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Dingolshausen
Im Bürgerwald: natürliche Verjüngung statt gekaufte Setzlinge
Traditionell fand in Dingolshausen der alljährliche "Holzakkord" statt, bei dem der Förster über den gemeinsamen Bürgerwald Gerolzhofen-Dingolshausen bilanzierte.
Der Bereich an der unteren Salzlecke ist nur eine von vielen Flächen im Bürgerwald, die stark vom Borkenkäfer betroffen war. Die entstandenen Kahlflächen ermöglichen nun eine natürliche Verjüngung, erfordern aber auch eine entsprechende Pflege, wie Förster Jochen Schenk erläutert.
Foto: Marion Heger | Der Bereich an der unteren Salzlecke ist nur eine von vielen Flächen im Bürgerwald, die stark vom Borkenkäfer betroffen war.
Marion Heger
 |  aktualisiert: 02.12.2020 02:14 Uhr

Förster Jochen Schenk ist seit Juli 2019 als Revierförster tätig und hat die komplexe Aufgabe, das etwa 800 Hektar große Waldstück unter ökologischen und wirtschaftlichen Aspekten mit seinen Mitarbeitern zu pflegen und zu unterhalten. Nun gab Schenk zum zweiten Mal nach seinem Eintritt umfassend Auskunft zum Zustand des Waldes und zu den Besonderheiten, die das vergangene Jahr forstwirtschaftlich prägten. Dabei gab es neben der Holzernte viele interessante Informationen über die Waldbewirtschaftung, den Zustand des Waldes und die Philosophie, mit der Jochen Schenk den Bürgerwald für die Herausforderungen der Zukunft stärken möchte.  

Zunächst ging der Förster ausführlich auf die Holzernte ein, die zum einen die geplanten Fällungen (41 Prozent) und zum anderen das sogenannte Kalamitätsholz (59 Prozent) umfasst, welches aufgrund von Schäden entnommen werden musste. Eine kleinere Rolle spielte hierbei das Sturmtief "Sabine" im Februar. Viel mehr hatte der Baumbestand unter den zwei "Käferwellen" zu leiden, die das Team des Bürgerwaldes fast das ganze Jahr über beschäftigt haben.

Weniger geerntet als gewachsen ist

Die Holzeinschlagsmengen erläuterte Schenk anhand einer Grafik, die neben dem tatsächlichen Einschlag auch den Hiebsatz - also die Holzmasse, die pro Jahr eingeschlagen werden soll beziehungsweise darf - und den Zuwachs beinhaltete. Der Einschlag liegt mit 5200 Festmetern nicht nur unter dem Hiebsatz, sondern auch - und das ist dem Förster besonders wichtig - deutlich unter dem Zuwachs  von 5680 Festmetern.

Trotzdem ist ein Anstieg beim Holzeinschlag zu verzeichnen, der vor allem auf den Borkenkäferbefall zurückzuführen ist. Aber es gab auch andere Faktoren, die langfristiges Planen schwer und kurzfristiges Reagieren notwendig machten, so Schenk. Er nannte hierzu neben der Käferholzaufbereitung auch Probelieferungen an neue Lieferanten oder die Ausnutzung von Frühlieferprämien für Buchenstammholz. Bei den Schilderungen der teilweise sehr spontanen Reaktionen auf neue Marktgegebenheiten wurden immer wieder die finanziellen Aspekte der Waldbewirtschaftung deutlich. 

Wertvolle Bäume bleiben stehen

Das Holz wird zum Teil von den Waldarbeitern selbst, zum Teil von Unternehmen und zu einem kleinen Teil auch von Selbstwerbern (Brennholzkunden, die das Holz selbst herausschneiden) geerntet wird. Letztere schneiden gekennzeichnetes Holz heraus, wodurch auch Pflegemaßnahmen gesteuert werden können. Totholz verbleibt dagegen bewusst im Bürgerwald. Und Bäume, die eine erhöhte ökologische Qualität besitzen, werden nicht gefällt und stattdessen komplett aus der Nutzung genommen. Für einen Teil dieser Bäume hat der Förster einen Förderantrag im Zuge des Vertragsnaturschutzprogrammes gestellt und entsprechende Prämien erhalten.  

