. Das Klavier- und Orgelspiel hatte er mit 16 Jahren im Augustinerchorherrenstift im Kloster Heidenfeld gelernt, damals kulturelles und kirchenmusikalisches Zentrum der ganzen Region. Im Austausch mit anderen Dorflehrern und durch das Studieren entsprechender Bücher bildete er sich weiter und begann Kirchenmusikstücke zu schreiben, auch im Stil des Komponisten Johann Sebastian Bach.

"So ein umfangreicher evangelischer Fund in einem katholischen Umfeld ist äußerst selten", weiß Jörg Wöltche. Noch dazu die Qualität der Stücke, durchkomponierte Kantaten zu den Inhalten eines evangelischen Gottesdienstes. Und das alles aus der Feder eines Dorfschullehrers, der weder ein Gymnasium besucht, noch studiert hatte.

In der umfangreichen Notensammlung des Sennfelder Dorflehrers Leonhardt Ludwig vor über 200 Jahren befindet sich auch dieses Orgelchoralbuch.
Foto: Jörg Wöltche | In der umfangreichen Notensammlung des Sennfelder Dorflehrers Leonhardt Ludwig vor über 200 Jahren befindet sich auch dieses Orgelchoralbuch.

Leonhardt Ludwig selbst hatte nach den Recherchen von Dashwood-Howard eine "reine, gebildete Tenorstimme" und ein besonderes musikalisches Gehör. Außerdem beherrschte er neben dem Klavier- und Orgelspiel mehrere Instrumente wie die Violine, Klarinette, Trompete, Waldhorn und Tuba.

Besonders wertvoll: die Kantate zum Friedensfest von 1795

Ganz besonders wertvoll in der Notensammlung ist für das ehemals freie Reichsdorf Sennfeld Ludwigs Kantate zum Friedensfest von 1795. Dieses Vokalwerk mit Orchesterbegleitung hat Dekanatskantor Wöltche bereits für eine Aufführung bearbeitet. Geplant war sie als Fernsehgottesdienst des Bayerischen Fernsehens in diesem Kissinger Sommer, musste wegen Corona aber abgeblasen werden.

Eventuell wird die Kantate 2023 zum Jubiläum in Sennfeld aufgeführt, hofft Wöltche, wenn sich das Ende des Dreißigjährigen Krieges zum 375. Mal jährt. Auf diesen gründet sich das Friedensfest, das seit 1649 in Sennfeld gefeiert wird.

Erst wird die Sammlung digitalisiert, dann geht es weiter nach München

Damit nun die Sammlung Ludwigs auch für die internationale Fachwelt greifbar wird, soll sie nach dem Beschluss von Kirchenvorstand und politischer Gemeinde professionell digitalisiert werden, informierte Bürgermeister Schulze.

Dazu werden die Noten von der Gemeinde zunächst eingescannt. Anschließend sollen sie vorübergehend nach München in die Bayerische Staatsbibliothek gebracht werden, wo sie katalogisiert werden. Aufgrund der Bedeutung des Fundes soll der Bestand im Internationalen Quellenlexikon der Musik, dem "Repertoire International des Sources Musicales (RISM)", erfasst und so der Forschung zugänglich gemacht werden. Etwa zwei Jahre wird dies dauern.

Zum Sennfelder Friedensfest 1795 schrieb der damalige Dorfschullehrer Leonhardt Ludwig eine Kantate. Das Werk wurde jetzt im Sennfelder Gemeindearchiv wiederentdeckt.
Foto: Jörg Wöltche | Zum Sennfelder Friedensfest 1795 schrieb der damalige Dorfschullehrer Leonhardt Ludwig eine Kantate. Das Werk wurde jetzt im Sennfelder Gemeindearchiv wiederentdeckt.

Unter den 170 Nummern des Sennfelder Notenschatzes sind auch etwa 25 händische Abschriften anderer Komponisten, darunter die älteste Abschrift eines Stückes von Jakob Ignaz Sebastian Demar. Der 1763 in Gauaschach geborene Komponist hatte in Frankreich eine bedeutende Karriere gemacht. Weil seine Stücke denen von Mozart ähneln, ist das Forschungsinstitut des Mozarteums Salzburg ganz begierig darauf, auch die Sennfelder Noten-Abschrift zu untersuchen.

 
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