Nach dem Weggang von Vikar Kai Söder gehört nun seit rund zwei Wochen der aus Nigeria stammende Priester Titus Ojonyi zum Seelsorger-Team der Pfarreiengemeinschaft St. Franziskus am Steigerwald. Ojonyi wird an den Wochenenden und auch unter der Woche Gottesdienste in der Pfarreiengemeinschaft halten. Daneben ist er mit dem Erarbeiten seiner Doktorarbeit beschäftigt. Im Interview spricht er auch über seine ersten Erfahrungen mit der Kirche in Deutschland.
Frage: Herr Ojonyi, stellen Sie sich bitte zu Beginn selbst vor.
Titus Ojonyi: Ich stamme aus der Diözese Idah in Nigeria und wurde dort im Jahr 1981 als drittes von neun Kindern geboren. Am 17. Juli 2010 empfing ich vom Diözesanbischof in Idah die Priesterweihe.
Ihr Vorname Titus stammt ja aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „der Ehrwürdige“. Der Heilige Titus aus der Bibel war ein Schüler des Apostels Paulus. Was bedeutet aber Ihr Familienname?
Titus Ojonyi: Ojonyi ist ein alter nigerianischer Name und bedeutet so viel wie „Gott der Schöpfer“.
Wie ging es nach Ihrer Priesterweihe weiter?
Titus Ojonyi: Ich habe zunächst in Idah in einem katholischen Gymnasium für Jungen gearbeitet. Dieses Knabenseminar ist so eine Art „Junior-Priesterseminar“ für Jungen, die später einmal Priester werden wollen. Danach war ich fünf Jahre lang als Seelsorger an der staatlichen Fachhochschule für technische Berufe in Idah tätig. Als ich ein Stipendium der Diözese Würzburg erhielt, um meine Doktorarbeit schreiben zu können, kam ich im März 2018 nach Deutschland und habe in Würzburg zunächst einen Deutsch-Kurs belegt. Neben meiner wissenschaftlichen Arbeit habe ich dann in der Pfarrei Marktbreit mitgeholfen, ehe ich jetzt nach Gerolzhofen kam.
In welchem Themenbereich promovieren Sie?
Titus Ojonyi: Ich befasse mich in meiner Doktorarbeit bei Frau Michelle Becka, Professorin für Christliche Sozialethik an der Katholisch-Theologischen-Fakultät der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg, mit dem Thema „Armut und Gewalt – die nigerianische Erfahrung“.
Was bedeutet dies genau?
Titus Ojonyi: Ich beschäftige mich mit der Situation in meinem Heimatland. Von den rund 200 Millionen Einwohnern dort sind 90 Millionen sehr arm. Und dies führt häufig zu Gewalt. Denn wenn man hungrig ist, ist man auch unglücklich und ärgerlich. Hinzu kommt, dass die Regierung korrupt ist. Ich sehe es als wichtigste Aufgabe der Kirche an, für die Armen und Hungernden da zu sein.
So wie es Papst Franziskus erst kürzlich in seiner neuen Enzyklika „Fratelli tutti“ – Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft – dargelegt hat...
Titus Ojonyi: Ja, genau. Die Enzyklika ruft ja zu mehr menschlicher Brüderlichkeit und Solidarität auf. Die Kirche in Nigeria muss die Hilflosen unterstützen und Solidarität mit den Armen zeigen. Es geht um Gerechtigkeit für diese Leute. Wir müssen die Menschenrechte und die Menschenwürde verteidigen.
Stellen Sie auch in Nigeria ein Vordringen des gewalttätigen Islams fest?
Titus Ojonyi: Meine Heimatdiözese Idah ist noch nicht sehr betroffen. Schlimmer sieht es im Norden des Landes aus, dort, wo viele Arme wohnen. Dort breitet sich die Terror-Gruppe Boko Haram immer mehr aus. „Boko Haram“ heißt übersetzt „Erziehung ist verboten“. Die Islamisten wollen die Menschen bewusst arm halten – arm an Geld und arm an Bildung. Nur so können sie ihre Ideologie durchsetzen.
Welche Unterschiede sehen Sie zwischen der Kirche in Nigeria und der Kirche in Deutschland?
Titus Ojonyi: Die Gottesdienste in meiner Heimat sind eine lebendige Erfahrung und eine Gelegenheit, Gott und anderen Menschen zu begegnen. Es gibt viel Musik und Tanz. Der Gottesdienst bei uns ist eine richtige Feier.
Und hier in Deutschland?
Titus Ojonyi: Deutschland hat eine sehr große christliche Tradition. Theologie und Philosophie gehen sehr tief. In dieser Beziehung ist Deutschland ein sehr reiches Land. Wenn man die großen Kirchen sieht, erkennt man auch, dass die Menschen früher, als die Kirchen gebaut wurden, sehr religiös gewesen sein müssen. Jetzt aber sind die Kirchen beim Gottesdienst fast leer. Es kommen nur noch sehr wenige Leute.
Dies sieht in Nigeria noch anders aus?
Titus Ojonyi: Ja. Bei uns sind die Kirchen bei den Gottesdiensten voll. Die Leute stehen sogar vor den Türen. Und deshalb müssen wir die Kirchen erweitern oder größere Gotteshäuser bauen, obwohl wir kein Geld dazu haben. Ein Freund hat mal einen Scherz gemacht und gesagt, man müsste die großen deutschen Kirchen nach Nigeria transportieren. Dann wären sie voll.
Wie geht es Ihnen nach den ersten Tagen in Gerolzhofen?
Titus Ojonyi: Ich bin sehr dankbar, hier in der Pfarreiengemeinschaft St. Franziskus sein zu dürfen. Ich freue mich sehr darauf, die vielen Menschen kennenzulernen. Und ich werde die Chance ergreifen, von Pfarrer Stefan Mai vieles zu lernen.
Vielen Dank für das Gespräch.