Weiter ging Schenk auf das Thema Pflanzungen ein. Große Pflanzzahlen erachtet er weder als notwendig, noch als sinnvoll. "Wir setzen nicht auf Masse, sondern auf Qualität." Die Verpflanzung von Wildlingen bei passender Witterung auf sorgfältig ausgesuchte Endplätze sei viel erfolgsversprechender als die Massenpflanzung gekaufter Setzlinge. Man betreibt hier im Bürgerwald einen relativ großen Aufwand, verspricht sich aber davon neben guten Anwachsraten vor allem auch einen widerstandfähigen, stabilen und standorterprobten Baumbestand, dessen Erbinformation sozusagen auf die örtlichen Gegebenheiten programmiert ist. "Wir setzen auf eine natürliche Verjüngung der Bestände und brauchen keine Bäume, die der Steigerwald nicht sowieso schon hat", so Schenk. Erst wenn große Schadflächen neu gepflanzt werden müssten, brauche man ein anderes Konzept.

Probleme für fast alle Baumarten

Am Ende kam noch einmal das Thema Schadereignisse und die problematische Klimaentwicklung zur Sprache, welche die aktuelle Situation im Bürgerwald stark prägen. Die Buchen leiden unter Trockenschäden. Sind diese sehr ausgeprägt, werden die Bäume zum Teil auch geerntet. Die Eschen sind vom Triebsterben betroffen, hier sollten kranke Bäume nur entfernt werden, wenn die Verkehrssicherheit es erfordert, um keine zusätzliche Sporenverbreitung zu riskieren. Anders sieht es bei den durch den Borkenkäfer bedrohten Fichten aus, die bei Befall schnell herausgenommen werden müssen. Gleich mehrere Schadbilder (durch Schädlinge, Pilze oder Hitze) gibt es bei den Kiefern. 

Bäume, die der Revierförster aufgrund ihres hohen ökologischen Wertes aus der Nutzung genommen hat, kennzeichnet er mit einem Specht. Der rote Punkt zeigt, dass dieser Baum Bestandteil des Vertragsnaturschutzprogrammes ist.
Foto: Marion Heger | Bäume, die der Revierförster aufgrund ihres hohen ökologischen Wertes aus der Nutzung genommen hat, kennzeichnet er mit einem Specht.

Aber es gab auch positive Nachrichten. Die Ergebnisse einer vor Ort angelegten Prognosestelle für Schwammspinner konnte hier momentan Entwarnung für den südlichen Landkreis Schweinfurt geben. Und am Ende richtete Schenk einen optimistischen Blick in die Zukunft: "Wir haben 25 bis 30 Baumsorten und sind zuversichtlich, dass es zumindest einige von ihnen schaffen werden, sich den veränderten klimatischen Bedingungen anzupassen."

Tradition seit 1862

In jedem Fall möchte Schenk den Wald in ökologischer und finanzieller Hinsicht und in Bezug auf die Baumartenvielfalt noch bunter übergeben, als er ihn übernommen hat. Dabei ist seine erste Prämisse, zukunftsfähigen und ökologisch sehr wertvollen Baumbestand zu erhalten und mit der Ernte von weniger zukunftsträchtigen Bäumen und Schadhölzern zumindest konsolidiert aus dem Wirtschaftsjahr herauszugehen. Somit stellt er die Ökologie eindeutig vor den Marktwert.

Der Holzakkord, der auf die "Instruction" von 1862 zurückgeht, bot in diesem Jahr aufgrund der aktuellen Hygienevorschriften nicht wie sonst auch den Rahmen für einen informellen Austausch der Zweckverbandsmitglieder. Dennoch war es sehr wichtig, diesen traditionellen Termin stattfinden zu lassen und  so einen umfassenden Einblick in die Arbeit des Revierförsters zu bekommen.

 
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